Unternehmen müssen jetzt klar priorisieren, wo sie "best in class" sein wollen

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Fachkräftemangel, steigende Business-Herausforderungen und das Bedürfnis nach besser Work-Life-Balance stellen Führungskräfte - zusätzlich zur schwierigen Wirtschaftslage - vor massive Herausforderungen. Gudrun Ghezzo, MBA und Geschäftsführerin Ghezzo GmbH, spricht im Interview darüber, wie man diesen schwierigen Zeiten als Führungskraft gerecht werden kann und worauf es jetzt zur Wahrung der eigenen Resilienz zu achten gilt.

Alexander Ghezzo: Die Zahl der Insolvenzen steigt. Auf der anderen Seite ist der Arbeitsmarkt von Fachkräftemangel und Neuer Arbeitswelt geprägt. Was bedeutet das für Unternehmen 2024?

Gudrun Ghezzo: Dass sich alle, egal wie erfolgreich, fragen müssen, ob ihr Business Modell sie wirklich über die nächsten Jahre trägt. Meiner Meinung nach müssen Unternehmen auch klar priorisieren, wo sie best in class sein wollen und sich darauf fokussieren. Wollen wir ein TOP beliebter Arbeitgeber sein, und ist das okay wenn es auf Kosten von Gewinn und Umsatzrendite geht? Wollen wir die Arbeitsplätze sichern und uns auf Profitabilität fokussieren?

Führungskräfte müssen sowieso ständig die Balance halten zwischen „das Business führen“ und „die Menschen führen“. Nichts darf vernachlässigt werden. Ich bin aber der Meinung, dass für viele der Fokus nächstes Jahr auf dem Business-Erfolg liegen wird müssen.

In manchen Branchen wird es auch notwendig sein, sich nicht auf EIN Businessmodell einzuschränken, sondern auch hier stärker in Szenarien zu denken.

Alexander Ghezzo: Stress, Burnout, explodierende Krankenstände: Wie können Führungskräfte entgegenwirken?

Gudrun Ghezzo: Zunächst mal bei der eigenen Resilienz. Da fängt es an. Viel zu wenig Führungskräfte nehmen sich Zeit dafür. Viel zu viele Führungskräfte haben in den letzten beiden Jahren die steigenden Business-Herausforderungen und die wachsenden Bedürfnisse für eine bessere Work-Life-Balance des Teams rein durch verstärkten persönlichen Einsatz kompensiert, das geht nicht lange gut. Und im nächsten Schritt muss auch die Resilienz des Teams und der Einzelpersonen immer wieder gestärkt werden. Leider ist das mit der Resilienz so eine Sache… sie braucht sich über die Zeit auf und wir müssen dem Thema ständig Aufmerksamkeit geben.

Und noch was … da oben steht „Resilienz des Teams“: JA, auch die muss man bewusst gestalten!

Alexander Ghezzo: Hast Du Tipps für Leader für den Start ins neue Jahr?

Gudrun Ghezzo: Ich finde, jede*r sollte sich regelmäßig folgende Fragen stellen – das passt auch ganz gut in die Zeit um den Jahreswechsel, den viele für eine Art „innere Inventur“ verwenden:

  • Was macht mir Freude? Finden diese Dinge in meinem Alltag Platz?
  • Was sind meine Talente? Bringe in diese in meinem Alltag zur Wirkung?
  • Was sind meine Werte? Spiegeln sich diese in meinem Verhalten wider und ist das wertgeschätzt?

Und für das Business kann man noch folgende Frage anhängen:

  • Was macht uns erfolgreich? Tun wir ausreichend dafür und haben wir die passenden Kompetenzen?
Alexander Ghezzo: In Zeiten von Fachkräftemangel wir Inklusion nicht nur zum ethischen sondern auch zum ökonomischen Themen. Wo sind Hindernisse? Was kann man tun? Wie kann man das Thema strategisch angehen?

Gudrun Ghezzo: Das Thema ist für viele Führungskräfte, die NICHT in einer gemeinnützigen oder sozialen Einrichtung arbeiten, tatsächlich noch etwas exotisch. Viele wissen gar nicht, wie sie sich diesem Thema nähern sollen. Tatsächlich kann man damit beginnen, sich das Wort BARRIEREREI herzunehmen und zu fragen, welche Jobs mit welchen Barrieren ausgestattet sind. Barrierefreiheit ist nicht (nur) auf die Raumausstattung bezogen. Viel wichtiger sind die Barrieren, die wir schon bei Jobausschreibungen einbauen, die jeder Job im Unternehmen mit sich bringt, und hier muss man sich überlegen, welche Rolle im eigenen Unternehmen ist denn aktuell von welchen Barrieren gekennzeichnet (körperliche, kognitive, geistige, mentale Hürden, denen nicht jede*r gewachsen ist). Und dann kann man zusehen, wie man diese Barrieren Stück für Stück abbaut. Ganz barrierefrei in diesem Sinne wird es nie werden, aber wenn die Hürden niedriger sind, kommen schon mehr Menschen drüber 😊

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