Gemeinwohlbilanz: Ziele, Learnings und Konsequenzen

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Soziale und ökologische Nachhaltigkeit ist durch viele rechtliche Bestimmungen, durch gesellschaftlichen Druck und durch wirtschaftliche Notwendigkeiten aktuell im Zentrum der Anstrengungen vieler Unternehmen. Das Tool der Gemeinwohlbilanz stellt dabei eine Möglichkeit, dass eigene Unternehmen zu analysieren, Verbesserungspotentiale zu finden und Transparenz für Partner*innen und Kund*innen zu schaffen. Diesen mutigen Schritt hat Regina Lettner getan. So zieht die Gemeinwohlökonomie in die Bau- und Immobilienbranche ein. Warum und mit welchen Konsequenzen berichtet sie in diesem Interview.

Hier der Link zur Gemeinwohlbilanz - baukult.at

Ghezzo: Sie haben eine Gemeinwohlbilanz erstellt. Wie macht man sowas und vor allem warum?

Lettner: Eine Gemeinwohlbilanz zu erstellen, dauert einige hundert Stunden. In mehreren Workshops mit anderen bilanzierenden Unternehmen wurden wir begleitet und am Schluss auditiert. Es handelt sich um einen moderierten begleiteten Prozess – einem Arbeitsbuch und dessen Fragen folgend, analysiert man das Unternehmen unter den verschiedensten Gesichtspunkten.

Der Grund für die Gemeinwohlbilanz ist klar: Ich habe das Thema schon lange im Kopf. Durch unser neues Teammitglied Brita Hombrecher, MRICS habe ich dann die richtige Person gefunden, das gemeinsam durchzuackern. Der Leidensdruck in der Immobilien- u. Baubranche ist mittlerweile riesig. Die Gemeinwohlthematik bietet eine Lösungsmöglichkeit für neues Wirtschaften. Die Erstellung unserer Gemeinwohlbilanz erforderte intensive Beschäftigung mit dem Unternehmen, den Menschen im Unternehmen und den Prozessen. Wir bekamen dadurch die Chance, etwas zu lernen und einiges an Verbesserungspotenzial zu erkennen.

Ghezzo: Gemeinwohlökonomie ist ein schöner, aber ein bisschen diffuser Begriff. Wie definieren Sie ihn für sich und was bedeutet das in Ihrer Geschäftstätigkeit?

Lettner: Der Begriff ist nur aufs Erste diffus. Eigentlich zeigt er beide wichtigen Komponenten auf: Gemeinwohl und Ökonomie. Es geht darum, dass die Wirtschaft im Idealfall ein Miteinander und kein Gegeneinander ist. Anders gesagt: Der Kuchen ist groß genug und es ist für alle genug vorhanden. Es geht nicht darum, sich gegenseitig auszustechen, sondern darum, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, damit es allen Stakeholdern wohl ergeht: Lieferant*innen, Kund*innen, Auftraggeber*innen, Finanzpartner*innen, Mitarbeiter*innen. Es geht darum, niemanden auszugrenzen oder auszubeuten und dabei ein Höchstmaß an Nachhaltigkeit zu erfüllen.

Wir wollen nicht abwarten, was auf uns zukommt, sondern die Zukunft aktiv mitgestalten. Für uns ist es ein USP, der anderen zeigt, welche Werte man als Unternehmen vertritt. Wir sind Vorreiter*innen und wollen ein Vorbild für andere sein. Menschen, die unsere Gemeinwohlbilanz lesen, wissen wie wir ticken und was sie zu erwarten haben, wenn sie mit uns arbeiten. Nämlich: maximale Transparenz, faire Bezahlung, faire Preisgestaltung. Wir haben nichts zu verbergen, denn wir sind gut. Wir sind davon überzeugt, dass langfristig jene Kund*innen zu uns kommen, die all das schätzen und die so denken und handeln wie wir.

Wir sehen gemeinwohlorientierte Unternehmen als Pionier*innen für eine moderne Unternehmensführung und -orientierung sowie modernes Wirtschaften.

Ghezzo: Gab es für Sie Überraschungen bei der Auditierung? Was haben Sie aus dem Prozess der Bilanzausstellung für Lehren gezogen?

Lettner: Für uns war spannend, dass die anderen Unternehmen, welche auch am Prozess beteiligt waren, uns als baukult bereits weitaus „gemeinwohler“ eingestuft haben als wir uns selbst.

Wir konnten eine für uns passende Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln, nach der das Unternehmen nun gesteuert wird. Darüber hinaus hat sich gedanklich verfestigt, dass Gemeinwohlökonomie ganzheitliches Denken erfordert: Es geht nicht nur um die ökologischen Baustoffe beim Bauen, sondern auch z. B. um soziale Kompetenzen im Unternehmen oder um die Veranlagungsstrategien der Finanzpartner*innen. Wussten Sie, dass es bei Banken Gemeinwohlkonten gibt?

Konkret geht es um die Leitthemen Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung zu allen Stakeholdern. Da wurden im Auditierungsprozess, z. B. bei den Finanzpartner*innen, schon Lücken sichtbar: Bei wem hat unser Unternehmen die Geschäftskonten, was machen die mit ihrem Geld?

Ghezzo: Wie reagieren Kunden und potentielle Kunden auf die Gemeinwohl-Fokussierung?

Lettner: Bisher bekamen wir viel positives, interessiertes Feedback. Die Kund*innen fragen nach, worum es da geht. Wir sehen, dass Gemeinwohl noch nicht sehr bekannt ist. Es besteht Nachfrage und Interesse, aber wenig Know-how. Was das bringen soll, hat noch niemand gefragt. Wichtig ist, dass die Nachhaltigkeitsstrategie an alle Stakeholder kommuniziert wird, ohne in Normen unterzugehen.

Ghezzo: Mit baukult bewegen Sie sich doch in einem Wirtschaftszweig, der nicht unbedingt für Transparenz und Zusammenhalt steht. Da wird gerne prozessiert, gestritten usw. Tut man sich mit so viel Transparenz und Einblick in die Unternehmensinterna einen Gefallen?

Lettner: Transparenz ist uns wichtig. Wir haben nicht vor zu streiten und zu prozessieren. Im Zuge der Erstellung der Gemeinwohlbilanz haben wir uns auch von Geschäftspartner*innen, die mit unseren Werten nicht übereinstimmen, getrennt. Arbeitet man mit Partner*innen zusammen, die für dieselben Werte stehen, ist Transparenz unumgänglich. Wir haben uns auch angewöhnt, bei allen Stakeholdern die Werte abzufragen. Durch gleichgesinnte Unternehmen können wir uns gemeinsam weiterentwickeln, voneinander lernen und – da wir natürlich Unternehmen sind – besser wirtschaften.

Ghezzo: Wie sehen Sie den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Erfolg und Gemeinwohl-Fokus?

Lettner: Gemeinwohl und Umsatzsteigerung gehen Hand in Hand > dazu gibt es genug Beispiele. Diese beiden Parameter ergänzen sich ausgezeichnet. Wie bereits erwähnt, reduziert gelebte Gemeinwohlökonomie die Kosten für Rechtsanwälte ungemein.

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