Die digitale Baustelle
Die Bau- und Immobilienbranche hat einen unglaublichen Aufholbedarf wenn es um die Digitalisierung ihrer Prozesse geht. Missverständnisse, Effizienzverluste und Intransparenz sind die Folge. Solange die Baubranche boomt, kann man sich das vielleicht ja leisten. Aber die Ereignisse der letzten Monate haben gezeigt, wieviel digitale Kompetenz wert ist. Patrick Christ, Co-Founder und Geschäftsführer von Capmo hat es sich zur Aufgabe gestellt die die Digitalisierung der Baustelle auf ein neues Level zu heben. Im Interview teilt er seine Erfahrungen dabei, berichtet wo die großen Potentiale schlummern und er überlegt, welche Chance in der aktuellen Krise steckt.
Ghezzo: Wie kann die digitale Baustelle ausschauen? Was ist schon möglich und wie wird die Zukunft des Bauens aussehen?
Christ: In unserer Vision der digitalen Baustelle arbeiten Bauleiter nicht mehr mit Stift und Papier, sondern mit Tablet und Smartphone. Rückfragen werden nicht mehr in unendlichen E-Mail-Nachrichten, sondern in einem ganzheitlichen Betriebssystem für den Bau gestellt, sodass alle Informationen zentral an einem Ort verfügbar sind. Digitale Baupläne ersetzen schwere Ordner und automatische Funktionen langwierige Schreibaufgaben. Datenbasierte Analysen helfen den Überblick zu behalten. Zahlreiche Branchen wie die Finanzbranche oder auch die Automobilindustrie gehen mit gutem Beispiel voran und beweisen das Potenzial datenbasierten Arbeitens. Für uns besteht kein Zweifel, dass auch die Baubranche enorm von digitalen Prozessen profitiert, die sich weniger auf Bauchgefühl als auf Fakten und Daten stützen.
Mit Capmo entwickeln wir ein Programm, dass diese Prozesse ermöglicht. Wenn es nach uns ginge, könnten die Unternehmen der Branche direkt loslegen und digital durchstarten. Die Umstellung etablierter Prozesse auf neue Arbeitsweisen funktioniert jedoch natürlich nicht von heute auf morgen. Traditionelle Abläufe müssen überdacht und neue Strukturen entwickelt werden. Erste Entwicklungen zeigen bereits Schritte in die richtige Richtung: Während Bauleiter bis vor wenigen Jahren noch mit Klemmbrett und Stift über die Baustelle gelaufen sind, sind Tablets und Smartphones heute Standard. Die E-Mail hat das Fax abgelöst und auch das Notizbuch wird mehr und mehr von digitalen Notizprogrammen ersetzt. Nun ist es Aufgabe der Unternehmen, die eigenen Strukturen zu überdenken und zu digitalisieren. Capmo steht dabei gerne zur Seite.
Ghezzo: Was ist die Story hinter Capmo?
Christ: Capmo wurde 2018 Florian Biller, Sebastian Schlecht und Florian Ettlinger und mir gegründet. Wir sind Digital-Experten mit Hintergründen in der KI-Beratung, und leben für Softwarelösungen, die “echte” Probleme lösen. Es kam es daher nicht in Frage, einen x-beliebigen Online-Shop zu gründen: wir wollten mit unseren Fähigkeiten und Kenntnissen zentrale Probleme unserer Gesellschaft lösen. Aus persönlicher Erfahrung wissen wir, dass der Digitalisierungsrückstand der Baubranche ein solches darstellt: Die analoge Arbeit im Bau- und Immobiliengewerbe verursacht enorme Mehrkosten und verschwendet Ressourcen. Dieser Problematik haben wir unsere Aufmerksamkeit gewidmet und die Software Capmo entwickelt, das erste europäische Baustellen-Betriebssystem, das Bauleitern, Architekten und Geschäftsführern zu mehr Effizienz bei Bauprojekten verhilft.
Ghezzo: Es gibt schon einige Anbieter in Sachen digitaler Baudokumentation u.Ä.. Wie unterscheidet sich der Capmo Ansatz?
Christ: Während etablierte Anbieter für Bau-Software auf hochkomplexe Rundum-Lösungen für den Desktop und moderne Apps auf spezialisierte Insellösungen setzen, entwickeln wir mit Capmo ein cloud-basiertes Betriebssystem, das die Vorteile moderner Software mit breitem Funktionsumfang verbindet. Wir haben nicht den Anspruch, alle erdenklichen Funktionen abzubilden, sondern fokussieren uns auf die Anwendungen, die unsere Kunden wirklich im Arbeitsalltag benötigen. Wem nützt eine Software, die zwar alles könnte, aber von niemandem bedient werden kann? Wir glauben, dass die Branche eine intuitive Gesamtlösung braucht, die jeden Arbeitsschritt auf der Baustelle vereinfacht und den Menschen in der Bauindustrie den Spaß an ihrer Arbeit zurückbringt. Benutzerfreundlichkeit, eine einfache, intuitive Handhabung und die persönliche Betreuung unserer Kunden haben dabei für uns oberste Priorität. Denn Capmo ist mehr als eine Software: Capmo ist der digitale Partner auf der Baustelle und im Büro.
Ghezzo: Wie steht es denn um die Digitalisierung in der Bau- und Immobilienbranche? Wo gibt es noch Hürden?
Christ: Die Bau- und Immobilienbranche zählt zu den undigitalsten Branchen weltweit. Im Weg stehen dem traditionellen Baugewerbe vor allem lang etablierte Strukturen, der steigende Druck und die gute Auftragslage. Auf Rückfrage hören wir häufig von Erklärungen wie “wir haben keine Zeit für solche Späße” oder “wieso sollten wir etwas ändern, es läuft doch gut”. Für den Moment mag das durchaus stimmen. Doch die Digitalisierung in der Gesellschaft wird weiter voranschreiten und auch vor der Baubranche nicht halt machen. Der Druck auf Unternehmen wird immer größer. Nicht zuletzt Corona hat beweisen, dass der Bauboom ein Ende haben kann. Unternehmen sollten sich deshalb nicht auf dem Status-Quo ausruhen, sondern in die Zukunft blicken. Und die ist digital. Wir sind deshalb überzeugt: Wer digitalisiert, der expandiert.
Ghezzo: Was berichten Ihre Kunden, welchen Nutzen Sie aus der Digitalisierung gezogen haben?
Christ: So vielfältig wie die Anwendungsbereiche unserer Software ist auch der Nutzen, den unsere Kunden daraus ziehen. Laut der neuesten Kundenumfrage verhilft die digitale Arbeitsweise unseren Kunden zu einem besseren Unternehmensimage (81%), mehr Effizienz im Arbeitsalltag (70%), weniger Nacharbeit im Büro (67%). Darüber hinaus berichten unsere Kunden von enormen Zeit- und Papiereinsparungen: Ca. 60% unserer Kunden sparen bis zu 5 Stunden Zeit pro Woche und 20% Papier. Auch in der Zusammenarbeit mit Bauherren und Gewerken nehmen unsere Kunden Verbesserungen wahr: Der E-Mail-Verkehr hat sich um 20% reduziert und ca. 50% unserer Kunden konnten Missverständnisse am Bau dank der digitalen Zusammenarbeit reduzieren. Und nicht zuletzt sind es rechtliche Dispute, bei denen digital arbeitende Unternehmen auf der sicheren Seite sind: Die digitale Baudokumentation ist nachvollziehbar und bei Rechtsfragen ein wasserdichtes Beweismittel.
Ghezzo: Haben Sie Tipps für Unternehmen, die ihre Prozesse digitalisieren wollen?
Christ: Wie auch in anderen Bereichen gilt auch bei der Digitalisierung der Unternehmensprozesse: Aller Anfang ist schwer. Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, raten wir zu Mut und Neugier. Überlegen Sie sich, an welchen Stellen es in Ihrem Unternehmen hakt. Wo Prozesse nicht ganz rund laufen und wo Sie behindert werden. Sprechen Sie anschließend mit Ihrem Team und identifizieren Sie deren Bedürfnisse – schließlich sind die es, die letztendlich unmittelbar von der Digitalisierung der Prozesse betroffen sind. Sobald Sie wissen, welche Bereiche Sie optimieren möchten, gehen Sie auf die Suche nach einem passenden Tool, dass die gewünschten Leistungen erbringen kann. Suchen Sie dabei unbedingt das persönliche Gespräch mit dem Anbieter, um Fragen zu klären und gleich zu Beginn den Kundenservice zu prüfen. Viele Software-Unternehmen bieten kostenlose Test-Zugänge an, sodass Sie sich selbst ein Bild von dem Programm machen können. Capmo können Sie beispielsweise 14 Tage kostenlos testen. Weitere Tipps zur Digitalisierung Ihrer Baustelle finden Sie außerdem in unserem kostenlosen Ratgeber “Papierlose Baustelle” .
Ghezzo: Wie ist Capmo in der COVID-19 Zeit ergangen?
Christ: Auch wenn Baubranche vergleichsweise glimpflich durch die COVID-19 Zeit gekommen ist, ist die Krise natürlich auch an uns nicht spurlos vorübergegangen. Als digitales Unternehmen war der Umzug ins Home Office für uns kein Problem: Jeder unserer Mitarbeiter ist mit Laptops ausgestattet, alle Daten sind digital verfügbar und die Erreichbarkeit ist dank Chat-Programmen sichergestellt. Auf Kundenseite haben wir bei manchen Unternehmen eine Zurückhaltung gegenüber Neuinvestitionen aufgrund der unsicheren Zukunft gespürt. Die meisten Firmen jedoch haben in der Krise nochmal deutlich wahrgenommen, wie wichtig es heutzutage ist, die Baustelle dezentral steuern zu können, fürs Home Office gewappnet zu sein und die Partner im Büro erreichen zu können. Wir sehen in der Krise deshalb eine Chance für die Digitalisierung der Baubranche, die durch die Verlagerung des Alltags in die eigenen vier Wände das Potenzial digitaler Prozesse bewiesen hat.
Ghezzo: Wie wird sich Capmo weiterentwickeln?
Christ: Unser Ziel ist es, dass bald jede Baustelle in Europa effizient und datengetrieben arbeitet. Um dieses zu erreichen, werden wir Capmo In den nächsten Monaten und Jahren weiter zu einem umfassenden Baustellen-Betriebssystem ausbauen und den europäischen Markt für uns gewinnen. Bereits heute bauen mehrere hundert Kunden in Europa auf unsere digitale Lösung für die Baustelle und das Büro und setzen mit unserer Software weit über 5000 Projekte datenbasiert um. Bis 2023 möchten wir bei 100.000 Bauprojekte zu einem pünktlichen und erfolgreichen Abschluss beitragen. Hierfür geben wir mit unserem knapp 40-köpfigen Team aus aller Welt jeden Tag Vollgas.