Das war die Municipal Trends #2

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Unter dem Motto „LEBENSwerten LEBENSraum gestalten!“ haben sich am 18. Mai 2022 um die 70 Expertinnen und Experten, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bzw. politische und gesellschaftliche Verantwortungsträger getroffen. Im Zentrum dabei stand die Frage: „Wie schaffen wir es, die aktuellen Herausforderungen in der Kommunal- und Regionalentwicklung zu meistern und smarte Lösungen rasch umzusetzen?“ OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Attraktive Ortskerne als Lebensraum

 

Im perfekten Rahmen der Sternwarte VEGA in Nussdorf am Haunsberg haben wir uns zunächst die Frage der Ortsplanung vorgenommen: „Strukturen schaffen Verhalten – und wenn wir attraktive Ortskerne schaffen wollen, müssen wir eine entsprechend attraktive Infrastruktur bauen“, pointert Robert Krasser eine ganz einfache Regel. Und auch wenn die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaftstreibenden und die Politikerinnen und Politiker nicht immer einer Meinung sind, was nun attraktiv ist und was nicht, so muss man dies in einem permanenten Dialog ausloten. „Und wenn du in Deiner Gemeinde so etwas Polarisierendes umsetzt, wie keine neuen Einfamilienhäuser mehr zu genehmigen, dann brauchst Du schon ein gutes Standing. Das machst Du nicht als ganz junger Bürgermeister!“ So berichtet Franz Rasp, Bürgermeister von Berchtesgaden, seine Erfahrungen mit einer eher unpopulären Maßnahme. „So manche Idee muss man auch einfach konsequent verfolgen, und einen langen Atem haben.“ Dies bestätigen auch Adi Rieger, Bürgermeister von Neumarkt am Wallersee und Christian Pewny, Bürgermeister von Radstadt.

Der Wandel der zweispurigen Straße mit Parkplätzen links und rechts hin zur Begegnungszone und weiter zur Fußgängerzone vollzieht sich – wenn auch sehr langsam – auch in kleineren Orten, wie wir am Beispiel Tamsweg sehen konnten. Dennoch gibt es unterschiedliche Erfahrungen: „Ich habe mein Büro seit eh und je an der Maria Hilfer Straße, und seit Einführung der Begegnungszone ist die Toleranz und das Miteinander leider immer schlechter geworden“, berichtet Erich Benischek, Geschäftsführer der Blauen Lagune von seinen Erlebnissen. Für jedes spezifische Problem gibt es auch eine gute spezifische Lösung, und zu dieser muss man sich unter Einbezug Aller hinarbeiten.

Gelungene Kommunikation ist das Um und Auf

 

Dass gerade auf der Suche nach der optimalen Lösung Konflikte vorprogrammiert sind, ist auch klar. „Wenn ich genau weiß, welches Ziel ich mit meiner Kommunikation verfolge, wenn ich transparent, authentisch und ehrlich bin, dann wird es auch gelingen, unbequeme Aspekte zu kommunizieren.“ Barbara Rauchwarter, CMO von APA COMM, fasst ihre langjährigen Erfahrungen zusammen: „Es sind immer noch die gleichen Regeln der Kommunikation, es sind immer noch die gleichen Menschen, denen es so erstaunlich schwerfällt, diese einzuhalten.“

Und das oberste Gebot für Kommunikation gerade in Krisenzeiten? Das beantwortet Günther Mitterer, Bürgermeister in St. Johann im Pongau, so: „Als Bürgermeister*in muss man immer erreichbar und auskunftsfähig sein – auch wenn man gerade nichts anderes sagen kann als ‚ich weiß es erst in 2 Stunden genauer‘.“ Und dieses Credo hält ihn immerhin schon über eine Dekade in seinem Amt.

Wie wichtig sachliche Kommunikation und transparenter Austausch sind, davon können auch die beiden Rechtsanwälte, die wir auf unsere Bühne gebeten haben, ein Lied singen. Martin Schiefer, Rechtsanwalt und Experte im Bereich Vergabe und Beschaffung, propagiert einen gar ebenso mutigen wie edlen Weg: „Gerade in Zeiten von steigenden Kosten geraten Vertragspartner unter Druck. Große Immobilienprojekte wickelt man daher am besten nach dem Open Book Verfahren ab: Maximalkosten mit Option auf Senkung, wenn sich Einsparungen auftun. Und genau die sind im Open Book transparent zu führen.“ Dabei ist das keine ideologische Theorie, sondern gut funktionierende Praxis.

Florierende Wirtschaft am besten regional

Auch hier sind es die Allianzen, die schlussendlich zu besseren Lösungen führen. 4  Aufgabenstellungen haben wir konkret beleuchtet: Regionalen Handel und Direktvermarktung fördern: „Unsere Gemeinde haben wir schnell in GENussdorf am Haunsberg umbenannt“, erzählt Waltraud Brandstetter, Bürgermeisterin in unserer Gastgebergemeinde. „Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass regionale Direktvermarktung nicht nur zum Wohl unserer Landwirte funktioniert, sondern besonders für unsere Konsumentinnen und Konsumenten.“ Durch das durchdachte Programm, das auch einen 24/7 Hofladen inkludiert, erfahren die Menschen einen deutlich bewussteren und respektvolleren Umgang mit den Lebensmitteln aus der Region. Gemeindeübergreifende Betriebsansiedelungen: Dadurch, dass sich mehrere Gemeinden zu einer INKOBA (interkommunale Betriebsansiedelung) zusammenschließen, werden die Ressourcen gebündelt und die Gewinne gerecht verteilt. „Oberösterreich ist österreichweit Vorreiter darin, schon 2/3 aller Gemeinden sind in solchen Kooperationsmodellen aktiv“, ist Georg Tusek, Rechtsanwalt, auf sein Heimat-Bundesland stolz. Die Modellregion Enns-Steyr ist gar mit 8 Gemeinden einen noch weiteren Schritt gegangen: „Die 8 Gemeinden entlang der Achse Asten-Steyr haben sich zu einer Power-Region zusammengeschlossen, die auf kooperative Raum-, Standort- und Regionalentwicklung setzen.“ Dadurch können auch jede Gemeinden, die keine oder wenig Betriebsflächen beisteuern können, partizipieren. Daniela Zeiner, Geschäftsführerin dieser Power-Region, hat dieses Praxisbeispiel mitgebracht. Wirtschaftliche Chancen schaffen: Manfred Korzil, Stadtbaudirektor von Wiener Neustadt, bringt seine Erfahrungsberichte ein: „Eingekesselt von 2 großen Einkaufszentren mit überregionaler Bedeutung hat es unsere Innenstadt schwer – der Leerstand mit nahezu 30% schmerzt nicht nur, sondern ist deutlich höher als in anderen Städten.“ Der Masterplan dagegen? Wiener Neustadt setzt auf Attraktivität und Magnetismus gezielter Initiativen: Beispielsweise durch konsequente und nachhaltige Förderung der Kultur, der Wissenschaftlichen Forschung, den Ausbau an Bildung entsteht ein Sog an Investitionen durch Private und Wirtschaftstreibende. Kleinere Betriebe finden so eine kaufkräftige Gesellschaft vor und es wird wieder attraktiv, in der Innenstadt einen Betrieb zu eröffnen. Wirtschaftliche Chancen sehen auch Julia Weratschnig und Alfons Weissenbacher – unsere astronomischen Gastgeber der Sternwarte VEGA: „Stellen wir uns mal vor, wir reduzieren unsere Lichtimmissionen dramatisch und lassen die natürlichen Lichtquellen in der Nacht ihre volle Schönheit entfalten. Stellen wir uns vor, eine so berühmte Stadt wie Salzburg entwickelt sich zur Sternenregion, die den Nachthimmel schützt!“ Eine mehr als kraftvolle Vision… Leistbares Wohnen: „In Tirol haben wir mehr als nur ein Projekt realisiert, wo die Miete unter 5 € pro m² liegt – und zwar brutto warm. Und das ist auch mit qualitätsvollen Materialien und cleveren Designs nachhaltig möglich“, ist Gerda Embacher, Neue Heimat Tirol, stolz auf die Errungenschaften des sozialen Wohnbauträgers. „Kluge Designs und smarte Vorfertigung sind definitiv Erfolgsrezepte für die Reduktion von Bau- und Erhaltungskosten – zudem erlaubt es flexible Grundrisse, was die Nachnutzung erheblich erleichtert“, findet auch Erich Benischek, der ebenso die ökologische, soziale wie auch ökonomische Nachhaltigkeit im Fokus hat.

Keine Lebensqualität ohne Mobilität

 

Mobilität ist längst keine Aufgabe mehr, die jede Familie für sich selbst lösen muss. Mobilität ist und wird immer stärker zur Aufgabe der Gemeinden und Regionen, und zwar auch für Randzeiten und Randgebiete. „Valide und zuverlässige Verkehrsdaten sind die Grundlage für eine vernünftige Planung von Mobilität und Infrastruktur.“ Paul Krotschek, TDS Traffic Data Systems und Hannes Gütler, Kelmin, zeigen, wie kluge Investitionsentscheidungen auf Basis dieser Daten getroffen werden können. LoRa Netzwerke können diese Daten sehr einfach übertragen – ein wesentlicher Schritt in Richtung Smart City. Aber die Schwierigkeit, die Menschen dann auch für den ÖPNV zu begeistern, bleibt: „Die Bequemlichkeit ist am Land immer noch der natürliche Feind der grünen Mobilität“, pointert Stefan Szirucsek, Bürgermeister in Baden, seine Ansicht. „Auch wenn unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger höhere Frequenzen und längere Betriebszeiten des ÖPNV fordern – wir wissen, dass etwa Zwei Drittel nicht auf ein Auto verzichten wollen“, sind sich die Bürgermeister*innen der Podiumsrunde einig. Kerstin Suchan-Mayer, Bürgermeisterin von St. Valentin und Josef Anichhofer, Vizebürgermeister von Stockenboi, gehen mit gutem Beispiel voran: „Wir sind öffentlich angereist und legen auch in unserer Heimatgemeinde die Wege ohne Auto zurück!“

Hand in Hand zur Energiewende

 

Auch in Puncto Turn-Around für eine verantwortungsvolle Ressourcennutzung kommt den Gemeinden eine essenzielle Aufgabe zu. „Zell am See hat mit einem eigenen Energiegemeinschaftsprojekt Maßstäbe gesetzt“, berichtet Oliver Stärz, Ferry Porsche Congress Center. „Es war eine Synergie, die auf der Hand liegt: Die Freizeitbetriebe der Gemeinde können den Flächenbedarf für eine eigene PV Anlage nicht aufbringen, und das Congress Center hat genau diese Flächen übrig!“ Diese Tatsache begeistert auch Christian Pillwein, Beckhoff Automation, der dieses Projekt begleitet hat. „Solchen Leuchtturmprojekten geht immer eine sehr praxisnahe Forschung voraus,“ erläutert Carolin Monsberger, AIT. Expert*innen können Antworten auf entscheidende Fragen liefern: „Ist meine Gemeinde überhaupt geeignet?“ „Wie bewältige ich Hürden und erhalte praktische Hilfe?“ Lernen kann man hier auch von Modell-Rechnungen und ausgefeilten Simulationen: Mit dem schrittweisen Entwickeln der Power Pack Immobilie hat die Facility Management Austria mit Robert Punzenberger einen Wissensschatz geschaffen, der auch einen Leitfaden für Energiegemeinschaften bereithält.

Und wie viel regulatives Eingreifen braucht es seitens der Gesetzgebung? „Wir setzen mit unseren Programmen rund um Klimaaktiv und Energieeffiziente Gemeinde zunächst stark auf Anreize. Strenges Reglementieren ist hier nicht unser Ansatz.“ Diese Überzeugung von Bettina Bergauer, Bundesministerium für Umwelt und Klimaschutz, teilen auch die Bürgermeister*innen, die hier mitdiskutieren. Dietmar Ruggenthaler, langgedienter Bürgermeister von Virgen, hat einen deutlichen Appell: „Ich kann allen nur empfehlen, sich den Ideen zur Energieeffizienten Gemeinde ernsthaft zu öffnen und mitzumachen.“ Auch Christian Gratzl, Bürgermeister von Freistadt, geht einen mutigen Schritt: „Wir sind auf dem Weg zur energieautarken Stadt, und zu strenge Regelungen sind der Feind der kreativen Lösungen!“

Und dessen sind wir uns bewusst: kreative Lösungen, die wir nur gemeinsam finden können, werden wir brauchen, wenn wir die Energiewende schaffen wollen. Wenn wir einen lebenswerten Planeten behalten wollen, die natürliche Vielfalt und unsere Ressourcen schützen wollen und in unserer Gesellschaft auf für künftige Generationen ein globales Miteinander schaffen wollen, müssen wir JETZT – MUTIG – ZUSAMMEN im Einklang mit unseren WERTEN handeln. Als Initiator solcher kraftvollen und inspirierenden Veranstaltungen setzen wir mehr als nur den ersten Schritt.

  

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