Energiesparpotential in den Rohrleitungen: ein paar Kelvin bringen zweistellige Prozentzahlen an Kostenreduktion

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Wir reden von kürzerem Duschen, davon, wieviel uns Händewaschen kostet, wieviel Energie das Heizen kostet. Dabei verschwenden wir schon jede Menge Energie in den Rohrsystemen unserer Gebäude. Beim Neubau ist das gar nicht mehr notwendig und in Zeiten der EU-Taxonomie und den Gebäuderichtlinien wird es auch im Bestand nicht mehr tolerierbar sein. Wer das Klima schützen will, muss sich damit auseinandersetzen.

Nikolaus Lorbeer ist bei Georg Fischer Rohrleitungssysteme für den Bereich Trinkwasserhygiene zuständig. In dem Interview berichtet er uns, wie man mit einem automatischen hydraulischen Abgleich Energie sparen kann, wie Rohrisolierungen ein erhebliches Energiesparpotenzial haben und wie die EU-Taxonomie die Finanzierung nachhaltiger Investitionen grundlegend verändern wird.

Alexander Ghezzo: Energieeffizienz ist das Gebot der Stunde, sowohl im Bestand als auch im Neubau. Warmwasser spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wo hat man bei der Warmwasserbereitung den größten Hebel?

Nikolaus Lorbeer: Nach Angaben der Forschungsinitiative „Energiewendebauen“ entfallen in Passivhäusern bereits fast 50 % des Nutzenergiebedarfs auf die Warmwasserbereitung. Neben der energieeffizienten Warmwasserbereitung spielt die gleichmäßige Wärmeverteilung eine entscheidende Rolle für den effizienten Betrieb einer Anlage. Was nützt der effizienteste Brennwertkessel, wenn die Wärme nicht dort ankommt, wo sie ankommen soll. Intelligente Regelungstechniken können permanent den optimalen Betriebspunkt in der Anlage halten und so das Gebäude am effizientesten betreiben.

Alexander Ghezzo: Von welchen Energiespar-Effekten kann man ausgehen?

Nikolaus Lorbeer: Kann die Anlage durch einen automatischen hydraulischen Abgleich mit einer niedrigeren Temperatur betrieben werden, wird Energie eingespart. Selbst wenn die Temperatur am Austritt des Trinkwassererwärmers nur um wenige Kelvin reduziert werden kann, sind Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich, bezogen auf die Warmwasserbereitung, keine Seltenheit. Zudem kann bei Einhaltung des erforderlichen Temperaturniveaus auf die vorbeugende thermische Desinfektion (mit einer Wassertemperatur von meist 70°C) verzichtet werden. Diese findet jedoch derzeit in vielen Anlagen wöchentlich statt, was zusätzliche negative Auswirkungen auf die Materialien im Verteilungssystem haben kann.

Alexander Ghezzo: Wie erlebst Du dabei den Zustand im Immobilienbestand?

Nikolaus Lorbeer: Bei der energetischen Sanierung bestehender Gebäude besteht ein großer Bedarf an Verbesserungen. Neben der Verbesserung der Gebäudehülle und der Heizungsanlage sollte aus den oben genannten Gründen ein größeres Augenmerk auf die Warmwasserbereitung gelegt werden.

Alexander Ghezzo: Energiepreisexplosion, EU-Vorgaben – Du hast letztes Mal gesagt, dass die Sanierungswelle stark Fahrt aufnimmt. Wie schaut es aktuell aus?

Nikolaus Lorbeer: Durch die neue EU-Taxonomieverordnung sind grundlegende Änderungen bei der Finanzierung nachhaltiger Investitionen zu erwarten. So wird beispielsweise die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Finanzberichterstattung gleichgestellt werden. Investoren werden es sich in Zukunft nicht mehr leisten können, nicht im Einklang mit der Taxonomie zu agieren. Auch das künftige Energieeffizienzgesetz Neu (EeffG) wird dazu beitragen. Ich denke daher, dass wir erst am Anfang der Sanierungswelle stehen. Natürlich zwingen auch die Energiepreisexplosionen die Unternehmen zu einem schnelleren Handeln.

Alexander Ghezzo: Wie sieht es im Neubau aus? Merkt man schon einen Rückgang bei Projekten?

Nikolaus Lorbeer: Im Moment nicht, aber wir wissen, dass angesichts der rückläufigen Zahl der Baugenehmigungen eine schwierige Zeit bevorsteht. Zu unserem Glück ist +GF+ nicht nur in der Gebäudetechnik tätig, sondern auch im Industrie- und Versorgungssektor, der versuchen wird, diesen Rückgang so gut wie möglich abzufedern.

Alexander Ghezzo: Wenn es um Isolierung geht, sind da oft nicht sehr umweltfreundliche Rohstoffe im Spiel. Welche Möglichkeiten gibt es zur Wärmeisolierung von Rohren?

Nikolaus Lorbeer: Die Isolierung von Rohrleitungen birgt ein erhebliches Energiesparpotenzial, da Wärmeverluste reduziert werden. Damit moderne Dämmstoffe die aktuellen Brandschutzanforderungen erfüllen, werden verschiedene Zusätze im Dämmstoff benötigt.

Diese können jedoch einen negativen Einfluss auf die mögliche Recyclingfähigkeit des Dämmstoffs haben. GF Piping Systems arbeitet mit Innovationsteams daran, die beiden Anforderungen „Energieeinsparung durch effiziente Dämmung“ und „Rezyklierbarkeit der Materialien“ in Einklang zu bringen.

Alexander Ghezzo: Zieht die Kreislaufwirtschaft auch in die Rohrsysteme ein? Nikolaus Lorbeer: Ja, hier spielen zum Beispiel Zertifizierungen wie C2C (Cradle to Cradle) eine Rolle, aber auch andere Green-Building-Zertifikate.

Im Sinne der Nachhaltigkeit ist aber die Nutzungsphase eines Rohres im Vergleich zu anderen Produkten schon sehr lang. Natürlich denkt +GF+ noch darüber nach, was am Ende des Lebenszyklus passieren soll, sei es Recycling, Kreislaufschließung oder Wiederverwendung von bereits recyceltem Material. Natürlich nur so lange, wie die Zulassungen dies zulassen.

Um ökologische und soziale Nachhaltigkeitsdaten zu erfassen, werden so genannte „Produktpässe“ zunehmend an Bedeutung gewinnen. Diese ermöglichen es allen Akteuren einer Wertschöpfungskette, gemeinsam an einem recycelbaren Produkt zu arbeiten und es mit anderen Produkten vergleichbar zu machen. Dies ist auch ein wichtiges Innovationsfeld für GFPS.

Alexander Ghezzo: Wie steht es eigentlich um BIM (Building Information Modelling)? Als Anbieter von Rohrleitungen – müsst Ihr diese digitale Begleitung schon mit anbieten? Wie erlebst Du die Nachfrage?

Nikolaus Lorbeer: GF Piping Systems arbeitet kontinuierlich an der Entwicklung digitaler Bibliotheken für alle unsere Zeichnungen, die mit der Software von drei großen CAD-Unternehmen vollstädig kompatibel sind. Allerdings ist die Nachfrage derzeit begrenzt. Ich denke, dass es zum Teil an den Ressourcen für einen technischen Mitarbeiter fehlt, der sich speziell mit diesem Thema befasst, vor allem in kleineren Unternehmen. Nun muss aber die gesamte Organisationskette, angefangen beim Generalunternehmer/Planer bis hin zum ausführenden Unternehmen, mit BIM arbeiten können. Hier kann es bei den Überschneidungspunkten leicht zu Schwierigkeiten kommen. Dennoch denke ich, dass BIM in der Planung der Zukunft unverzichtbar sein wird.

Sie wollen mehr über Nikolaus Lorbeer wissen, oder mit ihm in Kontakt treten: Hier finden sie sein LinkedIn Profil

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