Wer traut sich zuerst? Ideen für Rulebreaker in der Bau- und Immobilienwirtschaft

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Digitalisierung, neue Arbeitswelten, Generations, Pandemien, Gamechanger, Disruption, War for Talents: Schlagworte die uns als Konferenzveranstalter zum Teil Jahrzehnte begleiten und die doch noch nie so viel bedeutet haben wir jetzt. Bestsellerautor Markus Czerner hat sich vom angehenden Spitzensportler zum Ideengeber für Regelbrecher gewandelt. Das heißt nicht, dass er den Gesetzesbruch empfiehlt, wohl aber den Ausbruch aus gewohnten Denkmustern.

Alexander: Klassische Business Modelle werden im Zuge der Digitalisierung stark hinterfragt. Aber in einer Welt, in der es fast alles schon gibt, ist das gar nicht so leicht. Hast Du Tipps für Unternehmen, wie sie auf der Suche nach neuen Konzepten erfolgreich sein können?

Markus: Ja, sie müssen Regelbrecher werden. Sogenannte Rulebreaker handeln nicht nach üblichen Denkmustern. Du sagst in deiner Frage »… in einer Welt, in der es schon fast alles gibt« – das ist für die meisten Menschen eine erhebliche mentale Limitierung, denn sie schlussfolgern, dass es schon alles gibt. Unternehmen brauchen die Fähigkeit, mit Paradigmen zu brechen und mentale Schemata zu ändern. Beispiel: »Heute Morgen ist mir ein Ohrring in den Kaffee gefallen. Wie ist das möglich?«

Wer diese Frage beantworten möchte, muss außerhalb seiner gewohnten Bahnen denken. Menschen, die out of the box denken können, besitzen eine divergente Art zu denken. Hierbei wird das normale Denken verlassen, um Neues zu entdecken.

Um das mit der Antwort auf die zuvor gestellte Frage zu beantworten: Es handelt sich um eine Tasse, gefüllt mit Kaffeepulver. Diese divergente Art zu denken, ist der Grundstein für neue Konzepte. Daher mein Rat an alle Unternehmen: Holt Euch andersdenkende Menschen ins Unternehmen, zum Beispiel Quereinsteiger, denn diese sind nicht in branchenspezifischen Schemata gefangen.

Alexander: Was kann eine Branche wie Bau- und Immobilien von anderen Branchen lernen, um sich zu modernisieren und neu zu erfinden?

Markus: Ich denke es wird für die Bau- und Immobilienbranche darum gehen, komplett neue Wege zu gehen und davor keine Angst zu haben. Revolutionierende Veränderungen hat es hier in den letzten Jahrzehnten nicht gegeben. Aber diese werden kommen, bzw. von Nöten sein. Die Frage wird sein: Kann die Branche das? Meiner Meinung nach wird ein komplett neuer Markt entstehen, mit neuen Produkten und einer komplett neuen Denkweise – wie zum Beispiel virtuelle Büros. Für solche Veränderungen bedarf es Vorreiter, die den Mut haben, komplett neu zu denken. So wie Elon Musk mit seiner Vision der Elektroautos. Für die Bau- und Immobilienbranche wird das gleiche gelten, wie für andere Branchen auch: Wer traut sich zuerst, Altbewährtes zu revolutionieren und ist bereit, das Risiko des Scheiterns einzugehen?

Alexander: Corona hat viel in Frage gestellt. Was sind für Dich da die wichtigsten Learnings aus der Pandemie?

Markus: Mein wichtigstes Learning: Anpassungsfähigkeit. Corona hat mir gezeigt, dass diejenigen eine Krise erfolgreich überstehen, die in der Lage sind, sich schnell an die äußeren Bedingungen anzupassen und keine Angst haben, bewährte Konzepte über Bord zu werfen. Während viele versucht haben, ihr Business zu retten und alte Konzepte aufrechtzuerhalten, sind einige wenige schon ganz neue Wege gegangen – und die sind in der Krise voll durchgestartet. Hat es was mit Glück zu tun? Nein! Sie waren anpassungsfähig und haben sich auf die aktuelle Situation eingestellt, und zwar kompromisslos. Dazu zählt eben auch, unangenehme Entscheidungen zu treffen wie zum Beispiel bis dato erfolgreiche Konzepte zu eliminieren.

Alexander: Wir sind auf der Suche nach Immobilen der Zukunft. Büros, Geschäfte, Hotel, Betriebe verändern sich. Wie denkst Du, wird sich die Arbeitswelt verändern und kann man daraus Rückschlüsse auf die benötigten Räume und Immobilien ziehen?

Markus: Ich glaube, dass wir uns in den nächsten Jahren immer mehr in Richtung »remote-arbeiten« entwickeln. Besonders die nachkommenden Generationen um die Generation Z werden diesen Anspruch für sich erheben. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es virtuelle Büroräume geben wird, die vermietet werden. Hotels werden mehr Rückzugsorte für Arbeitende schaffen und zu normalen Zimmern Büros anbieten müssen. Es gibt ja jetzt schon sehr erfolgreiche Anbieter, wie zum Beispiel Design Offices, die sich just an diese Zielgruppe wenden. Und diese Zielgruppe wird immer größer – nennen wir sie einfach mal digitale Nomaden. Also Menschen, die von überall arbeiten können und wollen. Dieser Teil unserer Gesellschaft wird mit fortschreitender Digitalisierung immer größer.

Alexander: Wenn Du zu Break the rules aufrufst: Was meinst Du damit konkret? Gibt es dazu gute Beispiele?

Markus: Regeln geben Struktur und Halt. Sie bringen Ordnung in unser Leben. Doch Regeln haben auch eine andere Seite: Sie sind ein Machtinstrument und sie limitieren unser Denken und Handeln. Erst wenn wir uns dieser Umstände bewusstwerden, können wir sie kritisch hinterfragen und auch brechen. Mit Regelbruch rufe ich nicht dazu auf, Gesetze zu brechen. Es gibt ein viel engmaschigeres Netz aus soziokulturellen oder historischen Regeln. Viele davon werden einfach von uns – oft unbewusst – befolgt. Es sind regeln, die für uns in den Bereich der Naturgesetze rücken: unumstößlich, scheinbar immerwährend. Ihre Durchsetzung kann vor keinem Gericht eingeklagt werden, und dennoch wird die Nichtbefolgung sanktioniert. Besonders im sozialen Kontext oder auch der Wirtschaft gibt es viele regeln, die brav befolgt werden, ohne zu hinterfragen. Wieso, weshalb, warum? Warum muss ein Banker einen Anzug und Krawatte tragen? Warum müssen Unternehmen jedes Jahr x Prozent wachsen? Und warum wird das immer so gemacht?

Es könnte also auch alles ganz anders sein – und das muss nicht unbedingt schlechter sein.

Alexander: Nachhaltigkeit bestimmt die Wirtschaftswelt gerade. Dabei geht es stark um Regulierung. Steht das im Wiederspruch zu „Break the Rule“?

Markus: Nein, überhaupt nicht. Regeln sind per se nicht schlecht und ein starkes Instrument – wenn sie Sinn machen und Sinn stiften. Beim Regelbruch geht es stark um das Stichwort »Chancenintelligenz«. Regulierung ist ein starkes Instrument, solange man sich nicht zu sehr darauf versteift. Wir planen bei Regulierungen allerdings zu viel. Ich sage nicht, dass Pläne schlecht sind. Sie sind selten das Problem. Das Problem sind Menschen, die nichts mehr ohne Pläne machen können. Die Standard-Antwort auf das Ungewisse ist »wir brauchen einen Plan«. Damit wollen wir uns Gewissheit verschaffen, nicht urplötzlich mit unvorhergesehenen Dingen konfrontiert zu werden, so dass wir nicht wissen, was zu tun ist. Wir vergessen dabei nur eines: Es gibt keine Gewissheit, außer dass das Leben nicht nach Plan funktioniert. Wir können alles durchplanen und regulieren, aber es kommt immer anders, als wir denken. Und wenn genau das passiert, dann kommt der Regelbruch ins Spiel. Und dieser kann auch die Nachhaltigkeit eines Unternehmens auf eine neue Ebene bringen.

Alexander: Hast Du Tipps für Unternehmen, wie sie mit der Herausforderung Fachkräftemangel umgehen?

Markus: Das ist natürlich von Unternehmen zu Unternehmen verschieden und ist schwer zu pauschalisieren. Aber Gegenfrage: Brauchen Unternehmen unbedingt Fachkräfte? Können Quereinsteiger nicht auch eine Bereicherung für das Unternehmen sein und auf Grund ihrer Fachfremdheit Dinge sehen, die Fachkräfte nicht sehen?

Natürlich sollten Unternehmen sich versuchen, attraktiver für Fachkräfte zu machen und Lust erwecken, in diesem Unternehmen arbeiten zu wollen. Aber wenn das Problem des Fachkräftemangels selbst nicht gelöst werden kann, dann muss man andere Wege gehen – und das geht nur über den kreativen Regelbruch. Warum also keine fachfremden Mitarbeiter einstellen? Wie zu vor schon gesagt, denken solche Menschen außerhalb branchenspezifischer Normen und das kann ein Gewinn auf allen Ebenen sein. Wir brauchen Fachkräfte ist also eine Regel, die ruhig mal gebrochen werden darf – wenn es sein muss.

Treffen Sie Markus Czerner persönlich auf unserem Ghezzo Immobilientag 2022

 

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