Um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen ist sowohl Eigeninitiative als auch die Vorgabe gesetzlicher Regeln notwendig

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Robert Hermann, Geschäftsführer von TÜV Süd im Rahmen der CTC-Awardverleihung über die österreichische Industrie am Weg zur Klimaneutralität, sein spannendstes Projekt in letzter Zeit und warum der TÜV SÜD unverzichtbar als Partner in Nachhaltigkeitsprojekten ist.

Alexander Ghezzo: Wie erlebst du die österreichische Industrie auf ihrem Weg zur Klimaneutralität sowie auf ihrem Weg, unsere sportlichen Klimaziele einzuhalten?

Robert Hermann: In Folge kommender Reporting-Regeln, wie beispielsweise dem Deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, entsteht innerhalb der gesamten Branche mehr Druck. Große Industriebetriebe haben viele Aufgaben an kleinere, spezialisierte Unternehmen ausgelagert. Aufgrund der neuen Reporting-Standards stehen diese immer mehr in der Pflicht, ihre Nachhaltigkeitsanstrengungen zu forcieren. Sie müssen beispielsweise immer mehr Daten zu ökologischen Auswirkungen ihrer Tätigkeiten nachweisen und stehen dadurch auch stärker in der Verantwortung, konkrete Fortschritte im Sinne von Nachhaltigkeit und Klimaneutralität zu erreichen.

Insgesamt betrachtet sind Österreichs Industriebetriebe auf einem guten, erfolgreichen Weg in eine grünere Zukunft. Für entsprechende Investitionen für weitere Verbesserungen benötigen Unternehmen jedoch vor allem Planungssicherheit. Für umfassende Dekarbonisierung gilt es deshalb umso mehr geeignete und verlässliche Mechanismen für Unternehmen unterschiedlicher Größe zu etablieren. Planungssicherheit ist ein entscheidender Faktor für eine wirtschaftlich, sozial und ökologisch sinnvolle Transformation der heimischen Industrie hin zu möglichst klimaneutralen Wertschöpfungskreisläufen.

Alexander Ghezzo: Sind deiner Erfahrung nach eher die Legislative oder die Eigeninitiative Treiber zu mehr Nachhaltigkeit?

Robert Hermann: Um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen ist sowohl Eigeninitiative als auch die Vorgabe gesetzlicher Regeln notwendig. Ein ausgewogenes Zusammenspiel beider Treiber ist entscheidend. Das liegt daran, dass sich die Frage der Nachhaltigkeitsaktivitäten entlang zweier Pole bewegt: Einige Unternehmen handeln proaktiv. Ziel ist, nachhaltiger zu werden und bessere Voraussetzungen für zukünftige Generationen zu schaffen, indem ökologisch und sozial nachteilige Effekte der betrieblichen Tätigkeit minimiert werden. Das stärkt bei zunehmendem Umweltbewusstsein von Stakeholdern und in der Bevölkerung auch die Reputation. Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen, die auf den Druck von außen warten. Für diese setzen gesetzliche Initiativen wie der EU Green Deal Standards und verpflichten zu detaillierter Auskunft zur ökologischen Bilanz.

Es ist in dem Zusammenhang wichtig zu erwähnen, dass eine Transformation im Sinne der Nachhaltigkeit auch Risiken birgt – von Investitionskosten über Fragen der Versorgungssicherheit und Knappheit von Rohstoffen bis hin zum Lieferkettenmanagement. Was die Praxis jedoch auch zeigt: Unternehmen mit einem proaktiven Ansatz begegnen diesen Risiken frühzeitiger und können dadurch auch gezielter Lösungen entwickeln und etablieren, die den Weg in eine grüne Zukunft fördern.

Alexander Ghezzo: Was war das spannendste Projekt, das du in letzter Zeit begleitet hast, und von dem du uns erzählen darfst?

Robert Hermann: Es fällt mir schwer, hier ein Projekt hervorzuheben. Denn kein Projekt gleicht dem anderen und jede Aufgabe birgt spezielle Herausforderungen, deren Lösung für das gesamte Team und mich persönlich täglicher Ansporn ist. Ganz besonders spannend sind für mich Projekte mit dem Ziel, Stoffkreisläufe im Sinne der Circular Economy zu schließen und die in der Gewinnung von qualitativ hochwertigen Sekundärrohstoffen resultieren. Aber nicht nur Großprojekte haben besonderen Reiz. Wir sind auch für kleinere, innovative Unternehmen aktiv, die im Sinne der Nachhaltigkeit Verbesserungen erreichen wollen. Ein solches Projekt der jüngeren Vergangenheit war die Nachhaltigkeitsbewertung eines österreichischen Unternehmens mit rund 40 Mitarbeiter:innen. Dieser Betrieb erzeugt Produkte, die hochspezialisiert sind und folglich komplexe Lieferketten erfordern. Der Blick auf die komplexen Lieferketten hat gezeigt, dass auch bei einem vergleichsweise kleinen und lokal operierenden Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit Risiken entstehen können. Ein wichtiger und positiver Erkenntnispunkt dabei war, dass durch umsichtige Planung mit Fokus auf Nachhaltigkeit eben diese Risiken reduziert werden können und durch konkrete Maßnahmen konkrete Fortschritte erzielt werden.

Alexander Ghezzo: Was macht den TÜV SÜD zu einem unverzichtbaren Partner in Nachhaltigkeitsprojekten?

Robert Hermann: TÜV SÜD beschäftigt weltweit rund 26.000 Mitarbeiter:innen aus unterschiedlichen Fachbereichen und Disziplinen. Die Zusammenarbeit internationaler Expert:innen über Ländergrenzen und Fachbereiche hinweg schafft ein wohl einzigartiges Kompetenznetzwerk. Unser Team besteht aus Mitarbeiter:innen mit unterschiedlichsten Hintergründen, Erfahrungen und Fähigkeiten.

Das ermöglicht uns, interdisziplinäre und häufig mehrsprachige Teams zusammenzustellen und bei sämtlichen Projekten – in Bereichen wie Gebäude, Energie, Abfall, Corporate Social Responsibility oder Biodiversität – höchste Qualitätsstandards zu erfüllen. Diese fachübergreifende Zusammenarbeit gewährleistet nicht nur herausragende Ergebnisse, sondern sorgt auch für maximale Effizienz im gesamten Arbeitsprozess, da TÜV SÜD als Single Point of Contact agiert. Das macht TÜV SÜD zu einem starken Partner bei Nachhaltigkeitsprojekten, wo wir die Anforderungen und Herausforderungen unserer globalen Kunden auf innovative und effektive Weise bewältigen.

Alexander Ghezzo: Du engagierst dich ja auch als Juror bei unserem CTC Award. Was hat dich dazu bewogen, mitzumachen?

Robert Hermann: Als Juror beim CTC Award wird mir die besondere Ehre zu Teil, spannende Einreichungen und Innovationen im Bereich der Kreislaufwirtschaft kennenlernen und bewerten zu dürfen. Nach so vielen Jahren, in denen ich mich intensiv mit dem Thema beschäftige, bin ich von der Vielzahl an Start-Ups und Unternehmen, die sich intensiv mit Kreislaufwirtschaft befassen, begeistert.

Für mich ist die Circular Economy von entscheidender Bedeutung, um ressourcenschonend und umweltfreundlich zu handeln – davon werden wir auf lange Sicht alle profitieren und das sind wir kommenden Generationen auch schuldig. Daher engagiere ich mich als Juror gerne, um die Bemühungen von Unternehmen und Start-ups zu würdigen, die dazu beitragen, die heimische Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten und fit für die Zukunft zu machen.

Alexander Ghezzo: Warum ist dir persönlich Nachhaltigkeit eine Herzensangelegenheit? Und denkst du, wir schaffen den Turnaround?

Robert Hermann: Nachhaltigkeit hat für mich persönlich oberste Priorität, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass wir den notwendigen Turnaround schaffen können, wenn wir jetzt mit voller Kraft vorangehen. Wir haben schlichtweg eine Verpflichtung unserem Planeten Erde, unseren Kindern und den kommenden Generationen gegenüber. Es liegt in unserer Verantwortung, sicherzustellen, dass wir ihnen einen lebenswerten Planeten hinterlassen. Mir ist absolut bewusst, dass Veränderungen nicht immer einfach oder bequem sind. Wer möchte schon nach jahrzehntelanger Gewohnheit seine Routinen ändern und dafür vielleicht auch noch mehr bezahlen?

Dennoch sind diese Veränderungen von entscheidender Bedeutung. In Österreich und vielen anderen Teilen der Welt erleben wir einen Wandel, der nicht immer ohne Widerstand vonstattengeht. Ein gutes Beispiel ist der Verzicht auf das Auto, der für viele mit Herausforderungen verbunden ist. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass dieser Wandel notwendig und wichtig ist. Unsere Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen erfordert entschlossenes Handeln und einen entschiedenen Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft.

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