Damit Smartphones und Handys nachhaltiger werden, müssen Hersteller ihr Produktdesign ändern
Alexander Ghezzo: Warum liegt Ihnen das Thema Kreislaufwirtschaft am Herzen und welchen Zugang haben Sie zu dem Thema?
Nicole Daschner: Im Vergleich zu vielen anderen Nachhaltigkeitsthemen ist die Kreislaufwirtschaft im Moment noch etwas unterrepräsentiert. Dies lässt sich hauptsächlich auf die immense Komplexität zurückführen, die Unternehmen bewältigen müssen, um ihr gesamtes Geschäftsmodell oder Produkt in diese Richtung zu transformieren. Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, das Konzept der Kreislaufwirtschaft in ihrer Praxis konsequent umzusetzen.
Kreislaufwirtschaft ist ein Thema von zentraler Bedeutung für Nachhaltigkeit generell, da Bereiche wie Biodiversität, Emissionen und Rohstoffknappheit in erheblichem Maße beeinflusst werden. Die Kombination dieser beiden Aspekte macht das Thema so interessant und wichtig.
Alexander Ghezzo: Auf welche Projekte in Ihrem Unternehmen sind Sie besonders stolz?
Nicole Daschner: Ich bin besonders stolz, wenn ich die konkreten Auswirkungen unseres Services sowie den Mindset-Shift bei unseren Kundinnen und Kunden beobachte.
Im Jahr 2022 konnten beispielsweise 98 Prozent aller zurückgegebenen Geräte refurbisht und wiederverwendet werden, während nur 2 Prozent recycelt wurden. Mit diesem hohen Prozentsatz an refurbishten Geräten verlängern wir den Lebenszyklus der Geräte erheblich.
In Bezug auf den Mindset-Shift bemerken wir, dass as-a-Service-Modelle generell zu einer Veränderung in Richtung hin zu mehr Zirkularität beitragen. Bei den Unternehmen wird Abstand genommen vom „Take-Make-Waste“-Prinzip hin zu einer zirkulären Lösung. Außerdem kommen die Endnutzer*innen durch unseren Service unmittelbar mit dem Thema „Circular Economy“ in Berührung, was das Bewusstsein für das Thema und dessen Wichtigkeit erhöht. Auch intern setzen wir uns mit der Kreislaufwirtschaft auseinander. So wurde z. B. ein Corporate-Volunteering zum Clean-Up-Day organisiert, es finden Workshops für Teams statt sowie verschiedene Kooperationen mit der Wissenschaft und anderen Unternehmen, um das Thema weiter zu gestalten.
Alexander Ghezzo: Sie setzen bereits viele konkrete Dinge in Richtung Kreislaufwirtschaft um. Welche Ziele und Maßnahmen planen Sie in den nächsten Jahren noch umzusetzen und wo sehen Sie die größten Hebel in Ihrer Branche?
Nicole Daschner: Smartphones und Tablets sind im Moment noch nicht nachhaltig per se, wobei der mit Abstand größte Teil der Emissionen auf die Produktion entfällt. Um einen Wandel in der Branche herbeizuführen, müssen die Hersteller ihr Produktdesign verändern und es muss sich gleichzeitig die Wahrnehmung und die Nutzung der Geräte verändern – weg von der Idee, immer das neueste Gerät besitzen zu wollen.
Zum einen wollen wir in den nächsten Jahren unsere Fähigkeit als Berater der Kundinnen und Kunden für einen nachhaltigen Einsatz von mobilen Endgeräten ausbauen. Zum anderen wollen wir unseren Anteil an „refurbished“-Geräten erhöhen, um mehr Geräten einen zweiten Lebenszyklus innerhalb des Everphone-Services zu ermöglichen.
Wir haben auch weitere konkrete Ziele, wie die komplette Vermeidung von Plastik in unseren Verpackungen bis 2024. Diese Ziele halten wir in unserem Nachhaltigkeitsreporting fest, welches sich an dem GRI-Standard orientiert. Dies sehen wir als eine Chance, den Stand unseres Unternehmens festzuhalten und transparent nach außen zu kommunizieren.
Alexander Ghezzo: Wie beurteilen Sie die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen? Und wie herausfordernd würden Sie die Umsetzung dieser in einem Unternehmen Ihrer Größe beschreiben? Was sind hierbei die größten Hürden?
Nicole Daschner: Wir begrüßen die meisten Regulierungen. Nur diese bringen viele Unternehmen dazu, umzudenken. Darüber hinaus glauben wir, dass die Regulierung notwendig ist: Es bringt nichts, wenn es keine Incentivierung für die Umsetzung wirklich nachhaltiger Projekte gibt und nur mit Nachhaltigkeitsfloskeln um sich geworfen wird. Wir haben unser ESG-Managment recht frühzeitig aufgebaut und schon letztes Jahr einen Nachhaltigkeitsbericht geschrieben. Damit sind wir jetzt schon gut aufgestellt.
Als Herausforderung sehen wir die Komplexität der Regulierungen und die damit einhergehende Schwierigkeit, diese zu verstehen, vor allem als kleineres Unternehmen ohne ein großes Nachhaltigkeitsteam. Hilfreich wären „Nutzungshandbücher“ von der EU oder anderen Institutionen, um bei der Umsetzung zu unterstützen.
Alexander Ghezzo: Mit der steigenden Bedeutung von Nachhaltigkeit in Unternehmen steigt auch die Gefahr von Green Washing. Welche Maßnahmen nutzen Sie zur Vermeidung und Aufklärung Ihrer Kund*innen? Wie können wir die Branche generell weniger anfällig für Green Washing machen?
Nicole Daschner: Bei Everphone setzen wir auf Transparenz gegenüber den Kundinnen und Kunden, auf die Schaffung eines Standards zur Messung der Evidenz bezüglich unseres Services sowie klare Kommunikationsrichtlinien. Darin sehen wir auch den wichtigsten Punkt für die gesamte Branche. Es muss für Kundinnen und Kunden transparent gemacht werden, wie sich die längere Nutzung von Geräten, die Nutzung von „refurbished“-Geräten oder Device-as-a-Service konkret in Form von CO2-Einsparungen oder anderen Faktoren auswirkt. Im Moment berechnet jedes Unternehmen das mit einer eigenen Methodik, deswegen versuchen wir hier mit einem Verbund an Unternehmen und der Wissenschaft einen Standard zu etablieren.
Da die Frage der genügenden Nachhaltigkeit in Unternehmen einem konstanten Wandel unterzogen ist, sehen wir eine Erfolgsstrategie darin, die gestalterische Umsetzung in die eigene Hand zu nehmen und Industrie- und generelle Standards selbst zu schaffen.
Fotos und Grafik mit freundlicher Genehmigung von Everphone