MIT BIM die Gesamtkosten im Lebenszyklus eines Gebäudes deutlich reduzieren – Erfahrungen aus internationalen Projekten

von

Eigentlich liegt der Vorteil von BIM (Building Information Modeling) auf der Hand. Transparenz, Daten, die einem im ganzen Lebenszyklus nutzen, Erkennen von Kollisionen und Konflikten in der Bauausführung und somit kürzere Bauzeiten, gesparte Ressourcen und früherer Einstieg in die Nutzungsphasen. Und trotzdem setzt sich BIM eher langsam in der österreichischen Bau- und Immobilienbranche durch. Mensch und Maschine kennt BIM aus dem praktischen Einsatz in unterschiedlichsten Branchen und Ländern. Im Interview mit MuM-Experten Oliver Gratzl wollen wir wissen, wie man für alle in einem Immobilienprojekt Involvierte mit BIM Nutzen generiert.

Ghezzo: MuM hat ja viel internationale Erfahrung in verschiedensten Branchen. Was ist für Sie der wichtigste Nutzen, den man durch die Anwendung von BIM generieren kann?

Gratzl: Oft wird der meiste Nutzen von BIM (Building Information Modeling) den Planern und Koordinatoren zugeschrieben. Es stimmt, dass diese durch die Aufwandsverlagerung in die frühe Phase des Projekts einen höheren Aufwand haben. Durch Nutzung der BIM Methodik kann dieser Mehraufwand ausgeglichen werden. Bessere Kommunikation (z.B. Einsatz einer Cloud Lösung für real-time Zusammenarbeit in der Planung), zentrale Datenverwaltung und frühzeitige Fehleranalyse erhöhen die Effizienz in der Planung, in Folge wird dadurch auch die Qualität gesteigert und die Zufriedenheit des Bauherrn erhöht.

Zunehmend erkennen auch Bauherren den Nutzen von BIM. BIM bringt mehr Transparenz und hat damit einen positiven Einfluss auf die Baukosten und Termine, die bei einer durchgängigen Projektabwicklung mit BIM besser kontrolliert und reduziert werden können. Das bedeutet, je effizienter der Einsatz von 4D und 5D BIM (Zeit- und Kostenmanagement) erfolgt, desto geringer das Risiko böser Überraschungen. Ziel sollte es sein, dass der BIM Koordinator mit dem Bauherrn Hand in Hand geht und das Projekt transparent über eine CDE (Common Data Environment) abwickelt. So kann gewährleistet werden, dass jeder Projektbeteiligte rasch auf Änderungen reagieren kann und dadurch ein hohes Maß an Qualitätssicherheit gegeben ist.

Die Nutzung von BIM sollte beispielsweise entgangene Umsätze auf Bauherrenseite vermeiden und gleichzeitig die Rendite steigern. Beispielsweise würden zum einen die Mieteinnahmen bei Projektverzögerung erst deutlich später generiert werden können, zum anderen sollten durch eine effizientere Bauweise die Erträge gesteigert werden können.

Ghezzo: Wie verteilt sich der Nutzen auf die Projektbeteiligten bei einem Immobilienprojekt?

Gratzl: In der Vergangenheit standen die Errichtungskosten zu den Nutzungskosten bei 20% zu 80%. Betrachtet man die Bauprojekte der letzten Jahre, so wird man feststellen, dass das Verhältnis eher bei 60% zu 40% liegt, also die Kosten der Errichtung höher sind, egal ob mit oder ohne BIM geplant. Mit BIM kann man jedoch davon ausgehen, dass durch effizientere Planung und Einsatz von smarten Lösungen im Betrieb (z.B. Sensorik für Predictive Maintenance) die Gesamtkosten im Lebenszyklus eines Gebäudes deutlich reduziert werden können.

Die Planungs- und Bauphase hat somit eine wesentliche Bedeutung. Überlegt sich der Architekt oder Planer die Flächen eines Gebäudes im Vorfeld zu optimieren (bspw. durch Simulation einer optimierten Layoutplanung oder thermische Gebäudesimulation) bedeutet dies zwar einen geringen Mehraufwand in der Planung, der Bauherr kann jedoch von Kosteneinsparungen im Betrieb profitieren.

BIM ist eine gemeinschaftliche Methode zwischen Planern, Ausführenden und dem Auftraggeber. Daher verteilt sich der Nutzen optimalerweise auf alle Beteiligten gleichermaßen. Auf dem ersten Blick könnten das Planungsbüro und der Bauherr den meisten Nutzen haben. Jedoch kann auch das Bauunternehmen profitieren. Beispielsweise können durch die optimierte Auslastung der Ressourcen, die Auftragskapazitäten für zusätzliche Projekt genutzt werden. Erkennt man als Unternehmen den aktuellen Wandel, werden die „alten“ Geschäftsmodelle auf Dauer ohne BIM nicht zukunftsfähig sein.

Ghezzo: Wie sehen Sie die Anwendung von BIM in der österreichischen Immobilienbranche? Wie stehen wir da im internationalen Vergleich?

Gratzl: Wie auch bei anderen Digitalisierungsthemen sind wir in Österreich meist in einer abwartenden Haltung und weniger Vorreiter. USA, Großbritannien und Skandinavien sind ein paar Schritte voraus, jedoch ist der Trend zu BIM durchaus hierzulande spürbar. Für Unternehmen, die international tätig sind, ist BIM oder nicht BIM gar keine Frage mehr. Der Einfluss dieser Unternehmen in Österreich ist deutlich und auch verstärkt in der Immobilienbranche spürbar. Nachdem der öffentliche Bereich vermehrt auf BIM setzt, ist das Bewusstsein in der Baubranche voll angekommen. Aus unserer Sicht sollten die Auftraggeber aus der Immobilienbranche über den Nutzen von BIM informiert sein und auch die Grundlagen von BIM verstanden haben. Wir geben unser Know-how hier gerne weiter, beispielsweise in unseren BIM Management Seminaren.

Ghezzo: Was sind die Erfolgsfaktoren bei der Implementierung von BIM?

Gratzl: Wir sehen bei der Implementierung von BIM neben vielen anderen Faktoren zwei Faktoren als ausschlaggebend. Zum einen das Schlagwort „Change Management“, also der Wille, dass etwas verändert wird bzw. anders als sonst erarbeitet wird. Das bedeutet, dass eine BIM Strategie inklusive Roadmap im Unternehmen erst existieren muss, um BIM Projekte optimal abzuwickeln. Zum anderen ist das richtige „KnowHow“ wichtig. Also das BIM Wissen über BIM Strategie, Dokumente und Richtlinien, sowie BIM Anwendungsfälle und Nutzen, etc. Dieses hat man entweder selbst im Haus oder man holt sich Experten als Berater oder Trainer hinzu, um dieses Wissen aufzubauen. Arbeiten Schlüsselpersonen aus unterschiedlichen Unternehmen an dem Ziel, ein Projekt gemeinsam, qualitativ und hochwertig abzuwickeln, steht dem Erfolg nichts im Wege. Die Technologie selbst spielt hier eine untergeordnete Rolle. Es liegt in der digitalen Transformation im Bauwesen vermehrt an den organisatorischen Skills.

Ghezzo: Was kann die Immobilien Branche von anderen Branchen lernen?

Gratzl: Mensch und Maschine ist in den Geschäftsfeldern Maschinenbau, Infrastruktur (GIS) und Bauwesen tätig. Wir sehen die Weiterentwicklung in den unterschiedlichen Bereichen, lernen voneinander und sehen, wie sehr diese Geschäftsfelder mittlerweile untereinander vernetzt sind. BIM4Industry betrifft bspw. alle Zulieferer von Produkten für Bauprojekte. Produkthersteller lernen daher die Bedeutung von BIM kennen und bieten ihre 3D Modelle für Planer und Architekten an. Manche Unternehmen ermöglichen bereits Produkt-Konfiguratoren, sodass Planer das passende Produkt (Modell) für das Bauprojekt selbsttätig wählen können.

Ähnlich kann die Immobilienbranche neue Methoden und Wege aus der Industrie und anderen Branchen übernehmen. Die Automatisierung von Gebäuden schreitet voran, die Industrie setzt hier die Maßstäbe und die Immobilienbranche kann von den Fortschritten profitieren. Beispielsweise findet man in der Industrie ausgeklügelte Sicherheitssysteme für Geräte, Maschinen und Gebäude. Künstliche Intelligenz erkennt in sekundenschnelle, um welche Art einer „Bedrohung“ es sich handelt. Lösungen können z.B. auf Flughäfen oder in Einkaufszentren (Ladendiebe) eingesetzt werden.

Ghezzo: Wie sieht es mit Weiterbildungsbedarf und dem Know How in den Unternehmen aus?

Gratzl: Wie bereits erwähnt, sehen wir die Weiterbildung als einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Um etwas zu verändern, benötigt man das richtige Know-how, wie etwas umgesetzt werden kann.

Der BIM Wissensstand hat sich in Österreich über die letzten Jahre stets gesteigert, nicht zuletzt durch unser zu tun, im Speziellen unser BIM Ready ™ Ausbildungsprogramm. BIM Manager werden in Österreich nach wie vor stark nachgefragt, daher gibt es sicherlich noch viel Weiterbildungsbedarf.

Mensch und Maschine bietet Schulungen für BIM Konstrukteure, sowie für BIM Koordinatoren und das BIM Management (u.a. für Bauherren) an. Zudem können Unternehmen in BIM Spezialisierungsschulungen wie Scan2BIM oder BIM2FM (Facility Management) von unserer Erfahrung profitieren.

Ghezzo: MuM ist Know How Drehscheibe in Sachen Digitalisierung. Welche Visionen und Fortschritte erwarten Sie in den nächsten Jahren?

Gratzl: Das Thema BIM und speziell openBIM wird sich in den nächsten Jahren stark weiterentwickeln. Experten sagen voraus, dass zukünftig der Großteil an Bauprojekten über BIM abgewickelt wird. Diesen Trend sehen wir ebenfalls. Die Baubranche hat in Sachen Digitalisierung noch einiges aufzuholen, ist aber auf einem guten Weg.

Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz in Simulationen zur besseren Nachhaltigkeit und effizienterer Rohstoffverwendung wird eine Rolle spielen. 3D Scan (Drohne oder stationäres Gerät) während der Bauphase und im Bestand wird voraussichtlich ebenfalls Standard werden. So kann gewährleistet werden, dass auch das as-built Modell aktuell gehalten wird und Bauherren speziell im Facility Management stark unterstützt.

Oliver Gratzl auf LinkedIn

Mehr zur Mensch und Maschine

Mehr dazu auf dem GHEZZO IMMOBILIENTAG

 

 

Zurück