Von der KIM-Verordnung bis zum Heizungsumbau in parifizierten Häusern – rechtliche Herausforderungen eines sich konsolidierenden Marktes

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Das Immobilientransaktionsgeschäft ist an einem Tiefpunkt, die Kreditvergabe durch die KIM (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen) Verordnung nochmal schwieriger und die Baupreise sind immer noch (spekulativ) hoch. Gleichzeitig soll der Bestand saniert und Nachhaltigkeit gefördert werden. Eine aufreibende Zeit für Projektentwickler*innen, Bauträger und Eigentümer. Wird deswegen mehr gestritten? In Vorbereitung des GHEZZO IMMOBILIENTAG 2023 haben wir bei Benedikt Stockert – Partner bei FSM Rechtsanwälte und Gastgeber des FSM Immo-Podcast | Podcast on Spotify nachgefragt.

Alexander Ghezzo: Das plötzliche Ansteigen der Zinsen hat den Markt ganz schön durcheinandergebracht. Welches Echo darauf nehmt ihr aus der Immobilienbranche wahr?

Benedikt Stockert: Wir nehmen wahr, dass Verkäufe von Projekten mittels Forward Deals nahezu zum Stillstand gekommen sind. Neue Projekte werden vielfach zurückgestellt. Projektierte Forwards gehen in den Einzelverkauf. Aber auch der Einzelverkauf ist aufgrund mikro- und makroökonomischer Ereignisse alles andere als einfach. Klar ist, dass es nun zu einer Konsolidierung des Markts kommt. Eine Phase, die manch ein:e Projektentwickler:in womöglich nicht überstehen wird.

Alexander Ghezzo: Was bedeutet das für die Anwaltszunft? Wird jetzt wieder mehr gestritten?

Benedikt Stockert: Gestritten wird immer. Ich selbst nehme nicht wahr, dass sich an der Quantität der Streitigkeiten etwas geändert hat. Was aber bereits merklich zunimmt, sind Einzelabverkäufe und echte BTVG-Projekte. Für Kanzleien, wie die unsere, ist das ein positives Signal, da wir genau hier unsere Stärken haben.

Alexander Ghezzo: Irgendwie funktioniert es gerade hinten und vorne nicht, wenn es um die Immobilienfinanzierung geht. Zu strenge Kreditvergabe-Richtlinien, Zinsen zu hoch. Wie schätzt Du die Situation ein und gibt es Auswege?

Benedikt Stockert: Die KIM-Verordnung spielt eine gewaltige Rolle. Diese wurde zu einer Zeit beschlossen, als wir noch in einer völlig anderen Marktphase waren. In Kraft trat sie bei bereits explodierender Inflation. Auch wenn es kürzlich zu minimalen Lockerungen, etwa bei Zwischenfinanzierungen, kam, reichen diese bestimmt noch nicht aus, um der Branche Aufschwung zu verleihen. Es ist aber relativ klar absehbar, dass es weitere Lockerungen geben wird. Wir sind hier eindeutig der Meinung, dass es auch deutliche Lockerungen braucht, um den Menschen wieder die Möglichkeit zu geben, Eigentum zu erwerben.

Alexander Ghezzo: Deutet sich schon eine Konsolidierung in der Bau- und Immobilienwelt an?

Benedikt Stockert: Eindeutig ja. Wie bereits angedeutet, wird es sicherlich zu einer Marktbereinigung kommen.

Alexander Ghezzo: Wird die Immobilienwelt jetzt wieder mehr für die interessant und profitabel, die sich auch wirklich damit auskennen? Die letzten 10 Jahre waren ja in Sachen Immobilien so profitabel, dass auch viele Glücksritter (Raub-?) mit eingestiegen sind.

Benedikt Stockert: Dem stimme ich absolut zu. Bis vor einem Jahr war es tatsächlich sehr schwierig, etwas falsch zu machen. Das hat sich nun fundamental geändert. Nicht nur Fremdkapital ist teurer geworden, es haben sich auch sehr viele große Player zurückgezogen, womit die Projektierung größerer Bauvorhaben deutlich schwieriger wird. Auch das Thema Baukosten ist absolut virulent. Hier wird es spannend sein, wie es in den kommenden Monaten weitergeht. Die zuletzt aufgerufenen Preise, gerade im Bereich der Generalunternehmer:innen, sind nicht mit der Inflation zu rechtfertigen. Ich rechne hier daher, angesichts massiv sinkender Nachfrage trotz Material- und Lohnkostensteigerungen, doch mit einem starken Preisverfall.

Alexander Ghezzo: Wie wichtig ist aktuell bei euren Transaktionen und Projekten das Thema Nachhaltigkeit? Hat die Taxonomie schon konkrete Auswirkungen?

Benedikt Stockert: Bei großen Deals spielt das eine enorme Rolle. Institutionelle Investoren kommen um das Thema Nachhaltigkeit schon aufgrund interner Regularien gar nicht mehr herum. Anders sieht es beim kleinteiligen Verkauf aus. Hier besteht immer noch großes Potential. Der/die klassische Wohnungskäufer:in interessiert sich in erster Linie für einen niedrigen Kaufpreis. Erst sehr weit nachgelagert geht es faktisch um Bewirtschaftungskosten und damit einhergehend um Nachhaltigkeit.

Alexander Ghezzo: Gibt es rechtliche Fallstricke bzw. Themen die Euch im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit beschäftigen?

Benedikt Stockert: Gerade das Thema Heizungsumrüstung beschäftigt momentan viele. Aufgrund der aktuellen Rechtslage ist es praktisch unmöglich, bei parifizierten Häusern oder vermieteten Objekten zu Lösungen zu kommen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Alexander Ghezzo: Merkt ihr schon den angekündigten Sanierungsboom, wo doch der Neubau zurückgeht?

Benedikt Stockert: Offen gestanden, nein. Derzeit scheint die gesamte Branche etwas im Dornröschenschlaf. Das betrifft den Neubau genauso wie die Sanierungen.

Alexander Ghezzo: Welchen Effekt haben Teuerung und Zinsen auf die Nachhaltigkeit? Wird Nachhaltigkeit zu teuer?

Benedikt Stockert: Das ist sicherlich ein Problem. Gerade wenn es um den Umstieg von fossilen auf nachhaltige Energieträger geht, haben wir es nicht nur mit rechtlichen Problemen zu tun, sondern vor allem mit Finanzierungsthemen. Hier wird es ohne ein umfangreiches Förderungskonzept gar nicht möglich sein, die ambitionierten Ziele auch nur annähernd zu erreichen.

Alexander Ghezzo: Wie siehst Du das Thema Leistbarkeit? Haben wir hier in Österreich schon ein richtiges Problem, oder ist es bei uns noch nicht akut?

Benedikt Stockert: Wir haben hier aktuell ein riesengroßes Problem. Das liegt aber weniger an der Kaufpreishöhe, als an der Finanzierung. Die viel zitierte KIM-Verordnung ist ein echtes Problem. Aber auch ohne diese wäre eine Finanzierung momentan für viele Menschen undenkbar. Man muss sich nur einmal ausrechnen, was eine Zinserhöhung um 100 Basispunkte bei einem individuellen Kredit ausmacht. Da ist es im Grunde fast egal, ob der Kaufpreis für das gewünschte Objekt um 30.000 Euro höher oder niedriger ist.

Alexander Ghezzo: Wann denkst Du, wird sich der Markt von dem aktuellen Schlag erholen?

Benedikt Stockert: Auch wenn ich keine Glaskugel habe, wage ich einen Antwortversuch. Jede Marktphase, gut oder schlecht, ist irgendwann vorbei. Nach den vielen Boomjahren ist es derzeit eben nicht so einfach. Aber auch diese schlechte Phase wird einmal ein Ende haben. Ich persönlich gehe von deutlichen Lockerungen der KIM-Verordnung in diesem Jahr aus. Der Finanzmarkt geht von einer Konsolidierung der Zinsen in diesem Jahr und Zinssenkungen ab 2024 aus – Finanzierungen sind dann wieder vorhersehbarer. Zu diesem Zeitpunkt sollte sich die Lage dann auch etwas entspannen.

Benedikt Stockert können Sie persönlich am 11. Mai auf dem Ghezzo-Immobilientag treffen.

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