RÜCKBLICK ZUR KONFERENZ 13. GBB – GREEN & BLUE BUILDING
Die Gegenwart die Fakten
Unter dem Motto „Faktenchecks“ hat Michael Fröhlich (PriceHubble) zu mehreren bewegenden Themen und Fragestellungen konkrete Zahlen aus der Marktrecherche präsentiert. PriceHubble hat es sich zum Ziel gesetzt, Transparenz in den Immobilienmarkt zu bringen und so tragfähigere Entscheidungen bei Entwicklung und Transaktion zu treffen.
So haben wir unsere entscheidenden Diskussionsthemen auch einem entsprechenden Faktencheck durch PriceHubble unterzogen: „Wie nachhaltig sind wir wirklich? Der erwartbare Marktpreis von Immobilien mit der besten Energieeffizienz ist in Deutschland um 17 % höher als derer mit der schlechtesten. In Österreich weisen verkaufte Wohnungen knapp weniger, verkaufte Häuser deutlich weniger als 10% eine Energieeffizienzklasse von A oder besser auf. In den Ballungsräumen Wien, Graz und auch in Tirol ist der Anteil aber deutlich höher, in ländlichen Gebieten, wie z.B. in Kärnten, deutlich geringer.“ Immobilienpreise und Energieeffizienzklassen sprechen also schon mal ein sehr deutliches Wort: Das hier noch viel Luft nach oben ist – auch beim Thema leistbare Nachhaltigkeit.
Das Bewusstsein für die Energiewende jedenfalls rückt in den Verkaufsinseraten deutlich in den Mittelpunkt: „Allein seit dem 4. Quartal 2021 werden Begriffe wie E-Ladestation, Wärmepumpe und Photovoltaik durchschnittlich doppelt so oft verwendet wie in den Quartalen davor. Das MACHT uns noch nicht nachhaltig, zeigt aber schon das Interesse der Nutzer*innen – dazu später mehr.
Und wie stehen wir im internationalen Vergleich da? Dass Deutschland NOCH schlechter ist als wir, ist noch kein Grund, stolz auf das Ergebnis zu sein – nun heißt es, mutig Lösungen umzusetzen!
Nachhaltigkeit der Branche in Bau Betrieb und entlang des Lebenszyklus
„Als Eigentümer zahlreicher Immobilien weltweit stehen wir in der Verantwortung, diese so lange wie möglich effizient zu betreiben, deren Nachhaltigkeit zu fördern und nur dann neu zu bauen, wenn Modernisierung nicht mehr möglich ist.“ Michaela Joas (TÜV SÜD) bringt sehr konkrete Praxisbeispiele ein. Es liegt auf der Hand, dass Nachhaltigkeit einhergehen muss mit aussagekräftigen Daten, Messungen und ausreichend Sensorik in allen Gewerken der Immobilie.
Dass Nachhaltigkeit sich in den letzten Jahren vom Lippenbekenntnis zur Überlebensstrategie entwickelt hat, liegt zu einem wesentlichen Teil an den aktuellen und künftigen Regulativen. Auch Andreas Köttl, CEO von Value One und GBB-Award-Gewinner 2021, beschreibt die aktuelle Situation so: „Nachhaltigkeit ist überlebensnotwendig geworden und wir müssen uns gegenseitig unterstützen, um die ambitionierten Ziele zu erreichen.“-
Ewald Müller, Alukönigstahl, führt die Diskussion weiter: „Nachhaltigkeit ist keine Einmalentscheidung und keine isolierte Budgetposition – es ist das Ergebnis kontinuierlicher Kultur- und Strategiearbeit!“ Welchen Stellenwert die Unternehmenskultur hat, wird immer wieder betont. „Die einzelne Mitarbeiterin, der einzelne Mitarbeiter muss wissen, wie man nachhaltig agiert und denkt“, fasst beispielsweise Thomas Angerer, Facilitycomfort, zusammen. Die Kultur muss aber über die Unternehmensgrenzen hinaus gehen, erklärt Thomas Glanzer, BIG, verantwortlich für Universitätsgebäude: „Auch wenn ich es mir wünschen würde, die Nutzer*innen sind noch nicht ausreichend erwachsen und verantwortungsbewusst. Durch Setzen von Tatsachen und durch Motivation müssen wir weiterhin daran arbeiten!“
Nachhaltigkeit muss messbar werden
Regulative, wie zum Beispiel die EU-Taxonomie-Verordnung, sind oft noch nicht konkret genug, um Nachhaltigkeit auch messbar zu machen. „CO2 Neutralität wird das nächste, wichtige Regulativ sein,“ vermutet Sebastian G. Nitsch, 6B47. „Anreize brauchen wir dringender als Regulative“, meint Gerald Beck, UBM Development. Woran also werden wir Nachhaltigkeit in Zukunft messen? Am Carbon Footprint? Scope I, II oder III? Am Flächenverbrauch? „Momentan arbeitet jeder mit seinen eigenen Kennzahlen, wir brauchen aber einheitliche KPIs – die werden in naher Zukunft kommen müssen“, ist Marc Guido Höhne, Delta, überzeugt.
„Ich träume von einem Buch oder einer Datenbank, in der vollkommene Transparenz herrscht und ich jede Immobilie aufgrund der Faktenlage hinsichtlich Nachhaltigkeit selbst bewerten kann“, teilt Andreas Ridder, CBRE, seine konkrete Vision. Auch Karin Fuhrmann, Partnerin bei TPA, ist sich sicher: „Wenn wir mehr Daten hätten, könnten wir unsere Immobilien besser einschätzen und bewerten – aber hier ist noch ein weiter Weg zu gehen.“ Peter Karl, Erste Immobilien, geht sogar einen Schritt weiter: „Ich glaube, dass viele Immobilien schon zu Artikel 9 der EU-Taxonomie-Verordnung passen würden, aber aufgrund der mangelnden Datenlage ist das nicht belegbar.“ Genau das fordert Veronika Achammer, United Benefits Holding, aber ein: „Wir haben den ersten Green Impact Fonds nach Art. 9 aufgelegt, und ich frage, warum es nicht mehr Art. 9 Gebäude gibt?“ Alexander Polsak, Scantum, fordert mehr Klarheit seitens der Regulative ein: „Es ist uns nun klar, dass wir keinen zweiten Planeten haben, wir sind bereit, anders zu handeln. Aber die konkreten Rahmenbedingungen müssen gesetzt werden!“ Sind wir also nur dann bereit, wenn wir unter Zugzwang der Regulative stehen? Ist die aktuelle klimatische und Ressourcensituation nicht Zugzwang genug?
Kreislaufwirtschaft als Nachhaltigkeitsmotor
„Kreislaufwirtschaft ist die einzige Möglichkeit, wenn wir die Erfolgsgeschichte der Immobilienbranche fortschreiben wollen“, ist Anna-Vera Deinhammer, ÖGNI, überzeugt – und dazu braucht es nun aber nicht nur Mut, sondern richtig viel Tempo. „Die erste Voraussetzung für Kreislaufwirtschaft ist eine sinnvolle Katalogisierung und Transparenz der verbauten Materialien. „Mit den bestehenden digitalen Lösungen kann das heute sehr leicht, transparent und für alle verfügbar erfasst werden“, erklärt Philipp Gattringer, Xeometrics. Dass Digitalisierung auch in rechtlichen Aspekten eine wesentliche Rolle spielt, betont Martin Schiefer, Schiefer Rechtsanwälte als Vergaberechtsexperte: „Die Ausschreibungen an sich wären schon fit für Kreislaufwirtschaft. In vielen Materiegesetzen sind Sekundärrohstoffe aber nicht vorgesehen, und viele haftungstechnische Fragen ergeben sich daraus – hier liegt noch viel Arbeit vor uns!“
„Gebäude einfach wegzureißen und zu entsorgen, ist keine Option mehr in der Zukunft. Baustoffe müssen so gut und auch schön sein, dass sie über Jahrhunderte weiter und weiter verwendet werden können“, fordert Peter Engert, ÖGNI, ein. „In unseren Fassaden setzen wir einen hohen Anteil an Sekundärrohstoffen ein, und auch diese Fassaden sind wieder kreislauffähig!“ Mit diesem positiven Praxisbeispiel zeigt Jörg Meiche, Hydro Building Systems Austria, einen Weg auf, der bereits funktioniert. Dennoch: die Forschung ist gefragt! Gerhard Zucker, AIT, ist sich dieser Verantwortung bewusst: „Als größtes Forschungsinstitut Österreichs legen wir nicht nur einen Fokus auf Digitalisierung, Haustechnik und Energieeffizienz, sondern auch auf Kreislaufwirtschaft!“
Wenn dann doch das Ende des Lebenszyklus für eine Immobilie oder Teile davon gekommen ist, kommt die Entsorgung ins Spiel: Julian Lechner, Wastebox, bringt den notwendigen Mindset-Change auf die Bühne. „Wir müssen verstehen, dass es keinen Abfall, sondern nur WERTSTOFFE gibt. Eine kluge Rückbaumaßnahme trennt Materialien und Bauelemente sorgfältig, sodass der Wert erhalten bleibt. Als Entsorgungspartner bietet Wastebox – neben allem digitalen Rundumservice und der Dokumentation – hier die Möglichkeit, die Materialien gleich wieder fit für den nächsten Einsatz abzuholen.
Technische Lösungen für mehr Nachhaltigkeit
Die Strategien der Developer Attraktiv leistbar und nachhaltig
„Leistbarkeit und Nachhaltigkeit müssen wir durch kluge Entscheidungen und tragfähige Geschäftsmodelle unter einen Hut bringen. Und bevor wir Milliarden Euro an Strafzahlungen nach Brüssel überweisen, sollten wir uns überlegen, nicht doch lieber höhere Investitionen JETZT zu tätigen – mit entsprechender staatlicher Unterstützung!“ . So konkret lautet die Forderung und das Bekenntnis von Michael Pech, CEO, ÖSW. „Leider sind wir von tragfähigen Geschäftsmodellen, die höhere Errichtungskosten für mehr Ersparnis im Betrieb über Unternehmensgrenzen hinweg ausgleichen, weiter weg denn je. Aber ich wünsche mir, dass wir sie finden“, meint auch Thomas Drozda, CEO der ARWAG. Silvia Wustinger-Renezeder, Cita Immobilien, macht klar: „Wenn ich weiß, dass eine der wesentlichen Fragen der Käufer*innen / Mieter*innen die Frage nach dem Energiekonzept ist, dann stellt sich nicht die Frage, ob ich in eine 100.000 EUR Gasheizung oder in eine 500.000 EUR Wärmepumpe investiere. Die Frage ist, wie realisiere ich die Investition in die Wärmepumpe?“
„Mein Lieblingsprojekt ist ein Hotel namens Bert“, schwärmt Martin Sautner, ABB. „Der Architekt hat mit dem Bauherrn und allen Gewerken zunächst persönliche Gespräche über deren Haltung und Zugang zur Nachhaltigkeit geführt. Erst dann hat er sich auf dieses großartige Projekt in Form mehrerer Baumhäuser eingelassen. Ein Grundriss von gerade mal 5 m² minimiert die Bodenversiegelung, Baumaterialien im Einklang mit der Natur minimieren den CO2-Fußabdruck, und eine smarte haustechnische Steuerung optimiert den Betrieb.“
Der gesellschaftliche Aspekt Individualität und Diversität

Die Nutzer*innen entlang des Lebenszyklus der Immobilie bestimmen, wie „gut“ diese ist. „Wir müssen die Lebensbiografien lesen. Diese sind geprägt von vielen Umbrüchen und die Immobilien sollten sich an diese verändernden Lebensbedürfnisse anpassen.“ Florian Stadtschreiber, Kiubo, hat dies konkret in einer hoch flexiblen Immobilie in Graz realisiert. „Wir müssen Immobilien so entwickeln, dass sie die Menschen beim Leben begleiten und auch das Alt-Werden ermöglichen. Mein Lieblingsprojekt dahingehend steht in Mödling, hier ist uns großartiges Generationenwohnen gelungen“, zeigt sich Thomas Morgl, CEO Silver Living, begeistert. Doch Karina Schunker, Geschäftsführerin EHL Wohnimmobilien, mahnt zur Vorsicht: „Analysieren und Verstehen ist essenziell für nachhaltigen Wohnbau. Doch wir müssen damit rechnen, dass auch die besten Analysen von heute auf morgen obsolet werden können – das hat Corona eindrucksvoll gezeigt.“
Den Nutzer*innen kommt jedoch auch eine weitreichende Bedeutung in der realen Nachhaltigkeit der Immobilie zu. Hubert Vögel, Geschäftsführer, IG Immobilien, überzeichnet nicht, wenn er sagt: „Wir können die Technik in einem Haus ganz perfekt nachhaltig machen. Wenn der Nutzer sie nicht so verwendet, wie angedacht, geht die Nachhaltigkeit buchstäblich beim Fenster raus.“
Mit allem, was vor uns liegt, ist es unabdingbar, dass die immer noch stark männerdominierte Branche deutlich diverser wird. „Diversität darf aber nicht beim Mann-Frau-Thema aufhören, sondern jede Art der Unterschiedlichkeit mit einbinden“, mahnt Doris Molnar, Gemeinnützige Donau-Ennstaler Siedlungs AG. „In einem Team, wo alle gleich ticken, geht nichts weiter“, ist sie sich sicher. Claudia Brey, ÖBB Immobilien, untermauert dies: „Es mag zwar einfacher sein, lauter idente Menschen zu führen, aber bei der Komplexität der Themen, die wir zu bewältigen haben, brauchen wir Unterschiedlichkeit statt einer homogenen Masse!“ Karin Schmidt-Mitscher, Erste Bank, fordert auch „mehr Teams mit Verantwortung und weniger Hierarchien, mehr Flexibilität in unseren Strukturen und im Denken“, damit Diversität zum Wohle Aller Einzug halten kann. „Mittlerweile ist Diversität in unserer DNA angekommen“, freut sich Maximilian Cojocea, S-Immo AG. Auch wenn der schwierigste Teil der Reise war, zu beweisen, dass Diversität sich tatsächlich auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens auswirkt. Immerhin ist der Zusammenhang zwischen Diversität und Leistungsfähigkeit bzw. Resilienz nicht mehr wegzuleugnen!
Die Zukunft die Stimmung
Digitalisierung – Gebäudedaten in Planung, Bau und Betrieb intelligent sammeln und daraus kluge Entscheidungen ziehen war eines der Kernthemen. Technische Innovationen, die die Branche braucht, um die Klimaziele und die ESG Kriterien zu erreichen, ein weiteres. Und das Thema Kooperation wurde konkreter denn je gefasst: Immobilien sind in Zukunft nur dann zukunftsfit, wenn von der Planung an alle Gewerke miteinander technisch kommunizieren, wenn der Betrieb über die unterschiedlichen Haustechnikelemente hinweg integrativ optimiert werden kann und wenn die Bausubstanz ausreichend Flexibilität in der Nutzung bietet. Was brauchen wir, um das umzusetzen?
„Die Bewusstseinsentwicklung in unserer Gesellschaft geht immer stärker zu individuellen und kollektiven Werten, die sehr förderlich für den Wandel sind, den wir so dringend brauchen“, macht uns Jeanny Gucher, Our Patterns, Mut – und untermauert dies mit wissenschaftlichen Daten. Weisheit ist nicht optional! Inspiration, Mut und klare Werte, strategische Allianzen in haltbaren und fairen Businessmodellen – und vor allem: ein klares, gemeinsames Ziel vor Augen! In diesem Sinne – wir freuen uns auf ein Wiedersehen 2023.