Das Potential des digitalen Gebäudezwillings nutzen: Was kann BIM jetzt und was in Zukunft?
Das AIT Austrian Institute of Technology GmbH ist mit 1300 MitarbeiterInnen Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung und quasi ...
... Das AIT Austrian Institute of Technology GmbH ist mit 1300 MitarbeiterInnen Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung und quasi eine Schnittstelle zwischen Theorie und wirtschaftlicher Praxis Ein Forschungsfeld ist BIM und die Potentiale des digitalen Gebäudezwillings Dr Steffen Robbi verantwortet den Aufbau nationaler und internationaler Geschäftsbeziehungen im Gebäudebereich und leitet innovative Projekte zu den Themen Fernwärme und Gebäudeenergietechnik Im Interview berichtet er über die aktuelle Forschung praktische Anwendungen und über das Kosten Nutzen Verhältnis
Ghezzo: Der digitale Gebäudezwilling – also ein digitales Abbild eines Gebäudes, das genau dem geplanten oder errichteten Werk entspricht – soll es ermöglichen frühzeitig Schwachstellen zu erkennen und mit verschiedenen Varianten und Lösungen zu experimentieren. Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen?
Robbi: Wir haben heute in der Planung viel Informationsverlust bei den Übergabe-Schnittstellen. Idealerweise sollte in der Architektur mit dem Geometriemodell begonnen werden und dieses Modell dann von allen Fachplanern weiterverwendet werden, sodass am Schluss des Planungsprozesses ein vollständiges Modell vorhanden ist. Wenn es beim Bau Anpassungen oder Änderungen gibt, werden diese im Modell nachgezogen, damit bei Fertigstellung des Gebäudes auch ein „as-built“ Modell zur Verfügung steht.
In diesem Prozess können schon heute frühzeitig Kollisionen erkannt und vermieden werden, zum Beispiel wenn ein Mauerdurchbruch nicht zur Rohrleitungsführung passt. Aber das ist erst der Anfang. Das Modell kann auch relevante Energiekennwerte berechnen, um damit die Dimensionierung der Heiz- und Kältetechnik zu prüfen. Es können Beleuchtungssimulationen ausgeführt werden, um die Platzierung von Leuchtkörpern zu optimieren. All dies ist heute bereits möglich, allerdings nur mit zusätzlichem Modellierungsaufwand, der in Zukunft durch ein integriertes konsistentes Modell vermieden werden soll.
Ghezzo: Wie zuverlässig ist denn die Simulation tatsächlich. Gibt es nicht sehr viele Dimensionen die nicht wirklich abzubilden sind?
Robbi: Jedes Gewerk hat seine eigenen Anforderungen. So wird etwa die Statik bereits heute im BIM Modell gerechnet, hier genügt die Modellgenauigkeit vollauf. Wenn Simulationen in Zukunft auf den digitalen Zwilling zugreifen, werden sehr viele Informationen über das Gebäude enthalten sein und es kann sehr detailliert simuliert werden. Die Herausforderung wird eher darin bestehen, das Modell von unrelevanten Details zu befreien, die z. B. für eine Simulation nicht erforderlich sind, wie etwa architektonische Details für Energiebedarfssimulationen.
Ghezzo: Wie sieht es denn mit der Umsetzung in der Praxis aus?
Robbi: Es gibt vor allem an den Schnittstellen viel zu tun. Heute sind zahlreiche Tools in Entwicklung und in Verwendung, die die Zusammenarbeit am BIM Modell ermöglichen. Eine wichtige Aufgabe ist die Standardisierung, damit die Informationen über z. B. Komponenten von unterschiedlichen Herstellern in einem einheitlichen Format zur Verfügung stehen und automatisiert verarbeitet werden können (machine-to-machine communication).
Ghezzo: Es klingt doch etwas kostspielig. Wie steht es mit dem Verhältnis Kosten-Nutzen?
Robbi: Wenn man alle Doppelarbeiten, die im heutigen Planungs- und Bauprozess gemacht werden, in Zukunft vermeiden kann, dann hat man ein Einsparungspotenzial, das nicht nur den Planungsprozess beschleunigt, sondern im Endeffekt auch Gebäude erzeugt, die besser und effizienter funktionieren. Das spart sowohl bei Erstellung als auch im Lebenszyklus.
Ghezzo: Woran arbeiten Sie gerade im Sinne der Forschung? Wie wird sich BIM und der digitale Zwilling weiterentwickeln?
Robbi: Wir arbeiten an den Schnittstellen, d. h. an der verlustfreien Informationsübergabe zwischen Architekten, Planern, Herstellern und Betreibern. Zusätzlich sind noch Fragen zur Zusammenarbeit und zum Management in einem BIM-basierten Prozess zu klären. Mit Hilfe von Simulationsrechnungen von Gebäude und Anlagentechnik lassen sich bereits heute bessere Entscheidungen im Planungsprozess und auch im Betrieb treffen. Beispiele sind das Zusammenspiel von Bauphysik und Energietechnik, um kostenoptimale Lösungen zu finden, das Prüfen geplanter Regelstrategien, um die Funktionsfähigkeit im Betrieb zu validieren oder auch thermische Behaglichkeitssimulationen, um sommerliche Überhitzung zu minimieren. Dies alles erfordert zeit- und kostenaufwändige Gebäudemodelle, die aktuell noch größtenteils manuell erstellt werden müssen. Deshalb kommen Simulationen außerhalb von Forschungsaktivitäten nur selten zum Einsatz. Unsere Arbeiten an Schnittstellen und zur Standardisierung zielen daher darauf ab, in Zukunft eine möglichst verlustfreie Zusammenarbeit zwischen den Gewerken gewährleisten zu können und die Modelle ohne aufwändige Nachbearbeitung auch mit Simulationswerkzeugen koppeln zu können.
Treffen Sie Steffen Robbi am 11. Oktober bei der HOTEL OPTIMAL und am 14. November auf der 9. Green & Blue Building Conference.
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