Trends für die Gebäude der Zukunft

von

AIT

Das AIT hat eine Klammerfunktion zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Steffen Robbi – verantwortlich für den Bereich Energie und Gebäude – weiß deswegen sowohl was „Status-quo“, als auch was „State of the art“ ist. Wo sind also die großen Potentiale und Chancen, wo die strukturellen Hindernisse und welche Innovation stehen an? Über Themen wie IOT, dezentrale Energieversorgung, Bauprozess usw. berichtet Steffen im Interview.

Alexander: Im Bauprozess sind durch diverse Digitalisierungsmöglichkeiten enorme Verbesserungen möglich. Trotzdem scheint es, dass die Entwicklung eher langsam voranschreitet. Siehst Du das auch so? Woran liegt das?

Steffen: Digitalisierung macht vor allem dann Sinn, wenn Prozesse effizienter, schneller und damit preisgünstiger abgewickelt werden können. Dies setzt allerdings voraus, dass alle Beteiligten, kompatible Tools, einheitliche Standards oder wenigstens Protokolle verwenden, um eine verlustfreie Kommunikation und Datenaustausch zu gewährleisten. Die enorme Heterogenität im Bau ist damit ein großer Hinderungsgrund für die Nutzung der gegebenen technischen Möglichkeiten. In der Folge sind es hauptsächlich die „Big Player“, welche umfassende Digitalisierungsstrategien auch leben und umsetzen. Ähnlich z.B. einem Automobilhersteller oder Maschinenbauunternehmen, geben sie direkt vor, welche Standards und Prozesse einzuhalten sind. Für KMUs ist dies nicht möglich, weshalb die Entwicklung in einer Vielzahl an Unternehmen eher langsam voranschreitet.

Alexander: Was sind für Dich die wichtigsten Entwicklungen in Sachen Gebäudetechnik, die die Zukunft prägen werden?

Steffen: Verschiedene Trendanalysen im Bausektor zeigen in Sachen Gebäudetechnik großes Potential für die Vorfertigung von Komponenten und Bauteilen, die umfassende Vernetzung durch Internet of Things (IoT) und die Anwendung fortgeschrittener Datenanalyse in der Betriebsführung. Und natürlich muss auch hier wieder die Integration in BIM erwähnt werden, denn noch immer ist Gebäudetechnik eines der Schlusslichter, wenn es um die Erstellung und Nutzung digitaler Modelle ihrer Produkte geht.

Hervorheben möchte ich hier aber den ersten Punkt – die verstärkte Vorfertigung. Es laufen mehrere, weltweite und europäische Initiativen (Mission Innovation, IEA, etc.), die darauf abzielen, eine signifikante Preisreduktion bei der erneuerbaren Wärme- und Kälteversorgung zu ermöglichen. Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir nicht noch 1% effizientere Geräte, sondern leistbare, kompakte und integrierte Systemlösungen für den Ersatz fossiler Energieträger. Diese können nur durch Standardisierung und Vorfertigung mit hohen Stückzahlen erreicht werden.

Alexander: Dezentrale Energieversorgung ist ein wesentlicher Trend. Sind wir auf dem richtigen Weg?

Steffen: Die Dezentralisierung der Energieversorgung stellt die etablierten Energieversorgungsunternehmen vor große Herausforderungen. Schließlich gilt es, trotz aller dezentraler Partizipation weiterhin die Netzstabilität und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Auf europäischer Ebene wird daher die gebäudeübergreifende Organisation von sogenannten „local energy communities“ diskutiert. Aber auch in Wien zeigen erste Projekte, wie die (annähernd) autarke Energieversorgung im Gebäudeverbund realisiert werden kann.

AIT

Alexander: Ihr seid ja nicht nur in der Forschung sondern auch in der Beratung tätig. Kannst Du etwas über aktuelle Projekte erzählen? Gibt es Trends, was die Nachfrage betrifft?

Steffen Robbi

Steffen: Forschung und Beratung sind bei uns eng miteinander verknüpft. Neue Produkte und Services für die Beratung entstehen aus der Verwertung unserer F&E Projektergebnisse. Hohes Interesse der Industrie erleben wir z. B. für unseren Digitalen Prüfstand zum Inbetriebnahme Test. Echte Regler werden vor dem Einbau mit dem Anlagenmodell verbunden und auf Herz und Nieren überprüft. Man muss nicht mehr ein halbes Jahr warten, um dann festzustellen, dass ein Heizregister nicht anspringt und Zielwerte nicht erreicht werden – was immer mit aufwändiger Fehlersuche verbunden ist.

Alexander: Was sind für Dich die wichtigsten Visionen für das Gebäude der Zukunft? Wie wird es gebaut? Wie ausgestattet? Wie genutzt?

Steffen: Bislang wurden Gebäude zur Sicherung von Grundbedürfnissen errichtet: Schutz vor der Außenwelt (Wetter), Möglichkeit sozialer Interaktion, hygienische Bedürfnisse, etc. Für die Gebäude der Zukunft sehen wir zwei Trends. Eine viel größere Beachtung von Behaglichkeit und Komfort unter Berücksichtigung von Raumluftqualität, Akustik, Licht, Wasserqualität und der verwendeten Baumaterialien. Aber auch eine durch Digitalisierung unterstütze, gebäudeübergreifende Vernetzung der Energieversorgung. So wird das Gebäude der Zukunft wichtiger Bestandteil im erneuerbaren Energiesystem und wirkt an der Schnittstelle zwischen Smart-Grid und Elektromobilität als Speichermedium, um Netzstabilität zu gewährleisten aber auch um überschüssige (Ab-) Wärme aus dem Sommer für den Winter zu speichern. Die Nutzbarkeit sollte dabei keinesfalls beeinträchtigt werden. Technologie darf nicht im Vordergrund stehen, sondern muss immer das Ziel haben, Nutzerinnen höheren Komfort mit weniger Ressourcen und Kosten zur Verfügung zu stellen. Die oben genannten Entwicklungen in den Bereich IoT und fortschrittlicher Datenanalyse, gekoppelt mit dem digitalen Gebäudemodell werden große Sprünge ermöglichen in der intelligenten und bedarfsbasierten Betriebsführung.

Mehr über

AIT Austrian Institute of Technology

Treffen Sie Dr Steffen Robbi persönlich auf der Digitalize Bau Immo 3 0 am 7 März 2019 Melden Sie sich hier an

Zurück