Wenn Energie teurer wird, müssen Immobilien effizienter werden und sogar selbst Energie erzeugen – technische, wirtschaftliche und rechtliche Herausforderungen
Energie verschwenden ist kein Kavaliersdelikt. Umweltbewusstsein und Energiekosten steigen. Entsprechend wachsen auch die Anforderungen an die Immobilien. Aber welches Potential steckt tatsächlich in unseren Gebäuden? Wo werden in Errichtung, Betrieb und Sanierungen Chancen nicht genutzt und Fehler gemacht? Antworten auf die Fragen stecken im korrekt erstellten Energieausweiß oder können durch eine technische Due Diligence erhoben werden, weiß Friedrich Mühlener vom IfEA Institut für Energieausweis GmbH, einem Unternehmen der Energie AG. Im Interview analysiert er die aktuellen Verschränkungen zwischen Immobilien- und Energiewirtschaft, zeigt wie man technische Potentiale erkennt, und klärt rechtliche Fragen.
Ghezzo: Energie wird teurer werden. Deswegen schaut man sich Immobilien genauer an, um Potentiale zu heben und Fehler zu vermeiden. Was finden Sie bei den Immobilien, die Sie sich anschauen?
Mühlener: Es fehlen oft Instandhaltungskonzepte über das gesamte Immobilienportfolio und die thermische Sanierung ist meistens wirtschaftlich nicht optimiert. Der „richtige“ Energieausweis wird öfters nicht als Basis aller Überlegungen herangezogen – was viele Gründe hat. Ein oft vorgefundener Fehler ist die fehlende Dämmung von Heizungs- und Warmwasserleitungen. Ebenso fehlt zumeist die sinnvolle Anpassung der Wärmebereitstellung nach erfolgter Sanierung.
Ghezzo: Wo sind die Potentiale und auch die Fehler, die man frühzeitig vermeiden kann?
Mühlener: Die Basis für alle Gebäude sollte ein Renovierungsenergieausweis für den sukzessiven und strukturierten thermischen Sanierungsplan und die geplante Heizungssanierung (-erneuerung) inklusive hydraulischer Einregulierung sein. Die Dämmung der obersten Geschoßdecke ist oft baubehördlich vorgeschrieben. Diese Maßnahme ist nicht nur wirtschaftlich, sondern erhöht auch die Behaglichkeit in den Wohnräumen deutlich. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Heizkessel: Wurde dieser vor 1995 eingebaut, ist er ausnahmslos auszutauschen. Bei diesen Maßnahmen gibt es oft ein Dilemma zwischen Vermieter und Mieter – denn finanziell profitiert einzig der Mieter!
Ghezzo: Energie- und Immobilienwirtschaft rücken zusammen. Energiegemeinschaften, Alternative Energien usw. Was sind für Sie die relevanten rechtlichen und organisatorischen Herausforderungen, die es zu beachten gilt?
Mühlener: Es gibt unzählige Herausforderungen in der jetzigen Situation, u.a. sind das für die erneuerbaren Energiegemeinschaften:
Kosten und Hemmnisse während des Gründungsprozesses von EEG: Die Komplexität des Innenverhältnisses in Bezug auf Miet- und Eigentumsrecht sowie Haftungsfragen. Diese Probleme sind derzeit bereits wesentlich bei PV Gemeinschaftsanlagen nach ElWOG §16a werden auch EEGs treffen, da ein umfassendes Verständnis über die Möglichkeiten der unterschiedlichen Rechtsformen, Tarifmodelle etc. notwendig ist, um einen wirtschaftlichen Betrieb von EEGs zu ermöglichen. Kosten für die Verwaltung und Betrieb erneuerbarer Energiegemeinschaften: inklusive Abrechnung, offene Punkte mit Umgang Ausgleichsenergie Auswahl des Verteilschlüsselansatzes: derzeit Verteilschlüssel wie bei ElWOG §16a Anlagen angedacht. Abhängig von der inhomogenen Zusammensetzung der Mitglieder und somit teilweise der großen Unterschiede hinsichtlich der Energiemengen bei EEG kann es zu erheblichen Überschüssen bei der Anwendung eines starren Verteilschlüssels kommen bzw. bei der dynamischen Verteilung eine starke Ungleichverteilung der Erzeugung zu Gunsten großen Verbraucher. Risikominimierung durch Mindestdauer der Mitgliedschaft: Risiko für Investitionen in neue Erzeugungsanlagen. Es ist zu überlegen, inwieweit die Möglichkeit von Mindestdauern für Mitgliedschaften umsetzbar und mit den Vorgaben des EU-Rechts konform sind.
Ghezzo: Die Sanierungsrate ist immer noch erschreckend gering. Dabei soll Sanierung ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit sein. Welches Potential steckt im Bestand und wie kommen wir daran?
Mühlener: Nur etwa 10 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen werden durch Raumwärme oder Warmwasser verursacht. Damit ist der Hebel der Wohnungswirtschaft zur Reduktion der Treibhausgase überschaubar – dennoch ist eine thermische Sanierung Stand der Technik und muss Teil der Werthaltigkeit der Immobilien sein. Das wahre Potential der Sanierung zeigt ein fachgerechter Energieausweis oder sogar eine Due Diligence Prüfung. Der hier erhobene Status Quo ist die Grundlage für einen vollständigen Sanierungsplan.
Die größte Herausforderung ist die aktuell angedachte Umstellung von Gasetagenheizungen auf zentrale Heizungsanlagen. Das ist nicht nur eine technisch-organisatorische Herausforderung, sondern auch eine finanzielle Megabelastung für Mieter und Vermieter. Die Umstellung auf Grünes Gas wäre sicher eine interessante und wahrscheinlich kostengünstiger Alternative, und auch technisch machbar.
Ghezzo: Wie gehen Sie bei der technische Due Diligence vor? Was erfahren die Immobilienbesitzer/Verwaltungen über ihre Immobilie?
Mühlener: Die technische Due Diligence umfasst mehrere Eckpunkte – eine umfassende Objektsicherheitsprüfung, einen Sanierungs- bzw. Renovierungsenergieausweis zur Fixierung der thermischen Sanierungsstrategie, ein Facility Audit und standardmäßig auch eine Kostenschätzung für dringend anstehende Instandhaltungsmaßnahmen und eine Vorschau auf die Instandhaltungskosten der nächsten zehn Jahre. Die technische Due Diligence ist aufgrund des Leistungsumfangs und des interessanten Preis-/Leistungsverhältnisses nicht nur bei Kauf oder Verkauf interessant, sondern auch bei älteren Immobilien. Der klassische Hausverwalter hat viele andere, wichtige und weitreichende Aufgaben und kann mit dieser Überprüfung mehr über den aktuellen Gebäudezustand und den Kostenrahmen für künftige Instandhaltungsmaßnahmen erfahren.
Ghezzo: Was gibt es Neues um den Energieausweis? Da gibt es ja mittlerweile sogar Online Dienste, die diesen anbieten? Worauf sollte der Auftraggeber achten?
Mühlener: In den nächsten fünf Jahren wird die Bedeutung des Energieausweises steigen, die Gesamtausrichtung wird sich nur unwesentlich ändern, da sich auch die EU-Vorgaben nicht stark ändern werden. An der neuen OIB-RL 6, Ausgabe 2023 wird ab Herbst 2021 gearbeitet werden, obwohl die Ausgabe 2019 noch nicht in allen Bundesländern umgesetzt wurde. Das verpflichtende Kontrollsystem durch die Bundesländer wird stetig weiterentwickelt, dadurch haben es unprofessionelle Energieausweisersteller immer schwieriger. Auch die Strafen für falsche Energieausweise, welche in EU-Vorgaben vorgesehen sind, werden empfindlich höher, so sind z.B. im Begutachtungsentwurf zur Oö. Bauordnung Verwaltungsstrafen in der Höhe von EUR 1.450,– bis 36.000,– vorgesehen. Die Beauftragung von rechtssicheren Energieausweis (u.a. verpflichtende Vor-Ort-Befundung) ist wichtig, da es ansonsten zu Auswahlverschulden und weitreichenden Haftungen des Auftraggebers kommen kann.
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