WISSEN ROCKT: Municipal Trends Kickoff 2023

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So schnell, wie sich wirtschaftlich, technisch und gesellschaftlich in unserer modernden Zeit alles verändert, so schnell können sich Städte und Gemeinden gar nicht anpassen. Auf Jahrzehnte hin sind viele Maßnahmen wirksam und doch müssen die Bürgermeister*innen und kommunalen Entscheidungsträger*innen adhoc auf aktuelle Herausforderungen reagieren. Da war gerade mal Corona, dann ist schon wieder Energiekrise und Inflation. Und als Damoklesschwert hängt der Klimawandel mit all seinen Konsequenzen für Landwirtschaft, Tourismus und Gesundheit über uns und der demografische Wandel verändert die Anforderungen der Bürger*innen.

Um mit bei der „Municipal Trends #3“ die richtigen Themen für Bürgermeister*innen und kommunale Entscheider*innen zu bringen, haben wir diese gefragt, was sie gerade besonders beschäftigt.

Rupert Winter: Bürgermeister Marktgemeinde AltenmarktJohann Stemeseder: Bürgermeister Gemeinde Berndorf bei SalzburgChristian Gratzl: Bürgermeister Stadtgemeinde Freistadt

Romina Jenei, CEO: Regioplan ConsultingMarkus Brandstetter: Vizebürgermeister Stadtgemeinde AmstettenGünther Mitterer: Bürgermeister Stadtgemeinde St. Johann im Pongau

Friedrich Steindl: Bürgermeister Gemeinde GschwandtJosef Anichhofer: Vizebürgermeister Gemeinde StockenboiRobert Krasser, Architekt: SIR Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen

Wie wird 2023?

Die Menschen erreichen Kommunikation

Mit dabei sind also Gemeinden von ganz unterschiedlicher Größe, mit ganz unterschiedlichen Grundvorrausetzung, die letztlich aber viel verbindet: z.B. die Herausforderung, mit Menschen aller Generationen in Kontakt zu kommen und zu bleiben. Bürgerbeteiligung war während der Pandemie besonders schwer. Markus Brandstetter, Vizebürgermeister der Stadtgemeinde Amstetten, bringt ein schönes Beispiel aus seiner Gemeinde: mit aufwendigen Veranstaltungen – vom gemeinsamen Sit-In im Kreisverkehr, bis zum Hubschrauberflug über Amstetten – hat man die Bürger*innen in den Umgestaltungsprozess mit eingebunden.

Die Bemühungen müssen aber weitergehen und vor allem gilt es, die Jugend miteinzubinden. „Gar nicht so einfach!“, berichtet Rupert Winter, Bürgermeister der Marktgemeinde Altenmarkt. Wenig Interesse am „Zukunft mitgestalten“ sieht er bei den Jugendlichen. Umso wichtiger ist´, dass sich die Kommunen entsprechend positionieren.

„Red ma drüber!“ ist auch das Motto der Informationsveranstaltung, die Freistadt seinen Bürger*innen bietet. Dessen Bürgermeister Christian Gratzl sieht das „auf die Menschen zu gehen“ als eine der wichtigsten Tugenden seines Amtes.

Digitale Tools und KI sollen Gemeinden helfen, effizienter und effektiver in der Kommunikation zu werden. Dies ist besonders notwendig, da auch den Gemeinden die Mitarbeiter*innen zum Teil fehlen.

Nachhaltigkeit und Energie Technologien

„Die Menschen sind bereit dafür und große Sprünge sind möglich“, meint Rupert Winter zum Thema Nachhaltigkeit. Seine „Ölfreie Gemeinde“ hat sämtliche Objekte auf erneuerbare Energie umgestellt. Der Skiort ist fast 100% von Biomasseenergie betrieben. Energiegemeinschaften versteht man mittlerweile, doch es braucht noch die Bereitschaft zur gemeinsamen Abrechnung und Abwicklung. Vor allem der Wintertourismus hat da Nachteile. Deswegen gibt es in Altenmarkt bereits eine Wasserstoff-betriebene Pistenraupe.

Seit 1998 beschäftigt sich St. Johann im Pongau mit dem Thema. Nun ist man laut Bürgermeister Günther Mitterer auf dem Weg zur Energieautarkie bis 2025. Viel Einsparungen hat man mit LED erzielt. PV und Trinkwasserkraftwerke tragen ihr übriges bei. Und Situationen, wie wir sie gerade erleben, bewirken, dass es sich auch finanziell schnell lohnt. Stockenboi, so Vizebürgermeister Josef Anichhofer, liefere mittlerweile mehr Energie als es verbraucht.

In Sachen Nachhaltigkeit spielt Mobilität eine herausragende Rolle. Mit Zweit- und Dritt- Wagen und langen Wegen ist man weit weg von Klima- und Naturschutz. Friedrich Steindl Bürgermeister der Gemeinde Gschwandt ortet hier leider wenig Akzeptanz und Bereitschaft z.B. auf Car-Sharing o.ä. umzusteigen. Bei PV am Dach tut sich die Bevölkerung leichter.

Wie kommt man dem Ziel der Nachhaltigkeit näher? Kooperation ist das Zauberwort, meint Markus Brandstetter und bringt als Beispiel überregionale Renaturierungsprojekte in Kooperation mit ÖBB und anderen Gemeinden.

Bodenversiegelung vs Flächenbedarf Raumplanung

Ein Thema, das Reibungsfläche zwischen Nachhaltigkeit und den Anforderungen an die Gemeinde von Familien und Unternehmen bietet, ist Verdichtung und Flächenversiegelung. Wie sehr Zersiedelung dem Stadt- und Gemeindebild schadet, stellt man immer wieder selbst fest, wenn man mit Zug oder Auto durch Österreich reist. Doch ist das Einfamilienhaus immer noch Traum vieler Familien und die Gewerbeparks an der Peripherie brauchen die Parkflächen. Passende Lösungen zu finden, die man später nicht bereut, ist die große Herausforderung.

Romina Jenei, CEO von Regioplan, konstatiert: „Ja, viele der bereits versiegelte Flächen kann man besser nutzen.“ Sanierung ist dabei eine Chance und die Bündelung von Funktionen für die Gemeinschaft – z.B. Gemeindezentren, Ärztezentren, etc. Oft scheitern solche Ideen aber an den Eigentümer*innen der Immobilien und Gründe. Günther Mitterer bekräftigt das aus seiner Erfahrung heraus. „Die Gemeinde muss sich Flächen sichern.“

Um Ortszentren attraktiver zu machen, meint Robert Krasser vom SIR, kann es hilfreich sein, Flächenversiegelungen auch wieder rückgängig zu machen. Parkplätze könnten begrünt werden, Luft und Kühlung in die Stadt gebracht werden. Leerstände und verwaiste Stadtzentren als Parkplatz zu nützen, schaden den Kommunen langfristig. Möglichst autofreie Ortskernbelebung steht also ganz oben auf der Agenda des SIR.

Natur erhalten und trotzdem Raum für die Gemeinde erschließen, das ist ein Spagat, den viele Gemeinden schaffen müssen und wollen. Wobei sich schon die Frage stellt, warum der Bedarf an Wohnraum so viel mehr wächst als die Bevölkerung, meint Rupert Winter.

„Man muss das alles im Kontext betrachten.“, sagt dazu Josef Anichhofer. Wo man heute auf keinen Fall eine Straße bauen würde, war das damals eine gute Sache. Wertigkeiten ändern sich in der Gesellschaft. Ein Seegrund hatte vor 50 Jahren kaum Wert und ist heute kaum leistbar.

Nicht zum ersten Mal hören wir von Bürgermeister*innen, dass sie sich ein Wiederaufleben von Hausverstand und Vernunft wünschen, so dass Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt prosperieren können.

Große Schritte brauchen auch große Investitionen – und nicht jede Gemeinde kann aus dem eigenen Budget die wichtigen Schritte gehen. Sehr viel Hilfe steckt da in den Förderungen seitens des Bundes, wenngleich die Förderlandschaft diesbezüglich zuerst genau durchblickt werden muss – ein gar nicht einfaches Unterfangen. Daher geben hier manche Gemeinden klein bei. Wenn der Aufwand so groß ist eine Förderung zu beantragen, dass es in keiner Relation zu deren Wert steht, dann bräuchte es eine Entbürokratisierung und mehr Transparenz, meint Friedrich Steindl.

Gemeinden lebenswert erhalten

Markus Brandstetter sagt: „Wenn die Lebensqualität nicht stimmt, haben wir unlösbare soziale Probleme.“ Für ihn ist das Grätzl die relevante Größe der Zukunft. Mit dem gestiegenen Anspruch an Wohnraum und Infrastruktur ist dies der Weg, die Komplexität in den Griff zu bekommen, sei es bei Quartiersentwicklung, Betriebsansiedlung oder gemeinschaftlichen Bereichen.

Behutsam wachen, sieht Christian Gratzl als Weg dazu, eine lebenswerte Gemeinde zu erhalten. Er erlebt in Freistadt, dass aktuell viele Menschen in den Ort zurückkehren – nach einer Ausbildung, Studium oder beruflichen ersten Schritten. Diese Menschen sanieren ihre Elternhäuser und haben Ansprüche in Sachen Kinder- und irgendwann auch Altenbetreuung.

Vergessen wir dabei nicht das Thema Trinkwasser: noch ist genug da, aber mit geringerer Schneeschmelze, Wasserspeichern usw. und Böden, die das Wasser nicht halten, könnte das bald anders sein. Deswegen widmen sich einige Gemeinden schon dem Konzept der Schwammstadt und setzen auf die Pflanzung von Bäumen.

Um dem gerecht zu werden, braucht es Ortsentwicklungskonzepte, die völlig neu gedacht werden müssen, meint Josef Anichhofer. Bürgerbeteiligungen, integrative Konzepte, Kooperation und Kollaboration sind gefordert und es braucht Austausch.

Zwischen Optimismus und Herausforderung

Bürgermeister*in sein, ist nicht der leichteste Job. Wie oft hört man darüber: wer tut sich das schon an? Ohne entsprechenden Rückhalt in der Familie, im Freundeskreis, in der Gemeinde geht es nicht, stellt Markus Brandstetter fest.

Die sozialen Medien haben den Druck auf die Bürgermeister*innen stark erhöht. Schnell kommunizieren, dabei immer wertschätzend sein und auf die Menschen eingehen und vor allem auch wissen, wann es NEIN zu sagen gilt, das sind die Anforderungen an die kommunalen Entscheidungsträger*innen. Rupert Winter hat sich ein Ritual angewöhnt, um die Belastung nicht überborden zu lassen. Wenn er beim Nachhause-Kommen seine Schuhe vor der Haustüre auszieht, so löst er sich damit ganz bewusst gleichzeitig von den Lasten des Tages.

Im Umgang mit den Menschen hilft Markus Brandstetter seine Mediatorenausbildung; Friedrich Steindl sieht es als Voraussetzung, Menschen richtig zu mögen und Christian Gratzl ergänzt: man muss sich auch selbst mögen. Denn die Menschen vertrauen viel mehr jemanden, der auch Selbstvertrauen hat.

Und so hat wohl jede/r Bürgermeister*in eigene Credos, Mantras, Glaubenssätze, und Rituale, um sich den Herausforderungen erfolgreich zu stellen.

Fazit

Starke und resiliente Persönlichkeiten als Bürgermeister*innen und Entscheidungsträger*innen für die Entwicklung des lebenswerten Lebensraums der Zukunft sind gefordert. Komplexität lässt sich am Besten gemeinsam anpacken, so kommen viele Gesichtspunkte zusammen und die beste Lösung kann gefunden werden. Funktionierende Praxisbeispiele, neue Technologien und Innovationen sowie der gemeinsame Austausch führen dorthin.

Möge unsere Konferenz „Municipal Trends“ dafür der Nährboden sein.

Unser Termin 2023:

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