Kreislaufwirtschaft soll Kosten sparen - dazu braucht es neue Geschäftsmodelle und einen Mindsetchange
Alexander Ghezzo: Auf der Lindner-Website ist eine Überschrift zu finden: „Circular Economy – Mehr Chance als Verpflichtung". Das ist für mich auch ganz klar der Spirit des EU-Green Deal. Aber was bedeutet das in der Praxis? Wie kann man diese Chance auch realisieren?
Harald Mezler-Andelberg: Wir sind überzeugt, dass Kreislaufwirtschaft einen 3-fachen Nutzen darstellt. Richtig durchgeführt erspart sich der Kunde Geld, der Lieferant sichert sich Rohstoffe und für die Umwelt wird weniger CO2 emittiert.
Alexander Ghezzo: Sehr viel findet gerade auf regulativer Ebene statt (Supply Chain, Verpackung, Taxonomie). Wie stehen Sie dazu? Ist das effektiv? Könnte der Markt das auch selbst?
Harald Mezler-Andelberg: Ich bin der Meinung, dass die EU Taxonomie einen sehr wesentlichen Schritt zur Umwandlung der Wirtschaft in eine nachhaltige Form leistet, den der Markt alleine nicht leisten kann. Die gesetzlichen Vorgaben von der EU Taxonomie über das Lieferketten Sorgfalt Gesetz bis hin zur nicht finanziellen Berichterstattung betrifft uns wie alle anderen Unternehmen. Als Lieferant haben wir darüber hinaus die Möglichkeit unsere Kunden bei der Erfüllung ihrer Taxonomie Konformität zu unterstützen.
Alexander Ghezzo: Oft steht die Bürokratie dann Nachhaltigkeitsinitiativen im Wege. Erleben Sie bei Lindner das auch?
Harald Mezler-Andelberg: Nein. Vielmehr sehen wir bei öffentlichen Stellen, aber noch mehr bei öffentlichen Auftraggebern ein hohes Interesse die nachhaltige Umsetzung zu unterstützen. So war z.B. das Finanzamt in Deutschland äußerst kooperativ, Rahmenbedingungen für das Mietmodell zu beurteilen und uns damit Rechtssicherheit zu geben.
Alexander Ghezzo: Wie wichtig ist Ihren Kunden z.B. das Cradle To Cradle Zertifikat?
Harald Mezler-Andelberg: Das Cradle To Cradle Zertifikat ist ein sehr gutes Werkzeug, das bei Gebäudezertifizierungen unterstützt, bzw. die Produktbeurteilung einfacher macht.
Alexander Ghezzo: Wie steht es dabei um die Preissensibilität?
Harald Mezler-Andelberg: Durch die Wettbewerbssituation im Immobilienbereich ist der Spielraum für Mehrkosten grundsätzlich gering. Wir sind aber der Meinung, dass effiziente Kreislaufwirtschaft einen Preisvorteil darstellen soll. Die Mehrkosten für nicht recyclingfähige Produkte werden schlussendlich bei den Entsorgungskosten anfallen.
Alexander Ghezzo: Wie ist Ihre Vision für die Kreislaufwirtschaft? Welche Barrieren gilt es noch zu überwinden?
Harald Mezler-Andelberg: Meine Vision ist, dass wir bis 2030 etwa 80 % unseres Umsatzes durch oder in Verbindung mit Miet- und Rückgabemodellen tätigen. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigen wir mehr Produkte, die nach der Nutzungsdauer zu uns zurückkommen. Daher haben wir die Geschäftsmodelle Kauf mit Rückgabe und Miete initiiert. Damit sich diese am Markt durchsetzen können, wäre eine Lebenszyklus Betrachtung von Bauwerken zielführend.
Alexander Ghezzo: Aktuell haben wir mit Bauflaute und Inflation wirtschaftlich eine angespannte Situation. Wie wirkt sich das auf das Thema Nachhaltigkeit aus? Wird jetzt eher auf Nachhaltigkeit verzichtet und das Billigstbieter Prinzip zur Maxim, oder ist genau jetzt die Chance nachhaltige Produkte zu positionieren?
Harald Mezler-Andelberg: Wie oben schon angeführt, sind wir der Meinung, dass richtige Kreislaufwirtschaft günstiger ist. Insofern kann die aktuelle wirtschaftliche Situation, z.B. den Einsatz gebrauchter und damit günstigerer Produkte fördern.
Alexander Ghezzo: Haben Sie Tipps an die Bau- und Immobilienunternehmen, die sich dem Thema Kreislaufwirtschaft nähern wollen?
Harald Mezler-Andelberg: Hier darf ich auf unsere Homepage betreffend Nachhaltiges Bauen verweisen.
Alexander Ghezzo: Wie schaut es denn mit dem Rohstofflager Stadt aus? Welche Perspektiven gibt es, den Immobilienbestand zu nutzen?
Harald Mezler-Andelberg: Im gebauten Bestand, v.a. im Innenausbau, treffen wir leider auf eine Vielzahl von Produkten, die für die Wiederverwendung oder Weiterverwendung noch nicht konzipiert wurden. Damit ist eine Nutzung dieser Rohstoffe aus heutiger Sicht noch schwierig. Umso wichtiger ist es, mit jedem renovierten oder neu gebauten Projekt nur noch kreislauffähige Produkte einzusetzen.