Kreislaufwirtschaft in der Gebäudehülle: Nachhaltigkeit als Pfeiler der Unternehmenskultur
Kreislaufwirtschaft – das ist die Antwort auf viele Herausforderungen auf dem Weg zu Net-Zero. Es klingt so einfach: Wiederverwenden, Recyceln, Müll wird zum Wertstoff. Aber in der Praxis sind damit viele Herausforderungen verbunden. Der Hydro-Konzern hat sich dem Thema intensiv angenommen, ist ja Aluminium einer der Stoffe, die sich perfekt für mehr Kreislaufwirtschaft eignet. Wie das aber mit den Kosten ist, welche Herausforderungen damit verbunden sind und wie es sich auch auf die Unternehmenskultur auswirkt haben wir mit Jörg Meiche -Country Manager Austria Hydro Building Systems – in Vorbereitung der 13. GBB Green & Blue Building Conference besprochen.
Alexander Ghezzo: WICONA kommuniziert intensiv den Umstieg auf Kreislaufwirtschaft. Welche Aspekte Ihres Geschäfts sind kreislauffähig?
Jörg Meiche: Wir setzten uns bei WICONA schon seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit und der Optimierung unseres CO2 Fußabdruckes auseinander. Dabei spielen unsere Produkte und wie wir Sie herstellen natürlich eine wesentliche Rolle. Als Aluminium-Bausystemhaus und als Tochter des größten europäischen Aluminium-Herstellers, des norwegischen Hydro Konzernes liegt der Focus in erster Linie auf unserem hauptsächlich verwendeten Rohstoff, dem Aluminium. Neben der generellen Rezyklierbarkeit von Aluminium wollten wir schon immer einen Schritt weiter gehen da man bisher immer auf einen hohen Anteil an Primäraluminium und sogn. Prozessschrotten angewiesen war um neue Pressbolzen in der entsprechenden Legierungsqualität zu erhalten, was die Produktion hochwertiger Systemprofile überhaupt erst ermöglicht. Nach dem Lebenszyklus eines Alu-Fensters / einer Alu-Fassade wurde also „downgecycelt“. Das zu ändern war die Herausforderung um in eine tatsächliche Kreislaufwirtschaft zu gelangen und diese Revolution ist mit Hydro CIRCAL gelungen.
Mittlerweile haben wir unser WICONA Portfolio komplett auf Hydro CIRCAL umgestellt, d.h. jeder einzelne Profil-Stab den unsere Kunden ab Lager beziehen besteht aus Hydro CIRCAL und damit aus EOL (End-of-Life) Schrotten (aktuell mind. 75%). Damit schließen wir den Kreis und sind in einer echten Kreislaufwirtschaft angekommen.
Alexander Ghezzo: Bedeutet dieser Umstieg auch eine Veränderung in der Unternehmenskultur?
Jörg Meiche: Die Unternehmenskultur hat sich sukzessive im Sinne des ökologisch nachhaltigen Wirtschaftens weiterentwickelt. Ein Prozess der schon vor der Jahrtausendwende begann. Heute ist die Nachhaltigkeit unserer Lösungen und unseres Handeln fixer Bestandteil und ein wesentlicher Pfeiler unserer Firmenstrategie!
Für jeden unserer Mitarbeiter ist die Reduktion von CO2 am Arbeitsplatz eine tägliche Challenge. Wir wissen wo wir hin wollen (CO2 Neutralität) und versuchen dies sowohl mit globalen Firmenzielen und Kampagnen als auch im „kleinen“ an unseren Standorten in Österreich individuell umzusetzen. Darüber hinaus versuchen wir auch unsere Kunden, Lieferanten und Partner für unsere Ziele zu begeistern und Sie mit auf die Reise zu einer nachhaltigeren Handlungsweise im Umgang mit Ressourcen und Wertstoffen zu nehmen.
Bleiben wir aber noch etwas bei den Produkten: Für effektives Urban Mining ist es von Vorteil möglichst einfach und sortenrein demontieren zu können.
Wenn wir Neuprodukte entwickeln tragen wir dafür Sorge möglichst viel recyclebare Werkstoffe zu verwenden (hier stehen wir bereits bei 95%) und dafür, dass die einzelnen Bauteile und Artikel während bzw. nach der Nutzungsdauer einfach und sortenrein demontiert oder ausgetauscht werden können. Generell wollen wir schnellstmöglich auf 100% bereits recyclierten Content für unsere Produkte aufstocken (Also Wertstoffe die bereits aus der Kreislaufwirtschaft kommen)! WICONA war schon vor vielen Jahren Vorreiter bei der Verwendung von rezyklierten Polyamid für die thermischen Trennungen der Profile. Damals ein großer Schritt für die Einsparung von Frischwasser bei der Herstellung von Dämmstegen.
Alexander Ghezzo: Was verändert das bei Ihnen in der Praxis? Das bedeutet doch auch sicher jede Menge Investition und einige logistische Herausforderungen?
Jörg Meiche: Das stimmt. Vor allem die Altschrott-Aufbereitungsanlage und das eigens dafür entwickelte Sortiersystem waren große Investitionen die ohne Hydro sicher nicht möglich gewesen wären. Aber auch die jahrelangen Testzyklen hinsichtlich eventuell be- bzw. entstehender qualitativer Mängel waren kostenintensiv und logistisch herausfordernd. Nun, da diese Bedenken ausgeräumt werden konnten und die ganze Lagerhaltung auf Hydro CIRCAL umgestellt ist, wurde es einfacher.
Dennoch, das nächste Recyclingwerk ist bereits im Bau, weitere in Planung und Hydro investiert weiter um noch mehr EOL Schrotte möglichst lokal aufbereiten zu können. Die Marschrichtung für die Zukunft ist weg von Primär-, hin zu 100% Sekundäraluminium.
Alexander Ghezzo: Wie steht es momentan um den Rohstoff Aluminium?
Jörg Meiche: Global gesehen ist die Nachfrage nach Aluminium noch zu groß um Sie ausschließlich mit rezykliertem Aluminium zu decken. Grundsätzlich ist aber bereits genug Aluminium in Umlauf, es mangelt an den Aufbereitungskapazitäten.
So gesehen freuen wir uns wenn auch Marktbegleiter auf den fahrenden Zug aufspringen und mit dem Upcycling von EOL Material beginnen
Alexander Ghezzo: Wie nehmen Sie gerade die Bewegungen in der Bau- und Immobilienbranche war? Sind viele Projekte auf Eis, oder wird doch weiter gebaut?
Jörg Meiche: Aufgrund der allgemeinen Unsicherheit hinsichtlich der Energiepreisentwicklung und der damit vielleicht verbundenen Verknappung mancher Baustoffe sind manche Projekte auf „hold“, manche kommen erst gar nicht auf den Markt. Ich sehe das aber als temporäres Problem an und hoffe, (wie wir alle) dass der Westen und Russland einen Weg finden wieder gemeinsam eine versorgungssichere Zukunft zu gestalten. Der momentane Knoten wird sich dann lösen und die Auslastung sich wieder normalisieren. Der private Hausbau allerdings wird sich aufgrund der Teuerungen, der damit einhergehenden Inflation und den schwierigen Rahmenbedingungen bei der Finanzierung nur beschwerlich erholen.
Alexander Ghezzo: Es heißt, das Taxonomie, Gebäuderichtlinie usw. die Sanierungsraten endlich nach oben bringen wird. Merken Sie hier schon einen Trend?
Jörg Meiche: Ja, hier zeichnet sich bereits ein klarer Trend ab. In nicht allzu ferner Zukunft wird die Sanierung den Neubau übertreffen. Umso wichtiger dass die Gebäudehülle flexibel gestaltet wird. (Leicht adaptierbar und/oder tlw. austauschbar bzw. vielseitig nutzbar und leicht zu demontieren)
Alexander Ghezzo: Wo sieht man denn Wicona in der Praxis? Welche Leuchtturmprojekte haben Sie begeistert?
Jörg Meiche: Grundsätzlich findet man uns überall, ob in Hotels, Krankenhäusern und Bürokomplexen bis hin zum privaten Wohnhaus in Form von Haustüren oder großflächigen Schiebeanlagen. Im Westen Wiens entsteht gerade eine große WICONA Elementfassade (Vio Plaza) und man sah uns auch bei den ORF Sommergesprächen, in Form der neuen Closed Cavity Fassade des ORF Mediencampus, im Hintergrund. Diese Doppelfassade wurde bereits aus Hydro CIRCAL Profilen gefertigt und hat somit schon bei der Herstellung der Profile (im Vergleich zu europäischer Neuproduktion) 180t CO2 eingespart!