Droht uns ein Blackout? Wie man sich privat und wie man sein Unternehmen rüstet

von

 

Ivo Lagler

Herbert Saurugg

Blackout – Schreckensszenario aus einem Science-Fiction Roman: Zusammenbrechende Infrastruktur, Schaden an Eigentum und Gesundheit. Vielleicht sind diese Fantasien aber realistischer als wir denken. Ivo Lager und Herbert Saurugg haben sich damit auseinandergesetzt, was uns tatsächlich droht, wie wir uns darauf vorbereiten und was Unternehmen in Sachen Sicherheit und Haftung bedenken sollten.

Alexander: Ihr sagt Österreich droht ein Blackout in den nächsten fünf Jahren. Warum geht ihr davon aus?

Ivo: Jedes Jahr gibt es, wenn man Medienberichte genau verfolgt, immer öfter Meldung von lokalen kurzzeitigen Stromausfällen, speziell in den Sommermonaten. Diese Ausfälle sind zwar nur lokal begrenzt, z.B. auf wenige Wiener Bezirke und dauern auch nur wenige Stunden, doch vor Jahren war diese Häufung an Ausfällen nicht so markant. Das wird durch das Konsumverhalten der Bevölkerung hervorgerufen, denn ohne Strom kann man z.B. das Handy nicht aufladen, funktioniert keine Klimaanlage und auch der öffentliche Verkehr ist davon abhängig. Und dadurch leben wir in einer sehr komfortablen Zeit, die Ressourcen bietet, die in anderen Ländern nicht in diesem Ausmaß verfügbar sind. Denn der Strom kommt nicht aus der Steckdose, sondern muss produziert und transportiert werden, bis der Konsument darüber verfügen kann.

Herbert: Vorweg, es geht nicht nur um Österreich, sondern um das europäische Verbundsystem, das nur im Ganzen funktioniert. Das bedeutet, wenn es schief geht, dann kommt es zu einem europaweiten Strom- und Infrastrukturausfall („Blackout“). Ich beschäftige mich seit 2011 mit den Entwicklungen im europäischen Stromversorgungssystem. So wie das bisher gelaufen ist und für die nächsten fünf Jahre geplant ist, kann es sich rein technisch nicht ausgehen. Kernpunkt ist der deutsche Atom- und Kohleteilausstieg bis 2022. Damit fallen rund 22 GW gesicherte Leistung weg. Deutschland hat einen permanenten Verbrauch von rund 60-80 GW, je nach Tages- und Jahreszeit. Die dafür notwendigen Ersatzleitungen, um vor allem den Strom aus den Norden in den Süden transportieren zu können, werden frühestens ab 2025 fertiggestellt werden können. Zum anderen bräuchte es als Ersatz entsprechende Speicherlösungen, die in dieser Größenordnung weit entfernt von einer Realisierung sind. Daher setzt man jetzt zunehmend auf die Wunschvorstellung, dass man aus den Nachbarländern importieren wird. Diese importieren aber selbst bereits seit Jahren aus Deutschland, wenn es eng wird. In 99,999% der Zeit wird es sich durchaus ausgehen. Aber es reichen 0,001%, um die größte Katastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg auszulösen. Ganz abgesehen von den sonstigen steigenden Herausforderungen (Cybersicherheit, Extremwetterlagen etc.). Daher ist eine Blackout-Vorsorge mehr als notwendig.

Alexander: Wie umfangreich könnte so ein Blackout sein? Von welcher Dauer reden wir da?

Ivo: Von einem Blackout spricht man nur dann, wenn großflächig und über einen längeren Zeitraum hinweg kein Strom verfügbar ist. Also lokale stundenweise Stromausfälle sind nicht als Blackout zu bezeichnen. Wenn ein Blackout eintritt und das passiert schlagartig, dann wird es an jedem einzelnen liegen diesen bestmöglich zu bewältigen – beruflich wie privat. Das beginnt schon, dass man ohne Strom nicht mehr in den Supermarkt gehen kann, um Lebensmittel einzukaufen weil die Kassen nicht funktionieren, oder keinen Treibstoff mehr für sein Auto bekommt, weil die Pumpen an den Zapfsäulen der Tankstellen nur mit Strom funktionieren. Also wird bei einem Blackout sehr rasch die Infrastruktur zusammenbrechen, sodass man in seinem Einflussbereich darauf vorbereitet sein sollte. Und Notstromaggregate in Gebäuden sind im Schnitt für 72 Stunden ausgelegt, sodass in diesem Zeitraum eine objektbezogene punktuelle Versorgung in bestimmten Objektbereichen gegeben ist.

Herbert: Entscheidend ist, dass es sich nicht nur um einen Stromausfall, sondern um einen völligen Kollaps der Versorgungsinfrastrukturen geht: Telekommunikation (Handy, Festnetz, Internet), Finanzwesen, Verkehr und Logistik, Treibstoff-, Wasserver- und Abwasserentsorgung, Produktion usw.  Während die Stromversorgung relativ rasch wiederhergestellt werden kann, wird der Wiederanlauf der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern erheblich länger dauern. Auf das sind jedoch weder die Menschen, noch die Unternehmen oder der Staat vorbereitet.

In der Blackout-Vorsorge sind drei wesentliche Phasen zu beachten:

Phase 1: Die Wiederherstellung einer weitgehend stabilen Stromversorgung. Diese sollte in Österreich nicht vor 24 Stunden erwartet werden. Auf europäischer Ebene rechnet man mit rund einer Woche.

Phase 2: Die Wiederherstellung einer weitgehend stabil funktionierenden Telekommunikationsversorgung (Handy, Festnetz und Internet). Hier sollte mit zumindest mehreren Tagen nach dem Stromausfall gerechnet werden (technische Probleme, Schäden, Überlastungen). Damit funktionieren weder Produktion, Logistik, Verteilung, Verkauf noch die Treibstoffversorgung.

Phase 3: Ein umfassender Wiederanlauf der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern (Lebensmitteln, Medikamente, Treibstoff etc.) und Dienstleistungen sollte frühestens eine Woche nach dem Primärereignis erwartet werden. Internationale Abhängigkeiten in der Versorgungslogistik könnten dennoch zu erheblichen Verzögerungen führen. Bis eine annähernd gewohnte Normalität eintritt, werden wahrscheinlich Monate vergehen (z. B. Tierhaltung).

Alexander: Wie habt ihr euch denn persönlich auf dieses Szenario vorbereitet?

Ivo: Als Familienvater bin ich hier besonders in der Verantwortung, denn wenn ich nicht die Sicherheit meiner Familie in solch einem Szenario gewährleisten kann, wird es auch nicht möglich sein sich auf die berufliche Bewältigung eines solchen Ereignisses zu konzentrieren. Daher wurden in der Familie diverse Szenarien besprochen, die es erforderlich machen rasch und richtig zu reagieren. Jedes Familienmitglied weiß in welcher Reihenfolge wer zu informieren ist, welche Infos weitergegeben werden und welche Maßnahmen zu treffen sind, um keine Panik entstehen zu lassen. Durch mediale Ereignisse, wie z.B. der Brand von Notre-Dame, wird das besprochene familienintern wiederholt und in Erinnerung gerufen.

Herbert: Ich habe entsprechende Lebensmittel- und Wasservorräte eingelagert, um rund ein Monat über die Runden zu kommen. Wasser natürlich deutlich weniger, aber für ein, zwei Wochen sollte man zur Sicherheit auch Trinkwasser vorrätig haben. Zudem habe ich einen „Fluchtort“ vorbereitet, um die Stadt zu verlassen. Das funktioniert nur, wenn man am Land jemanden kennt, mit dem man sich gemeinsam vorbereitet.

Alexander: Und was bedeutet das für Unternehmen und auch für Vermieter?

Ivo: Da Unternehmen gegenüber seinen Mitarbeitern eine entsprechende Fürsorgepflicht haben, sollten sich die Entscheidungsträger auch darüber Gedanken machen, wie sie in solch einer Situation reagieren. Also, woher holt mach sich Informationen (z.B. Radio, Fernsehen, etc.) welche Maßnahmen sind firmenintern zu treffen (werden die Mitarbeiter sofort nach Hause geschickt oder wartet man ab, etc.). Und wer ist wofür zuständig (können firmeninterne Präventivkräfte wie Brandschutzbeauftragter, Sicherheitsfachkraft, etc. dazu herangezogen werden, oder löst man das anders). Um Notfallszenarien abwägen zu können eignet sich z.B. die Erstellung einer Risikoanalyse, die schon wegen der DSGVO durchzuführen ist.

Vermieter sind dazu angehalten dafür zu sorgen, dass z.B. bei einem im Objekt vorhandenen Notstromaggregat immer ausreichend Diesel enthalten ist, um eine Notstromversorgung zu gewährleisten. Auch ist dafür zu sorgen, dass in einer Notsituation (denn ein Blackout ist emotional eine Notsituation) prozesstechnisch alles so aufgestellt ist, dass kein Personenschaden durch eine Panikreaktion der Gebäudenutzer entsteht. Hat hier der Vermieter vorgesorgt, kann man ihm keine Fahrlässigkeit vorwerfen.

 Herbert: Bei Unternehmen geht es vor allem darum, beim Herunterfahren möglichst wenig Schäden davonzutragen. Das heißt, ich muss wissen, welche Bereiche kritisch werden könnten und welche Maßnahmen bis wann notwendig sind, um diese zu verhindern oder zu minimieren. Im Immobilienbereich geht es etwa auch um in Aufzug eingeschlossene Personen. Oder wenn es private Hebeanlagen gibt, was dann mit den Abwässern passiert. Brandschutz ist natürlich auch ein Thema. Zum anderen sollte man sich überlegen, ab wann es erst wirklich wieder Sinn macht, einen Betrieb aufzunehmen. Denn wenn rundherum nichts funktioniert, wird das kaum sinnvoll sein, nur weil der Strom da ist.

Alexander: Gilt es hier konkrete Maßnahmen zu setzen?

Ivo: Die Erstellung einer Risikoanalyse samt Definition von Schutzzielen wäre als erste präventive Maßnahme zu nennen. Aufgrund der Ergebnisse dieser Analyse sind dann wahrscheinlich auch entsprechende organisatorische Maßnahmen im Unternehmen/Gebäude erforderlich, die im Übrigen auch regelmäßig geübt werden sollten. Damit hat man dann eine gute Argumentation wenn doch etwas passieren sollte, weil man ja schon etwas getan hat, statt sich tatenlos auf Behörden, Einsatzorganisationen, etc. zu verlassen.

Herbert: Definitiv! Wie gesagt, kurzfristig geht es um die Minimierung von potentiellen Schäden. Mittelfristig sollten wir überlegen, welche Maßnahmen wir in der Planung und Realisierung setzen können, um unsere Infrastrukturen wieder robuster zu gestalten, damit ein solcher Ausfall nicht zu einem Totalschaden führen kann. Zum anderen gilt für alle Bereiche die persönliche Vorsorge als das um und auf. Denn wenn das Personal zu Hause ein Problem hat, dann wird es nicht für betriebliche Aufgaben zur Verfügung stehen. Das betrifft dann vor allem die Zeit des Wiederanlaufes, bis eine Versorgung mit lebenswichtigen Gütern wieder halbwegs funktioniert. Und das kann Wochen dauern. Daher sollte sich jeder zumindest zwei Wochen selbst ausreichend mit Lebensmittel und allfällig notwendigen Medikamente versorgen können.

Zum anderen geht es vor allem um Kommunikation und die Sichtbarmachung der vielschichtigen Abhängigkeiten, die wir im Alltag nicht wahrnehmen, weil eh alles funktioniert. Wenn das aber einmal zum Stillstand kommt, müssen wir wissen, wie und in welcher Reihenfolge wir wieder in eine Normalität zurück kommen. Und zum anderen zeigt sich in der Praxis immer wieder, dass es auf viele Kleinigkeiten ankommt. Da kommt man oft erst drauf, wenn man sich austauscht und gemeinsam über das Thema nachdenkt und diskutiert.

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