Wie hat sich Revenue Management während der „Corona-Pandemie“ verändert?
Lassen wir unsere Hotel-Konferenzen 2021 Revue passieren: das Thema Roomrate ist sensibel wie lange nicht mehr – und entsprechend komplex. Was zählen jetzt die gesammelten Erfahrungen und Daten der letzten Jahre? Extrem kurzfristig wird gebucht und storniert. Veranstaltungen gibt es kaum und wenn, sind sie nicht international besetzt. Es braucht also Nerven, um an einer Preisstrategie und an einer gesetzten Roomrate festzuhalten und nicht der Versuchung zu erliegen, sich Auslastung auf Kosten des Preises zu sichern. Und es braucht Expert*innen, die sich an Hand verschiedenster Datenquellen, Benchmarkts und strategischer Überlegungen ein umfassendes Bild machen. HotelPartner Yield Management beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Thema und konnte auch während der Krise für seine Kunden gute Raten erzielen. Im Interview mit Rainer M. Willa, CEO, Florian Augustin, CCO & Managing Director Austria, und Alexander Fussi, Director of Business Development, haben wir über die Herausforderungen, Learnings und Perspektiven von Revenue Management und Digitalisierung gesprochen.
Ghezzo: Vor Corona wurde der beste Preis zumeist anhand von Vergangenheitsdaten generiert. Wie hat sich dies verändert – welche Datenquellen dienen heute zur Orientierung?
Augustin: Vergangenheitsdaten wurden bei HotelPartner schon immer nur als Referenzquelle herangezogen, die Preisgestaltung wurde darauf nicht aufgebaut. Diese Quelle gab Orientierung, um zum Beispiel zu erkennen, wie sich der Markt entwickeln könnte. Für uns war schon immer das vorausschauende und marktorientierte Handeln relevanter. Natürlich haben wir Veranstaltungen etc. immer im Blick, aber wichtiger ist es, wie sich der Markt verhält, um dadurch unerwartete Marktspitzen frühzeitig zu erkennen und effektiver zu nutzen.
Momentan ist wichtig, dass zusätzliche Datenquellen genutzt werden, wie Search Demand Pressure (SDP) oder Rate Shopping. Bei der Nutzung von Rate-Shopping-Daten, also dem Erkennen von aktuellen Marktdaten in hochdynamischen Märkten, sind mehrere Analysen am Tag unerlässlich. Daher Achtung: Viele Technologien erlauben dies nur einmal oder alle 12 Stunden am Tag.
Speziell für dynamische Märkte wie London, München oder Wien ist das nicht ausreichend. Hier muss man definitiv mehrmals am Tag bzw. stündlich scannen, ggf. mehrere Tage und verschiedene Zimmer-Kategorien zusammenführen, um die Marktinformationen abzufassen.
Benchmarking ist momentan die effizienteste Methode, um festzustellen, wie man performt. Mittlerweile gibt es die Möglichkeit, dass auch für den Forecast Benchmarking betrieben wird. Hierbei wird geschaut, wie ein Hotel im Vergleich zu Mitbewerbern steht – wie sehen z. B. die „On-the-Books-Daten“ für die nächsten Monate aus –, denn nur so kann erkannt werden, ob die aktuelle Preispolitik den Markt trifft oder daran vorbeischrammt.
Willa: Kurz und knapp: Revenue Management auf Basis von Vergangenheitsdaten war früher schon falsch und ist heute noch falscher.
Augustin: Genau, für uns sind zukunftsorientierte Marktdaten, die wir aufgrund von Rate Shopping, Search-Volumen oder Benchmarking erhalten, wesentlich effektiver, um Strategien zu entwickeln, zu überprüfen und zu verbessern.
ADR 2021/2022 vs. 2019/2020 – OTA vs. WBE – PACE ENTWICKLUNG: DACH REGION
Im Vergleich mit 2019 = 100% Basis
Es kann erfreulich festgestellt werden, dass die Buchungen auf den Hotelwebseiten seit der Coronakrise deutlich zugenommen haben im Verhältnis zu den OTA Buchungen. Unsere Partnerhotels haben den klaren Vorteil erkannt, weiterhin in ihre Marketingmaßnahmen zu investieren und sich somit ihren Marktanteil und eine Steigerung der Direktbuchungen zu sichern.
Des weiteren ist ersichtlich, dass seit Juli 2021 höhere oder ähnliche Raten als 2019 gelöst werden konnten. Dies weist darauf hin, dass der Gast bereit ist, für Qualität zu zahlen.
Ghezzo: Wie haben Ihre Kunden die Corona-Krise erlebt und überstanden?
Willa: In der Tat war es für jeden Hotelier eine Herausforderung. Ausnahmen haben dabei lediglich die Ferien-Destinationen erlebt – die lokalen Märkte haben profitiert. Die Nachfrage war hoch, und durch gezieltes Revenue Management konnten gute Raten verkauft werden. In den Business-Destinationen sind die Umstände nach wie vor schwierig – die Situation entspannt sich nur langsam.
Augustin: Wir können sicher sagen, dass unsere Kunden einen großen Wettbewerbsvorteil in ihren Märkten hatten. Sobald sich Demand gezeigt hat, konnten wir sicherstellen, dass unsere Kunden den Zuschlag erhielten. In vielen Leisure-Regionen wurden weit höhere Resultate als im Sommer 2019 erzielt. Das zeigt den klaren Wettbewerbsvorteil, den man als HotelPartner-Kunde erhält.
Willa: In diesem Zusammenhang ist wichtig zu erwähnen: Bei uns sind zu jeder Zeit jegliche Strategien hinterlegt – sowohl die „Schönwetterstrategien“ als auch die „Krisenstrategien“. Unsere Partnerhotels haben somit vom ersten Tag an bereits die Strategien des Krisen-Modus genutzt, ohne wertvolle Zeit zu verlieren.
Ghezzo: Was kann die Hotellerie aus der Krise lernen?
Fussi: Gerade in Krisensituationen ist es immer sinnvoll, mehrere Strategien zu haben, und man sollte sich schon im Vorfeld darüber Gedanken machen, welchen Ansatz man in Notfällen verfolgt.
Augstin: Das stimmt, und man darf sich nie auf einem guten, natürlichen Wachstum ausruhen, dies kann fatale Folgen haben. Zu jeder Zeit muss an den Alleinstellungsmerkmalen (USPs) gearbeitet werden, denn nur so kann sich ein Hotel vom Markt abheben. Ebenfalls ist ein regelmäßiges Investment in das Produkt unerlässlich, um kompetitiv zu bleiben. Sehr gut ist dies aktuell in der Stadthotellerie zu beobachten: Produkte, die schon vor der Krise in einem guten Zustand waren, bei denen USPs klar definiert waren, haben auch in der Krise Erfolge zu verzeichnen. Natürlich nicht auf dem Level wie 2019, aber man konnte in manchen Perioden zumindest kostendeckend agieren. Für mich persönlich zählt auch das Personalmanagement zu den Erfolgsfaktoren: Wie ist meine Gehaltsstruktur und wie kann ich Know-how behalten? Der aktuelle Abgang von qualifizierten Mitarbeitern in andere Industrien wird unsere Branche noch lange begleiten.
Willa: Wichtig ist, auf der einen Seite Reserven zu bilden, um ein gewisses finanzielles Polster für Krisensituationen zu haben, und auf der anderen Seite zu investieren, um ein marktfähiges Produkt zu erhalten. Nur so bleiben Servicequalität und die damit verbundenen Bewertungen auf einem positiven Level, denn während einer Krise werden die Karten immer neu gemischt.
Ghezzo: Wann kann die Stadthotellerie wieder mit Auslastungen wie vor der Krise rechnen?
Augustin: Nicht vor 2023.
Willa: Wir müssen hier etwas differenzieren: Produkte mit guten Bewertungen in einer guten Destination werden als Erste wieder vorne mit dabei sein, und dies voraussichtlich schon im Jahr 2022. Hotels, welche schon vor der Krise gekränkelt haben, werden es entsprechend schwerer haben, auch wenn sie versuchen, mit niedrigen Preisen ihre Häuser zu füllen. Hier kommt auch die Preisspirale und das gegenseitige Preisdumping zum Tragen – das war für den Markt schon immer schlecht. Wenn die Qualität stimmt, dann ist der Gast auch bereit, dafür zu zahlen.
Fussi: Wichtig ist auch der generelle Leisure-Aspekt einer Stadt, wie zum Beispiel für München oder Wien. Städte wie Frankfurt, die nur auf Messen, Tagungen und Kongresse ausgerichtet sind, werden es noch lange schwer haben.
Augustin: In jeder Stadt gibt es Zeiträume, wo doppelt so viele Zimmer belegt werden könnten. Diese Demand-Phasen wird es aber nächstes Jahr wahrscheinlich noch nicht geben, und ebenso das Thema „Messe-Raten“. Veranstaltungen werden noch sehr verhalten geplant, und vielleicht werden manche erst in der zweiten Jahreshälfte oder übernächstes Jahr stattfinden. Events wie das Oktoberfest, der Radiologenkongress in Wien oder die Bauma in München werden in der Größenordnung, wie wir es gewohnt waren, wahrscheinlich erst in 2 Jahren zurückkehren.
Buchungszeitraum 24.08.21 – 18.10.21
In der oben stehenden Grafik ist klar zu erkennen, dass die Vorausbuchungslage deutlich besser ist als vor einem Jahr. Dies gibt den Hoteliers eine gewisse Planungssicherheit über die nächsten Monate. Auch in den kommenden Monaten sind die Feriendestinationen die Treiber der Nachfrage. Es werden bereits die Winterferien geplant, was sich deutlich in den Buchungen vom März 2022 niederschlägt. Aber auch die Stadtdestinationen haben bereits einen besseren Buchungsstand als vor einem Jahr.
Ghezzo: Welche Fehler sollte man beim Pricing vermeiden?
Augustin: Versuchen, über den Preis sein Hotel zu füllen.
Willa: Und sich auf Preisdumping einzulassen – das ist später nicht mehr zu korrigieren!
Augustin: Man muss sein Produkt aber auch richtig einschätzen. Oftmals ist die Wahrnehmung eines Hoteliers zu seinem Hotel einfach falsch – nicht jedes Zimmer kann zu 300 € verkauft werden. Marktorientierung, Wissen zu den Segmenten ist wichtig, und was der Gast bereit ist zu zahlen! Nur mit hohen Raten an den Markt zu gehen und somit eine schlechtere Auslastung zu haben, kann nicht die richtige Entscheidung sein. Erkennbare Fehler sind auch, wenn Hoteliers versuchen, in kompetitiven Märkten manuell mitzuhalten. Mittlerweile arbeiten alle Hotelketten und professionell geführte Individualhotels mit Partnern wie uns zusammen und agieren höchst dynamisch.
Performance Q2/Q3 2021 & 2020 vs 2019
Im Vergleich lag die Anzahl der Buchungen bei etwa 50%. Doch im Zuge der Lockerungen nahm die Menge an Buchungen zu Beginn des dritten Quartals deutlich zu. Auch wenn die Anzahl der Buchungen von 2019 nicht erreicht werden konnten. Es stieg jedoch die Bereitschaft, hohe Preise für eine Hotelübernachtung zu zahlen.
Besonders im August 2021 lag die ADR sowie der Logisumsatz 10% über dem August 2019. Der Anstieg der Raten ist vor allem auf die Feriendestinationen zurückzuführen. Durch die Öffnung weiterer Feriendestinationen bot sich vielen Urlaubssuchenden die Möglichkeit, das eigene Land zu verlassen.
Billigangebote aus dem Mittelmeerraum haben den ursprünglich noch stärkeren Vorsprung etwas abgeschwächt, aber die Ergebnisse lagen dennoch final deutlich über den bereits guten Vorjahresergebnissen von 2020. Die Bereitschaft zu reisen ist deutlich gestiegen und der Tourismus erholt sich langsam aber sicher.
Ghezzo: Gab es auch in der Hotellerie den Corona-Digitalisierungs-Boost?
Augustin: In Österreich gibt es bereits seit über 10 Jahren verschiedene Förderungen für Digitalisierungsprozesse in der Hotellerie und diese wurden in der Corona-Krise weitergeführt. Dies ist gegensätzlich zu Deutschland, wo es einen separaten Digitalisierungsbonus gab, um die Digitalisierungsmaßnahmen in der Hotellerie voranzutreiben.
Fussi: Wir haben beobachtet, dass zu Beginn der Krise eine erhöhte Nachfrage an Revenue-Management-Dienstleistungen bestand. Hoteliers haben die Zeit genutzt, um sich nach passenden Lösungen umzuschauen. Die Krise hat ihnen aufgezeigt, wie wichtig ein professionelles Revenue Management ist, wenn plötzlich der Markt keine natürliche Steigerung mehr hat und der Wettbewerbsdruck wächst.
Augustin: Vor 2019 war die Hotellerie noch die drittschlechteste Branche in puncto Digitalisierung. Nur das Bauwesen und die Landwirtschaft waren schlechter – Corona war hier ein massiver Wake-up-Call. Plötzlich gab es ein hohes Interesse an Digitalisierungs-Produkten und Möglichkeiten, die Effizienz zu steigern. Diese Nachfrage war auch für uns von extremer Bedeutung, da wir der absoluten Überzeugung sind, dass dies der Weg ist, um die Branche profitabler oder vor allem wieder profitabel zu machen. Wir bieten dem Markt eine Synergie aus Outsourcing, dem Einsetzen von Technologien und der Nutzung von Partner-Know-how.
Ghezzo. Sie kennen viele internationale Standorte. Was kann sich die österreichische Hotellerie abschauen?
Fussi: Grundsätzlich kann man sagen, dass eine mentale Offenheit gegenüber neuen Ansätzen und Lösungen wichtig ist. Wenn man im Vergleich Amsterdam oder London betrachtet, ist die Branche dort schon viel offener gegenüber Digitalisierungs-Prozessen und hat teilweise gewisse Sachen schon ausprobiert und implementiert.
Augustin: In internationalen Märkten wie Paris, München oder London ist der Zugang zu neuen Technologien und innovativen Dienstleistern viel grösser – dort stehen ganz andere Geldgeber im Hintergrund. Der Anteil an privat geführten Individualhotels ist viel geringer. Es sind oftmals Unternehmen, denen die Hotels gehören und die daran interessiert sind, dass sie profitabel laufen. Die Mentalität des Umdenkens muss über kurz oder lang auch in Österreich und Deutschland stattfinden, da die Individualhotellerie sonst keine Zukunft hat. Es gibt zu viele Kapitalgeber am Markt, welche nur darauf warten, Hotels aufzukaufen und somit unsere gelebte Hotel-Kultur enorm reduzieren können.
Willa: Es wird so oder so passieren, dass die Kettenhotellerie in alle interessanten Märkte vordringen wird. Die Branche muss sich einfach von der „alpenländischen Mentalität“ – wir haben es seit 70 Jahren so gemacht und wir machen das auch weiterhin so – schnellstmöglich lösen. Hoteliers müssen beginnen, eine Offenheit zu Beratungen und Outsourcing zu erlangen. International wird knallhart gerechnet, und Lösungen, die Kosten sparen und zusätzlich Revenue bringen, werden viel schneller umgesetzt. Die Personalsituation wird sich nicht wesentlich verbessern und qualifiziertes Know-how ist wichtiger denn je – daher unser dringender Appell an die D-A-CH-Region: „Fangt an, umzudenken – es ist schon mehr als fünf Minuten vor zwölf!“
Augustin: Der Druck wird immer mehr steigen und die Margen werden immer kleiner werden. Viele Hotels stehen vor dem Generationsübergang, und die junge Generation fragt sich, ob das Privathotel noch Sinn macht. Im Zweifel greift das „Worst-Case-Szenario“ und es wird an irgendwelche Immobilienfonds oder Hotelketten/-gruppen verkauft. Aus sicherer Quelle weiß ich, dass in Österreich gerade einige Fondsgesellschaften unterwegs sind und nach Hotels mit 50 bis 120 Zimmern suchen, um so internationale Brands ins Land zu holen. Es kann also nur noch eine Frage der Zeit sein, bis zum Beispiel Marriott oder IHG in Feriendestinationen in Bayern oder Tirol auftauchen werden.
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