Digitalisierung und Nachhaltigkeit gehören zusammen. So kann man nur durch KI und Big Data komplexe Produktkreisläufe und Lieferketten transparent machen, durch moderne Sensorik Verbräuche messen und regulieren und durch BIM ein Gebäude kreislauffähig machen. In der Theorie schlüssig, in der Praxis noch weit weg. Um Theorie zur gelebten Praxis zu machen, braucht es einfach Handhabung und Leute die bereit sind über den Tellerrand zu blicken. Das Team von XΞOMΞTRIC ist deshalb nicht nur ständig dabei ihre BIM Software in diese Richtung weiterzuentwickeln. Man beteiligt sich auch an Arbeitskreisen der ÖGNI zum Thema Kreislaufwirtschaft. Wir haben deswegen mit Philipp Gattringer dazu gesprochen um genauer zu erfahren, wie circular economy und BIM zusammenhängen.
Alexander Ghezzo: Was hat BIM mit Kreislaufwirtschaft zu tun?
Philipp Gattringer: Building Information Modelling (BIM) ist eine Methode zur ganzheitlichen Planung, Ausführung und Bewirtschaftung eines Bauprojekts und bildet einen Prozess ab, wo alle Beteiligten auf Basis einer gemeinsamen Informations- und Datenbasis, dem BIM-Modell, zusammenarbeiten, um eine effiziente und nachhaltige Umsetzung als Gemeinschaftsprojekt sicherzustellen.
In der Kreislaufwirtschaft werden Materialien und Produkte in ihrer Gesamtheit von Produktion über Nutzung bis zum Recycling bzw. Entsorgung betrachtet. Dabei sollen der Lebenszyklus eines Objekts und seiner Teile auf das maximale Potenzial ausgedehnt werden, um somit nachhaltiger mit globalen Ressourcen zu wirtschaften.
Diese Nachhaltigkeitsaspekte bzw. -informationen, wie Ressourcenoptimierung und Wiederverwendbarkeit von Materialien und Produkten, können in einem BIM-Modell abgebildet werden.
Alexander Ghezzo: Viel ist dabei ja noch Zukunftsmusik. Was motiviert Euch bei dem Thema?
Philipp Gattringer: Auch wenn das Thema BIM und Kreislaufwirtschaft noch in einem zu geringen Ausmaß in der Praxis angewendet wird, ist kritisch zu betrachten, dass die Herstellung von Materialien, die täglich verwendet und häufig danach einfach entsorgt werden, derzeit etwa 45% aller Treibhausgasemissionen verursachen. Diese Zahl motiviert uns, dass wir in unserem Softwareprodukt ELITECAD den Anwendern die Möglichkeit bieten das Thema Kreislaufwirtschaft auf Basis des openBIM-Prozesses darzustellen. Die Basis für die Bewertung der Kreislaufwirtschaft eines Gebäudes stellt für uns eindeutig ein intelligentes digitales Gebäudemodell dar. Seit Jahren können unsere Anwender auf Knopfdruck die Mengen der verbauten Materialien ermitteln. Der Mehrwert entsteht durch die Wartung eines digitalen Modells über den gesamten Lebenszyklus. Somit steht den ELITECAD-Anwendern die Möglichkeit der effizienten Umbauplanung zur Verfügung, wo optisch die verschiedenen Umbaustadien, Abbruch-Bestand-Neubau, dargestellt werden können. Um die Aspekte des kreislauffähigen Bauens darzustellen, können diese Informationen als Bauteileigenschaften im BIM-Modell definiert werden, ELITECAD bietet hierfür die Attributierung an.
Alexander Ghezzo: BIM könnte ja eine Antwort sein auf die vielen Herausforderungen in Sachen Logistik, Bauqualität, Rohstoffe sparen. Trotzdem setzt es sich nur langsam durch. Warum?
Philipp Gattringer: Oft ist es nur der erste Schritt, den ein Unternehmen machen muss, um BIM in den Planungsprozess zu integrieren. Viele Unternehmen sehen derzeit noch nicht den Vorteil, BIM in deren Arbeitsprozess zu integrieren. Auch die fehlende optimale Informationsvermittlung und die notwendigen Produkte für ein effizientes und kollaboratives Zusammenarbeiten mittels Schnittstellenmanagement im openBIM-Prozess verursacht ein langsames Durchsetzen von Building Information Modelling in der Unternehmenspraxis.
Alexander Ghezzo: Was empfiehlst Du Planern, Architekten, Bauherren, Investoren, Betreibern um sich dem Thema BIM anzunähern?
Philipp Gattringer: Auch wenn die branchenweite Umsetzung von BIM noch in den Kinderschuhen steckt, muss jeder Einzelne individuell auch den ersten Schritt tätigen, damit BIM zukünftig vollkommen in die Branche integriert wird. Und mit dem intelligenten Werkzeug wie ELITECAD kann BIM und das Thema der Kreislaufwirtschaft schon in der Planung schnell-einfach-effizient umgesetzt werden. Komplexe Prozesse können somit effizient und leicht bedienbar von den Anwendern gelöst werden.
Alexander Ghezzo: Wie beschäftigt Ihr Euch selbst im eigenen Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit?
Philipp Gattringer: Mit unseren Technologien gestalten wir aktiv und nachhaltig die CAD- und Konstruktionsbranche. Wir leben Innovation und bieten unseren Kunden dadurch hochmoderne Werkzeuge, die sie mit umfangreichen intelligenten Funktionen, größter Gestaltungsfreiheit und besonderer Benutzerfreundlichkeit unterstützen. Effizienz und Freude an der täglichen Arbeit gehen Hand in Hand mit unserer Software.
Zusätzlich engagieren wir uns zum Thema der Nachhaltigkeit auf Basis unseres Produktes ELITECAD und unserem Wissen in diversen Arbeitsgruppen, wie zum Beispiel an der vergangenen ÖGNI-Arbeitsgruppe zum Thema Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung.
Alexander Ghezzo: Wie siehst Du die Zukunft? Wird Metaverse, digitaler Zwilling und Virtualisierung noch viel stärker Teil des Alltags?
Philipp Gattringer: Auf alle Fälle wird BIM und das Thema Kreislaufwirtschaft zukünftig viel stärker Teil des Alltags in der Baubranche. Einerseits werden die Unternehmen den Vorteil von BIM in der Schnelligkeit und Effizient bei der Planung und Abwicklung von Bauprojekten erkennen. Andererseits werden viele Unternehmen aufgrund von nationalen und internationalen Verordnungen und Richtlinien nicht mehr an der Anwendung von BIM vorbeikommen. Denn in einem digitalen Zwilling können alle notwendigen Informationen integriert und auch bei ständiger Wartung jederzeit auf schnelle und einfache Weise wieder gefunden werden.
Beispiel hierfür – Im Zuge des Green Deal wurde die EU Verordnung 2020/852 zur Taxonomie erlassen, die es erfordert den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit von Investitionen nachzuweisen. Dies hat ab 2022 verpflichtend zu erfolgen und trifft vor allem die Bauwirtschaft. Erklärtes Ziel ist es, die Wiederverwendung von Baustoffen zu fördern. Als Grundlage dafür muss künftig für Gebäude ein Bericht über die Taxonomie-Konformität erstellt werden, der Auskunft über die Recyclingfähigkeit der verwendeten Materialien und Baustoffe gibt. Die Zukunftsvision ist ein digitaler Kataster mit Informationen über verfügbare Baustoffe in der Umgebung – die Gebäude von heute werden zu den Materiallagern von morgen.
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