Was man aus den vergangenen Krisen lernen kann und welche Rolle der IT bei der Krisenbewältigung zukommt

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Manfred Troger ist Managing Director für Österreich und CEE des Beratungsunternehmens Maturity. Davor hat er Gartner Österreich mit aufgebaut und war bei Technologie-Riesen beschäftigt. Er hat sowohl die Krise im Fahrwasser der dotcom-Blase, als auch die Finanzkrise miterlebt und einiges daraus gelernt. Im Interview gibt er wichtige Tipps wie man in der Unternehmensleitung richtig mit der Situation umgehen kann und welche Rolle die IT dabei spielen wird.

Das Interview führte Alexander Ghezzo

Ghezzo: Wie wirkt sich Homeoffice und Ausgangsbeschränkung auf Sie und Ihre Berufswelt aus?

Troger: Die Möglichkeit, aus dem Homeoffice zu arbeiten, war und ist für mich ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit. Sie bedeutet für mich Freiheit der flexiblen Zeiteinteilung als auch Verantwortung, mit dem „remote“-Zustand gut umzugehen. Dazu gehört, proaktiv die persönlichen Kontakte zu suchen und zu pflegen als mich auch nicht in einer gewissen Trägheit zu verlieren, d.h. die langfristigen Ziele immer im Auge zu behalten. In der Berufswelt merke ich, dass für viele Videokonferenzen unangenehm sind, und dass sie lieber telefonieren oder über Email kommunizieren wollen. Hier ist natürlich ein Fingerspitzengefühl mit der passenden Kommunikation wichtig.

Was mir jetzt abgeht sind die vielen persönlichen Meetings, weil diese den Fokus auf das Geschäft in Richtung Mensch erweitern, und ich damit individuelle Situationen besser verstehen und auch für mein Leben dazulernen kann. Ich freue mich schon auf meine nächsten Meetings, wann auch immer diese sein mögen.

Ghezzo: Wir erleben zweifelsohne eine schwere Krise. Ist diese mit anderen Krisen wie 2000/2001 oder 2008/2009 vergleichbar?

Troger: Es gibt viele Parallelen, aber auch grundlegende Unterschiede. Irgendwie treffen Krisen Firmen ganz unterschiedlich, manche sind besser vorbereitet als andere. Ein Bankenrechzentrumsleiter hat mir gesagt, dass manche seiner Kunden sehr gut gerüstet waren, andere wiederum hatten nicht einmal die einfachsten Vorkehrungen getroffen. Ich kann mich an eine Empfehlung während eines Kongresses im Jahre 2000 erinnern, man möge doch für das darauffolgende Jahr zwei Budgets planen, eines in der gewohnten Planungsart (Demand/Supply) und eines mit einem Not-Budget von -50%. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Ein führender Manager meinte, man solle eine Rezession nicht herbeireden, das ist nicht gut für die Stimmung. Ein Jahr später waren jene im Vorteil, die eine ordentliche Notfallplanung gemacht haben.

Ghezzo: Welche Erkenntnisse können wir noch aus der Vergangenheit mitnehmen?

Troger: Gleich wie damals reagieren heute viele Firmen in einer Art Schockstarre, Budgets werden dramatisch gekürzt, jedes Projekt wird hinterfragt oder gleich abgedreht, nur um ihren Cash-Flow aufrecht zu erhalten. Speziell waren früher die e-Commerce und e-Business Projekte auf dem Prüfstand, heute sind es Digital-Transformation-Aktivitäten. Beispielsweise spricht IDC davon, dass nur 26% der Digitalisierungs-Projekte 2019 einen positiven ROI hatten.

Viele CIOs sind damals aus dem Kostenthema nicht mehr herausgekommen und mussten über die Jahre immer mit dem Rücken zur Wand für mehr Geld argumentieren. Nur wenige haben es geschafft, in Augenhöhe von den Fachabteilungen wahrgenommen zu werden und konnten entsprechende Aktivitäten zeigen, die dann ihren Firmen ermöglicht hatten, von der beginnenden Digitalisierung zu profitieren.

Ghezzo: D.h., der weitsichtige Blick ist auch heute gefragt?

Troger: Definitiv. Und hier gibt es große Unterschiede zu den damaligen Krisen: damals konnte man davon ausgehen, dass sich die Welt wieder erholt und es dann eine ähnliche Entwicklung – zwar mit einer erhöhten Geschwindigkeit, aber doch stetig – nach oben gehen wird. Heute sehen wir viele Indikatoren, dass in Zukunft die Welt anders aussehen wird, Menschenansammlungen, ob im Büro oder bei Veranstaltungen, wird es wie bisher nicht mehr geben. Facebook beispielsweise hat alle Veranstaltungen bis Mitte 2021 gestrichen, Andreas Gnesda als Entwickler von sinnvollen Arbeitswelten macht sich Gedanken, wie ein Arbeitsplatz in Zukunft mit entsprechenden Abständen zu Kollegen aussehen könnte, oder und wie Meetingräume, Coffe-Corner oder Bürozugänge den Pandemievorkehrungen entsprechend gestaltet werden müssen.

Ghezzo: Wie sehen Sie die IT heute?

Troger: Die IT hat durch Covid-19 eine gewissen Sternstunde, jeder ist froh darüber, dass seine IT in Windeseile Heimarbeitsplätze aufbauen konnte und somit ein Funktionieren vieler Bereiche ermöglichen konnte. Gerade Heimarbeitsplätze war immer ein Streitthema zwischen jenen, die Technologien gerne nutzten, und jene, die nur die Gefahren gesehen haben und damit stark gebremst hatten. Gezielte Gelder für die Notfallmaßnahmen zu bekommen oder restriktivere Prozesse (z.B. kein „Bring your own device“) durchzusetzen ist plötzlich kein Problem mehr. Der wirklich entscheidende Punkt für die IT ist der, ob sie es schafft, die neu gewonnene Aufwertung auch zu behalten, d.h. auch in Zukunft in Augenhöhe mit den anderen Fachabteilungen diskutieren und einen wesentlichen Beitrag zur Unternehmensentwicklung beitragen zu können.

Ghezzo: Zum Schluss, irgendwelche Empfehlungen von Ihrer Seite?

Troger: Ich komme aus der Welt der Kennzahlen und sehe, dass viele Entscheidungen von Managern intuitiv getroffen werden und erst nachträglich versucht wird, mit rationalen Argumenten diese Entscheidungen zu rechtfertigen. Meine Empfehlung ist die, mehr Augenmerk auf eine fundierte Planung zu geben, um in Krisensituationen besser gerüstet zu sein (Stichwort Steven Covey „wichtig vs. dringend“). Dabei sollte jeder Manager ein selbst erstelltes und validiertes Kennzahlensystem haben, das er für eine gewissenhafte Planung und Steuerung verwendet.

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