Die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Recycling-Wirtschaft werden bei Weitem noch nicht ausgeschöpft

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Wir haben Brigitte Reich von SECONTRADE im Rahmen der CTC-Awardverleihung zu Kreislaufwirtschaft, der steigenden Bedeutung von Nachhaltigkeit und wie wir die Branche weniger anfällig gegen Greenwashing machen, befragt.

Alexander Ghezzo: Warum liegt Ihnen das Thema Kreislaufwirtschaft am Herzen und welchen Zugang haben Sie zu dem Thema?

Brigitte Reich: UFH als Initiator der Plattform und Mutter der Secontrade GmbH hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Sammlung und Verwertung von Abfällen. Durch die im Jahr 2009 in Betrieb genommene Kühlgeräte-Recyclinganlage „UFH RE-cycling“ hat das Unternehmen sein Know-how im Bereich „Angebot und Nachfrage von Sekundär-Rohstoffen“ entscheidend erweitert – und dabei festgestellt, dass die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters in der Recycling-Wirtschaft bei weitem noch nicht ausgeschöpft werden. Nach Rücksprache mit Anbieter:innen und Abnehmern:innen von Sekundär-Rohstoffen wurde schnell klar, dass es im europäischen Raum noch keine digitale Lösung für nachhaltigen Rohstoffhandel gab. Sekundär-Rohstoffe wurden und werden immer noch per Telefon oder per Mail bei den für die Unternehmen bekannten Partnern:innen gehandelt. Mit dem Marktplatz SECONTRADE bieten wir eine digitale Schnittstelle zwischen denjenigen die Sekundär-Rohstoffe produzieren und denjenigen die Sekundär-Ressourcen in der Produktion von neuen Gütern wiedereinsetzen und schließen damit den Kreislauf des Lebenszyklus unserer Ressourcen.

Alexander Ghezzo: Auf welche Projekte in Ihrem Unternehmen sind Sie besonders stolz?

Brigitte Reich: Nachdem wir unseren Markplatz im Bereich Elektro-Recycling gestartet haben, sind wir stolz das Angebot 2022 auch für Biogene Reststoffe, Holzabfälle und Baurestmassen erweitert zu haben. Neben den Vorteilen für Unternehmen schafft der Einsatz von Sekundär-Rohstoffen positive Effekte für die Umwelt. Baurohstoffe und Biomasse tragen am meisten zum österreichischen Ressourcenverbrauch bei, daher ist es hier besonders wichtig künftig auf Sekundär-Rohstoffe zurückzugreifen, um die Versorgung aufrechterhalten sowie Energie einsparen zu können.
Sekundär-Materialien hier im Kreis zu führen und wenn möglich einer höherwertigen Verwertung zuzuführen ist ein großer Hebel. Speziell die Kreislaufführung nachwachsender Rohstoffe trägt zum Erhalt der Biodiversität bei und sorgt für die Erschließung alternativer, kohlenstoffarmer Energie- und Rohstoffquellen in Europa. Daher freut es uns, mit SECONTRADE auch für diese Branchen eine entsprechende Dienstleistung anbieten zu können.

Alexander Ghezzo: Sie setzen bereits viele konkrete Dinge in Richtung Kreislaufwirtschaft um. Welche Ziele und Maßnahmen planen Sie in den nächsten Jahren noch umzusetzen und wo sehen Sie die größten Hebel in Ihrer Branche?

Brigitte Reich: Im Jahr 2022 haben wir einen Refresh der Website durchgeführt und im Zuge dessen weitere Fraktionen an Rohstoffen in unser Portfolio aufgenommen. So können nun auch biogene Reststoffe, Baurestmassen sowie Holzabfälle über die Plattform gehandelt werden. Besonders bei den biogenen Reststoffen ist uns wichtig, dass diese regional angeboten und erworben werden können, damit das maximale Potenzial des Sekundär-Rohstoffes herausgeholt werden kann. Dafür sind wir bereits mit mehreren Partner:innen der österreichischen Circular Economy vernetzt, um ihnen auch eine digitale Lösung für die regionale Förderung der Bioökonomie anbieten zu können. Wir sehen ein großes Potenzial besonders bei biogenen Reststoffen, da hier ein besonders hohes Forschungsinteresse liegt und die Möglichkeiten für den Handeln aktuell noch sehr klein gehalten sind. In Bezug auf die Nachhaltigkeit und um das Durchbrechen der linearen Produktions- und Verbrauchsmuster zu fördern haben wir zum Ziel ebenfalls textile Abfälle auf unserer Online-Handelsplattform anbieten. Dies ist allerdings noch im Prozess der Entwicklung und stark abhängig von den kommenden rechtlichen Entwicklungen sowohl innerhalb Österreichs als auch in der EU.

Alexander Ghezzo: Wie beurteilen Sie die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen? Und wie herausfordernd würden Sie die Umsetzung dieser in einem Unternehmen Ihrer Größe beschreiben? Was sind hierbei die größten Hürden?

Brigitte Reich: Die aktuellen und künftigen Rahmenbedingungen sehen bereits diverse Vorgaben vor, wie etwa die Einführung materialspezifischer Mindestanteile von Recyclingbaustoffen. Um eine entsprechende Qualität sicherzustellen, sind entsprechende Normen und Standards sehr hilfreich, sie können aber auch etwaigen Bedenken von Abnehmern früh entgegenwirken. Finanzielle Anreize für Sekundär-Rohstoffe können sicherlich einen weiteren Schub bewirken, denn oft ist der finanzielle Vorteil von Primär-Rohstoffen noch sehr groß.
Die größte Hürde für das Funktionieren von Sekundär-Rohstoffmärkten sind unserer Einschätzung nach einerseits die Qualität und Quantität der verfügbaren Sekundär-Rohstoffe und andererseits natürlich der Preis im Vergleich zu Primär-Rohstoffen.

Alexander Ghezzo: Mit der steigenden Bedeutung von Nachhaltigkeit in Unternehmen steigt auch die Gefahr von Green Washing. Welche Maßnahmen nutzen Sie zur Vermeidung und Aufklärung Ihrer Kund*innen? Wie können wir die Branche generell weniger anfällig für Green Washing machen?

Brigitte Reich: Mit unserem digitalen Marktplatz bieten wir eine einfache und effiziente Lösung, um Sekundär-Materialien und Reststoffe einfach und schnell dem Markt wieder zuzuführen. Wir bieten diesen Wertstoffen eine Bühne und ermöglichen es so auch ganz neuen Abnehmern an diese Ressourcen zu gelangen. Durch die entsprechende Dokumentation der Verkaufsprozesse und die Transparenz der Plattform leisten wir so einen Beitrag, um Green Washing zu vermeiden. Green Washing schadet all jenen, die ernsthafte Anstrengungen unternehmen, ihre Geschäftsmodelle nachhaltiger zu gestalten. Daher sehen wir Transparenz als Voraussetzung für leichte Überprüfbarkeit und Aufklärung als ein wichtiges Mittel, um diesem Trend gegenzusteuern.

Fotos mit freundlicher Genehmigung von Secontrade

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