Kreislaufwirtschaft ist im Büro noch nicht angekommen - aus Skandinavien (woher sonst?) kommen gute Ideen dazu nach Österreich
Geschäftsmodelle in der Kreislaufwirtschaft haben einige Vorteile: Ressourcen werden genutzt, bleiben uns auch in Europa erhalten; sie sparen Logistikkosten (die momentan noch viel zu wenig beachtet werden); und sie machen sich im ESG Reporting gut, vermindern den CO2 Abdruck und helfen Nachhaltigkeit umzusetzen.
„Mieten statt kaufen“, das ist oft der Weg zu solchen Geschäftsmodellen - in manchen Bereichen schon selbstverständlich (welches Unternehmen KAUFT einen Kopierer?), in anderen Bereichen gibt es noch Erklärungsbedarf.
Für den Office Bereich kommt mit dem Unternehmen NORNORM eine smarte Idee auch zu uns nach Österreich. Büroeinrichtung für verschiedene Szenarien in einem flexiblen Mietmodell.
Sascha Matus ist Botschafter dieses Unternehmens und hat uns das Konzept in Vorbereitung des Ghezzo Immobilientags erklärt.
Alexander Ghezzo: „Mieten statt kaufen“, darum geht es in vielen Business-Modellen der Kreislaufwirtschaft. Wie funktioniert das bei Ihnen?
Sascha Matus: NORNORM bietet Unternehmen ein zirkuläres Abo-Modell für Büroeinrichtung ab 3 Euro pro m2 und Monat, welches ganz nach den individuellen Bedürfnissen angepasst werden kann. Dabei setzt NORNORM auf ein Kreislaufmodell. Das heißt, die Lebensdauer jedes Möbelstücks wird maximiert indem die Möbel die von uns geliefert, installiert (und wenn nötig ausgetauscht und nach Kündigung des Abonnements wieder aufgearbeitet) werden, schließlich wieder in den Vermietungskreislauf zurückgeführt werden. Dabei umfassen unsere Lösungen alles, vom Loungebereich bis hin zur Umgestaltung des ganzen Büros.
Alexander Ghezzo: Ab welcher Bürofläche lohnt es sich, über so ein Modell nachzudenken?
Sascha Matus: Betriebswirtschaftlich macht die NORNORM-Lösung ab einer Fläche von ca. 300m2 Sinn, das ist auch jene Berechnungsgröße, ab der wir unsere Angebote liefern. Darunter wäre es für uns wenig nachhaltig zu organisieren. Hierbei gilt, dass der Preis von 3€ pro m2 und Monat unabhängig davon bleibt, welche Möbel ausgewählt oder wie lange sie genutzt werden.
Zum Vergleich, beim herkömmlichen Leasing¬ erhöht sich der Preis meist erheblich, wenn bestimmte Produkte gewünscht oder Möbel vor Ablauf des fünf bis sechsjährigen Leasingvertrags zurückgegeben werden.
Mit NORNORM gibt es weder langfris¬tige Verpflichtungen noch Vor¬abinvestitionen. Wir bieten eine zirkuläre Lösung - ohne Kompromisse bei Qualität, Komfort oder Erschwinglichkeit. Das macht NORNORM nicht nur zu einer nachhaltigen sondern auch zu einer ökonomischen Option.
Alexander Ghezzo: Nornorm stammt aus Skandinavien. Dort ist das Möbelmieten ein etabliertes Geschäftsmodell. Bitte erzählen Sie uns etwas über die Hintergründe.
Sascha Matus: Mit der Vision die Arbeitswelt der Zukunft mit einem Kreislaufmodell für Büromöbel aktiv mitzugestalten, wurde NORNORM 2020 von dem ehemaligen IKEA-Manager Anders Jepsen und dem Skype-Mitgründer und Investor Jonas Kjellberg ins Leben gerufen.
Motiviert wurde die Firmengründung durch die Ãœberzeugung, dass wir das Design moderner Geschäftsmodelle neu denken müssen. Jedes Jahr werden 57 Millionen Tonnen Büromöbel weggeworfen. Ein Teil davon ist auf normale Abnutzung zurückzuführen, der Löwenanteil jedoch auf schlechte Planung bei Büroumzügen, wechselnde Personalbestände oder einfach auf mangelnde Flexibilität bei der Möblierung. Mit dem NORNORM-Konzept bieten wir Unternehmen deshalb nicht nur eine preisgünstige und flexible Alternative, sondern auch die Möglichkeit, ihre CO2-Bilanz bei der Büroeinrichtung um bis zu 70% zu verbessern.
Alexander Ghezzo: Jetzt sind Sie auch in Österreich tätig. Sehen Sie Mentalitätsunterschiede?
Sascha Matus: Skandinavien hat hier vielleicht einen kleinen Vorsprung, da sich in manchen der nordischen Länder bereits seit längerem das nachhaltige Reporting in Landesgesetzen etabliert hat und nicht erst seit der EU-Taxonomie. Deshalb kommen viele Start-Ups in der Circular Economy oder Subscription Economy aus diesen Ländern. Aber es gibt auch in Österreich eine lange Tradition an Organisationen, die sich mit Nachhaltigkeit und Zirkularität beschäftigen und es werden immer mehr, also Österreich steht hier um nichts nach. Allerdings ist die Abo-Lösung im Bürobereich für die Unternehmen noch ungewohnt und neu.
Alexander Ghezzo: Welche Rolle spielen Kreislaufwirtschaft und Dekarbonisierung in Ihrer eigenen Firmenphilosophie?
Sascha Matus: Die Tatsache, dass die Ressourcen auf unserem Planeten zur Neige gehen, bedeutet, dass lineare „Take-Make-Waste“-Modelle einem zirkulären Ansatz in allen Lebensbereichen Platz machen müssen, auch im Büro.
Wir optimieren jeden Teil der Wertschöpfungskette, von der Auswahl der Möbel, bis hin zu ihrer Verpackung, dem Transport und schließlich ihrer Wiederaufbereitung. Zum Beispiel haben wir für die Auswahl unserer Möbel eine Reihe von zirkulären Designkriterien entwickelt. Dazu gehören die Qualität der Materialien, Nachhaltigkeitszertifizierungen und die Möglichkeit, die Möbel wieder aufzuarbeiten. Wir wählen unser Sortiment in Zusammenarbeit mit unseren Produktpartnern sorgfältig aus, so dass jeder Artikel im Rahmen unseres Abo-Services effizient und nachhaltig wiederverwendet und aufgearbeitet werden kann. Die NORNORM-Produktkuration basiert auf zeitlosem Design, Qualität und Funktionalität. Deshalb arbeiten wir mit Herstellern wie Gemla, Hay, Herman Miller und Zilenzio zusammen, um Sets anzubieten, die Komfort und Flexibilität bieten und recycelte und nachhaltige Materialien verwenden, wie z. B. Stoffe aus recyceltem PET-Kunststoff und Massivholzmaterialien, die alle vom Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sind. Außerdem optimieren wir durch effiziente Routenplanung und Verpackung die CO2 Emissionen des ganzen Vertriebs.
Alexander Ghezzo: Welchen Impact können die Kunden verbuchen? Wie kann man das messen?
Sascha Matus: Das kann man an drei wesentlichen Größen festmachen: einerseits kostenmäßig, denn Unternehmen haben hier kein Investment, sondern eine genaue Rechnung ihres Kostenaufwandes pro Quadratmeter, klar kalkulierbar (OPEX vs. CAPEX); andererseits durch die Flexibilität, denn mit jeder Veränderung, zum Beispiel durch Flächenreduktion (Home-Office etc.) oder durch Veränderungen in den Arbeitsprozessen oder einer Übersiedlung, wir begleiten als Partner jegliche Situation und passen nach Bedarf das Konzept kostenfrei an. Und darüber hinaus natürlich der nachhaltige Anspruch, der auch aktuell durch die EU-Taxonomie immer mehr Relevanz bekommt - z.B. haben wir hier durch die Verwendung unseres Konzeptes pro 100 MA ca. 51 Tonnen CO2 Einsparung im Vergleich zu einem linearen Modell.
Alexander Ghezzo: ESG und Taxonomie motivieren viele, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Merken Sie diesen Effekt bereits?
Sascha Matus: Im Bürobereich ist das bei vielen noch nicht angekommen, das liegt aber vielmehr daran, dass sich Unternehmen in erster Linie mit der nachhaltigen Optimierung in ihrem Kerngeschäft beschäftigen und dann erst zu den anderen Bereichen übergehen, aber es wird mehr Relevanz bekommen. Heutzutage sind Office Layouts oft statisch und lassen sich nicht leicht verändern, wenn sich das Unternehmen weiterentwickelt. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass die Zukunft von Büros von anpassungsfähigen Arbeitsplätzen bestimmt sein wird, die es ermöglichen, die Möbel und das Layout je nach Bedarf und ohne große Kosten und Aufwand zu optimieren. Dafür benötigen wir Modelle, bei denen Flexibilität an erster Stelle steht. Deshalb werden auch Unternehmen sich vermehrt mit dem Thema auseinandersetzen. Neben der o.g. Thematik wohlgemerkt. Das flexible NORNORM-Konzept ermöglicht es ihnen dabei keine Kompromisse beim Design, Ästhetik und Qualität machen zu müssen - sozusagen die Symbiose aus Flexibilität, Design und nachhaltigem Anspruch.
Alexander Ghezzo: Wie geht es mit NORNORM weiter? Welche Vision treibt Sie dabei an?
Sascha Matus: Mittlerweile sind wir bereits in über zehn europäischen Märkten aktiv und konnten 2022 ein starkes Wachstum von fast 20% pro Monat verzeichnen. Unser Hauptziel für 2023 ist es, dieses Momentum beizubehalten. Auch im Mittelstand und bei traditionellen Unternehmen wollen wir noch besser Fuß fassen. Unser großer Meilenstein ist eine Million von uns eingerichtete Quadratmeter in den kommenden 2-3 Jahren. Momentan liegen wir bei ca. 300.000 Quadratmetern. Wir haben vor kurzem eine Finanzierungsrunde in Höhe von 110 Mio.€ abgeschlossen, die wir nicht nur für unsere geografische Expansion, sondern auch für strategische Investitionen zur weiteren Digitalisierung unserer Prozesse nutzen werden.