Flexibilisierung, Digitalisierung und beste Mitarbeiter*innen – Wie kommt die Hotellerie aus der Krise?

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Mit der Erfahrung aus einem Jahr Krise und unter entsprechenden Vorzeichen trafen wir am 22.03.2021 zwölf Hoteliers aus den unterschiedlichsten Segmenten und Gebieten. Von Südtirol bis Wien schalten sich Hoteldirektoren und Hoteleigentümer zu, um mit uns zu beraten, welche Schwerpunkte wir auf unseren beiden Fachkonferenzen für die Hotellerie – Hotel Optimal Holiday und Hotel Optimal City – setzen sollen. Und das mitten in einer Phase, in der es auch in absehbarer Zeit weder Klarheit noch Planungssicherheit gibt.

Mit dabei waren:

Gerhard Brix, Managing Director, Alps Residence Holidayservice GmbH Monique Dekker, Area Vice President Austria/Italy/Hungary at Park Hyatt Erich Falkensteiner, Chairman, Supervisory Board ,FMTG Falkensteiner Michaeler Tourism Group Kurt Hummel, Hoteldirektor, Das Sieben Vivea Bad Häring Andreas Kerschbaumer, General Manager, Starlight Suiten Hotels Ivona Meissner, Director of Hotel Development Austria & CEE at BWH Hotel Group Mustafa Özdemir, Geschäftsführer, Loisium Nicolai Padoan, Global Commercial Head / Director of Development Europe at Kerten Hospitality Angelika Ponecz, General Manager, Grand Ferdinand Sabine Rahm-Lehner, Head of Sales & Marketing Manager, Schick Hotels Dominic Schmid, Cluster General Manager, NH Hotels Wien/NH Danube City & NH Wien Belvedere und Obmann der FG Hotellerie WKO-Wien Mag. Matthias Winkler, CEO, Sacher

Bestandsaufnahme

Erich Falkensteiner hat uns die letzten Jahre bei unseren Konferenzen immer wieder mit Visionen und Ideen – vor allem mit Optimismus beeindruckt. Ernüchternd sein Eingangsstatement. Im gesamten Falkensteiner-Imperium sind nur eine Handvoll Häuser geöffnet. In Serbien hat man eine Auslastung von 25%. „Zum Sterben zu viel…“. Pfingsten – so lautet seine Prognose. Der grüne Pass muss kommen, sonst kann man sich keine weiteren Öffnungen leisten.

Das Öffnen ist das eine, die andere Frage ist, wann die Hotellerie wieder zu einer Auslastung wie vor der Krise kommen kann. Sacher CEO Matthias Winkler hat bei der letzten Hotel Optimal schon eine Prognose von 4-5 Jahren gemacht und bekräftigt diese auch jetzt wieder. Das Vertrauen ins unbeschwerte Reisen muss zurückkehren – und das dürfte noch eine Zeitlang dauern. „Es wird Menschen geben, die auch nach der Impfung erkranken, es wird Erkrankte geben, die sterben und es wird Medien geben, die sich massiv damit auseinandersetzen.“

Aber erst wenn das Vertrauen wieder hergestellt wird, ist mit mehr Gästen und MitarbeiterInnen zu rechnen. Das aktuelle Missverhältnis zwischen Investment und realer Auslastung deutet auf ein künftiges Problem hin. Es stehen uns also noch turbulente Zeiten bevor und dann bleiben zumindest in manchen Segmenten nur mehr die Besten der Besten! Bedeutet das schon das Aus für viele familiengeführte Hotels? Nicolai Padoan sieht eine Veränderung im Zusammenhang von Immobilieninvestments und Betreibermodelle. Kleine Familienbetriebe werden von Investoren gekauft, sodass man langfristig weiter zusammenarbeitet. So kann man gemeinsam Krisen durchstehen.

Monique Dekker leitet die Hyatt Hotels in Österreich, Italien und Ungarn. Ein Drittel der Hotels hat offen, aber keine nennenswerte Auslastung. In Wien ist das Park Hyatt geöffnet, das Andaz geschlossen. Was man sieht ist eine große Nachfrage nach Wohnsitzen und auch „long stay“ Geschäftsreisende buchen immer wieder. Die Hyatt Chefin rechnet mit einer Öffnung um Pfingsten. „So viel hängt an der Geschwindigkeit des Impfens – ein europäisches Problem. Und daraus ergibt sich, dass man vielleicht doch nicht so schnell mit europäischen short distance Reisenden rechnen kann, wie gehofft.“

Aber der Staat bemüht sich. Im internationalen Vergleich können Hoteliers in Österreich durchaus mit mehr Hilfe rechnen. Die Wartezeiten waren lange, aber letztlich kam doch einiges bei den Hotels an.

Ferienhotellerie große Chancen – Stadthotellerie lange Durststrecke?

 

Mit den Loisum Häusern vertritt Mustafa Özdemir en ganz anderes Segment – und damit hat er etwas mehr Grund zu Optimismus. Seine Hotels sprechen hauptsächlich Domestic- Gäste an und im letzten Sommer hat sich gezeigt, wie groß das Bedürfnis war, Urlaub zu machen, ohne in die Ferne zu schweifen. Jetzt bereitet sich Özdemir auf einen Run vor. Die Lockdown-Phase wurde genützt. In Langenlois hat dazu gebaut und im April werden die Zubauten vom Development abgenommen. Auch in der Champagne wird gebaut – ebenfalls für lokale Gäste.

Das Segment, das sich um Gäste aus dem näheren Umfeld kümmert, profitiert jedenfalls, weil die Lust auf Fernreisen durchaus gedämpft bleiben könnte.

Loisium, Sacher und viele andere Häuser haben To-Go Produkte und Outdoor Konzepte überlegt.

Dominic Schmid von den NH Hotels vermisst klare Bestimmungen und damit einhergehend Planbarkeit. Während Mallorca mit einer Inzidenz von 20 bereits für Touristen öffnet, bleibt hier alles bis aufs weitere zu. Dabei seien die Zahlen aus Mallorca doch stark der geringeren Testfrequenz geschuldet.

Auch wird in den Bestimmungen viel über einen Kamm geschert, was sehr unterschiedliche Rahmenbedingen hat. Z.B. wird die Hotellerie als Tourismus-Sektor abgehandelt in dem sich auch Museen, Reiseveranstalter usw. befinden. Mit allen Sicherheitsnahmen und Konzepten wäre bei einer genaueren Differenzierung mehr möglich gewesen. Schmid wünscht sich auch eine klarere Positionierung von Seiten der Regierung gegenüber den Nachbarländern.

Schlüsselfaktor MitarbeiterInnen

Eine große Herausforderung steckt im Thema Staff: 20% der MitarbeiterInnen sind für die Hotellerie verloren. Beim Hochfahren ist man sich einig, dass Service und Qualität extrem bedeutend sind, und das müssen Hoteliers mit einer dezimierten und durch Monate der Kurzarbeit aus der Übung gekommenen Mannschaft bewältigen.

Das Qualifizieren von MitarbeiterInnen steht auf der Agenda von Angelika Ponecz ganz weit oben. Gutes Personal wird wichtigster Wettbewerbsfaktor. Deswegen ist Weiterbildung und System-Know-How extrem wichtig. Ihr Haus – das Grand Ferdinand – ist nicht so abhängig vom Fernreisenden, sondern man hat sich auf das nähere Umfeld fokussiert.

Auch Ivona Meissner hat diesen Fokus. Viel Kommunikation damit die MitarbeiterInnen Perspektiven haben. Socializing ist wichtig, um eine Gemeinsamkeit zu erhalten. Man versucht MitarbeiterInnen flexibel einzusetzen. Mehr Aufgaben, mehr Verantwortung, mehr interessante Aufgabenfelder sollen helfen, hoch qualifizierte MitarbeiterInnen zu halten.

Die 270 Hoteliers aus dem BW Netzwerk haben 3 große Herausforderungen identifiziert: Liquidität, MitarbeiterInnen und der MICE und Business-Sektor. Neue Zielgruppen müssen erschlossen und die Hotellerie als Partner wahrgenommen werden. So hat Best Western Schulklassen eingeladen, um den Schulbetrieb zu erleichtern.

War for Talents!?

Eine ganze Generation von Lehrlingen geht verloren (Dominik Schmid), im Marketing bekommt man leichter Mitarbeiter als dort wo man direkt mit dem Gast zu tun hat (Gerhard Brix), man kann nicht mehr für jede Detailaufgabe einen eigenen Mitarbeiter abstellen (Dekker).

Matthias Winkler konstatiert: „Wir sind bereits im War for Talents.“ Die Hotellerie hat sich als nicht krisensicher erwiesen und deswegen überlegen EinsteigerInnen genau, ob sie in diese Branche gehen. Wer sich also nicht darum bemüht die besten MitarbeiterInnen zu bekommen, zu entwickeln und zu halten, der wird den Erwartungshaltungen der Gäste nicht entsprechen können. Der War for Talents wird nicht nur Hotel gegen Hotel geführt, sondern betrifft auch die Hospitality Branche als Ganzes. Deswegen kann Kooperation und Austausch helfen.

Wirtschaftliche Zukunft: Öffnung ab Mai?

Bei einem Anteil von normalerweise über 80% an internationalen Gästen, wird die Wiener Hotellerie auch 2021 massive Verluste hinnehmen müssen.

Die Starlight Suiten haben daraus schon Konsequenzen gezogen: Die zwei Häuser in der Wiener Innenstadt haben sie aufgegeben, berichtet Andreas Kerschbaumer. Diese werden zu Wohnungen umgebaut, da die Immobilieneigentümer auf die aktuelle Situation der Hotellerie reagiert haben. Starlight war nicht unglücklich in dieser Zeit die Betreiberrolle niederlegen zu können und ist nun auf der Suche nach einem neuen Objekt. Das Angebot ist dabei jedoch nicht sehr groß, bzw. preislich unattraktiv. Abwarten ist jetzt eine sinnvolle Vorgehensweise. Denn in der Stadthotellerie wird sich bis Herbst nicht viel tun.

Gerhard Brix – CEO der Alps Residenz – hat die Wintersaison erlebt wie ein Ski Rennen, das wegen Schlechtwetter immer wieder verschoben wird, bis es letztlich abgesagt werden muss. Entsprechend hat er Ressourcen vorgehalten und auf die gute Buchungslage vertraut. Während der Lockdowns hat er dann auch massiv auf Weiterbildung gesetzt.

Sobald es aber wieder los geht, glaubt er an fantastische Auslastung aus Österreich, Deutschland und Niederlanden.

Bei den Schickhotels geht Sabine Rahm-Lehner davon aus, dass erst im Juli wieder eine Öffnung möglich ist. 2020 war ein Jahr der Trauer für die Hotellerie. Trotzdem scharrt man in den Startlöchern vor allem auch in Sachen Gastronomie, wo ein

großer Nachholbedarf zu erwarten ist.

Aus Tirol hat sich Kurt Hummel zugeschaltet. Für ihn hängt viel von den Regelungen in Deutschland ab. Viel Nachfrage ist da, aber der Knopf muss erst aufgehen. Er spürt in seinem Team einen enormen Zusammenhalt, auch Dankbarkeit gegenüber den Eigentümern, dass Kurzarbeit möglich ist und nicht einfach Stellen abgebaut werden.

Nicht wann, sondern wie öffnen wir und für wen?

„Ob wir April, Mai oder Juni aufsperren ist aus der Perspektive von 2024 eigentlich irrelevant.“, meint Matthias Winkler. Aber wie sperren wir auf?

Werden die Ansprüche steigen, oder werden die Gäste einfach froh sein reisen zu dürfen? Wie wird man die Gäste gewinnen? Je nach Lage und Ausrichtung des Hotels setzt man auf unterschiedliche Konzepte. Klar scheint jedoch, dass die jungen Gäste die ersten sein werden, die wieder reisen. Eine Preisgestaltung nach Auslastung à la Revenue Management ist nicht mehr der richtige Weg, meint Angelika Ponecz. Transparenz ist oberstes Gebot. Junge Gäste haben auch andere Bedürfnisse. Öffnungszeiten und digitale Informationen sind wichtiger als analoge Services.

„Vor dem Preiskampf warnen alle und doch müssen ihn die meisten mitmachen.“, attestiert Andreas Kerschbaumer. Alternativen dazu können genutzte Synergien sein: „Brauchen 18 Hotels am Platz alle ein eigenes Restaurant?“ fragt Nicolai Padoan. Es braucht Innovation und auch Investition in digitale Erleichterung. Jetzt ist der Zeitpunkt zu investieren.

Reisemotive unter der Lupe

Wenn die Coronakrise nicht mehr all unser Handeln bestimmt, werden die Themen, die davor schon wichtig waren, mit Vehemenz zurückkommen. Nachhaltigkeit und Regionalität werden noch wichtiger sein als davor. Auch der Umgang mit den eigenen MitarbeiterInnen wird vom Gast goutiert.

Für die angeschlagene Stadthotellerie hält die Krise auch eine spannende Opportunity parat: Reiseziele können und müssen sich neu erfinden. Monique Dekker macht es am Beispiel Venedig fest. Vielleicht will die Stadt nach der Krise nicht mehr von Kreuzfahrtschiffen im Akkord angelaufen werden, sondern wieder kulturell und durch Qualität bei Essen und Service punkten. Das ist auch die Möglichkeit, höhere Preise zu erzielen. Wenn das Angebot passt, kann man auch Geld dafür verlangen.

Forderungen an die Politik

Mit dem Mai wird der Stadthotellerie wieder eines ihrer Hauptmonate verloren gehen. Die Hoteliers fordern deswegen, dass Stundungen verlängert, Verlustausgleich bereitgestellt und Kurzarbeit angepasst werden.

Doch darf man sich nicht nur auf den Staat verlassen, denn auch die hier entstehenden Schulden wird man zurückzahlen müssen. Matthias Winkler fordert Eigeninitiative und Innovationen: neue Geschäftsmodelle und kluge Konzepte sollen Chancen bringen.

„Staatliche Hilfe ist schön, aber die Hotels müssen es schaffen, aus eigener Kraft mittelfristig zu überleben“, ist auch Erich Falkensteiner überzeugt.

Der Weg: Flexibilisierung, Digitalisierung und beste Mitarbeiter

So wie Monique Dekker sagt: „Die Erwartungshaltung der Gäste bei der Wiedereröffnung ist sehr hoch, da darf nicht gepatzt werden.“ Und dann heißt es, alles was es analog gibt, muss es auch digital geben.

Bei all den Veränderungen heißt es flexibel zu sein und sich den neuen Bedingungen anzupassen. Und all die Herausforderungen kann man nur mit guten MitarbeiterInnen schaffen.

Für Matthias Winkler ist jetzt eines entscheidend: Austausch und Zusammenarbeit, um für die Zeit nach Corona das richtige zu tun.

Deswegen sind Austauschplattformen wie unsere HOTEL OPTIMAL Konferenzen auch dieses Jahr so wichtig.

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