Die IT in Immobilienunternehmen – das große Risiko ist, dass zu lange gewartet wird…

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Mario Schmalzl ist seit mehr als zehn Jahren als Executive im IT Bereich in Immobilienunternehmen tätig. Die Digitalisierung sieht er ganz eng mit den Kunden und dessen Bedürfnissen verwoben. Sie macht eine neue Qualität der Kundenbeziehung möglich, mit neuen maßgeschneiderten Services, viel Wissen und Verständnis – gemanaged von einem profunden IT System.

 

Ghezzo: Wie haben sich der Stellenwert und die Rolle der IT in Unternehmen der Immobilienbranche gewandelt?

Schmalzl: Im Moment ist die Chance und Notwendigkeit für Immo CIOs groß wie nie, sich vom Bewahrer und vielleicht sogar Enabler hin zum Business Beschleuniger zu entwickeln.

Durch die Digitalisierung braucht es dringender denn je, jemanden der das Business und vor allem die Kunden versteht und diese Bedürfnisse mit den am Markt vorhandenen Lösungen und Services abgleicht.

Durch die Kundenfokussierung, die mittlerweile auch in der erfolgsverwöhnten Immobilienbranche angekommen ist, entstehen neue Möglichkeiten für die IT sich als Deal-Enabler zu etablieren. Z.B. durch moderne, IT-gestützte Services für die Mieter wie Mieterportale, digitale Consierge Services etc. All diese Dienste müssen mit der Backbone-IT orchestriert werden.

Auch im Effizienzbereich sind wir als CIOS gefordert immer mehr Abläufe zu automatisieren und digitalisieren um Kosten und Zeit zu sparen. Da gibt es aus meiner Sicht noch flächendeckend Nachholbedarf und ungenutzte technische Potentiale z.B. bei der automatischen Betriebskostenabrechnung, Vorschreibungen, Bankkontenabstimmung, Umsatzmietenermittlung und dergleichen.

Zusammengefasst hat der CIO momentan alle Voraussetzungen sich vom bewahrenden Leiter einer Serviceabteilung hin zum Businessbeschleuniger zu entwickeln.

Ghezzo: Disruption: Welche Risiken sehen Sie im Trend der Digitalisierung?

Schmalzl: Neben sehr großen und interessanten Chancen birgt die Digitalisierung natürlich auch Risiken auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen auf technischer Ebene, wo man zu schnell auf neue Trends und Technologien aufspringt, ohne die Sicherheitsaspekte oder datenschutzrechtliche Auswirkungen abzuschätzen. Schnell werden Dienste wie Google Maps oder Facebook zum Massenphänomen und Commodity, doch die unternehmerischen Risiken dadurch sind nur noch schwer in den Griff zu bekommen.

Im Kontext unserer Gesellschaft wird durch die Digitalisierung, Automatisierung und de facto Dematerialisierung unserer Wirtschaft sehr viel menschliche Arbeitskraft nicht mehr benötigt werden. Technische, kreative und auch soziale Berufsbilder werden zwar verstärkt benötigt werden, aber zumindest für eine Übergangszeit wird man sich von staatlicher Seite etwas überlegen müssen um die Risiken einer Beschäftigungslosigkeit wirksam in den Griff zu bekommen.

Mit Fokus auf Österreich liegt für mich das große Risiko, dass zu lange gewartet wird, sich mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Einige Vorzeigebetriebe und Branchen, die momentan schon unter Druck sind zeigen schon beachtliche Fortschritte, aber für das gros der österreichischen Betriebe verstreicht derzeit wertvolle Zeit, die nicht genutzt wird.

Speziell für die Immobilienbranche sehe ich das große Risiko, dass wie schon in vielen anderen Branchen (Hotellerie, Taxi, ) Plattformanbieter einen Großteil der Margen „kapern“ werden und die Real Estate Eigentümer zu Infrastrukturanbietern reduzieren. Margenträchtige Dienste werden durch digitale Plattform, meist außerhalb Österreichs angesiedelt, erwirtschaftet werden. Außerdem verändern sich momentan die seit Jahrzehnten gültigen Marktmechanismen. Retailflächen verwandeln sich mehr und mehr in luxuriöse Schaufenster als POS für das online Shoppingerlebnis und Arbeiten im Großraumbüro entwickelt sich zum Auslaufmodell. All das verringert die notwendigen Flächen und verlangt nach dynamischen Nutzungsmodellen, die aus meiner Sicht noch nicht ausreichend angeboten werden.

In Summe sehe ich in der Digitalen Transformation allerdings viel mehr Chance als Risiko, sofern man jetzt nicht nur abwartet und den Entwicklungen zusieht.

Ghezzo: Welche Rolle spielt das Thema IT Sicherheit?

Schmalzl: Das Thema Security ist derzeit omnipräsent. Prominente Fraud-Fälle und die strenge Datenschutzverordnung, die vor der Implementierung steht machen das Thema Security zum Top Thema für CIOs, sogar noch vor der Digitalisierung gereiht. Das ist gut so, denn Security wurde lange stiefmütterlich behandelt. Wirtschaftsspionage und -kriminalität verlagerten sich im Wesentlichen fast vollständig auf den digitalen Bereich und meist sind ganze Produktionsketten von funktionierender, nicht kompromittierter IT abhängig. Ganz klar, dass Security deshalb mittlerweile auch ausreichend Gewicht und Budget beigemessen wird.

Auf der anderen Seite schafft das leider auch Unsicherheiten, die den Einsatz technischer Weiterentwicklungen erschwert. U.a. ist das Thema Cloud nach wie vor aus Security-Gesichtspunkten umstritten. Dabei gibt es durchaus sichere Lösungen und die Wirtschaftlichkeit und Skalierbarkeit solcher Systeme macht sie betriebswirtschaftlich sehr attraktiv.

Ghezzo: Chancen: Welche Technologien und Trends sind für Sie interessant?

Schmalzl: Speziell in der Immobilenbranche gibt es nach einem langen Dornröschenschlaf sehr interessante technische Weiterentwicklungen. Ich sehe im Machine Learning große Potentiale in der automatischen Erhöhung der Datenqualität (ein großes Thema in der Immobilienbranche), OCR und mitlernende Algorithmen können manuellen Buchungsaufwand und administrative Tätigkeiten massiv reduzieren und über die Nutzung von Sensorik und Big Data Technologien entstehen ganz neue Kosteneinsparungspotentiale, Services und Geschäftsmodelle. Auch im Bereich der digitalen Immobilen Startups – der sogenannten Proptechs – passiert momentan viel. Neben den mittlerweile etablierten Vermittlungsplattformen gibt es spannende Lösungen zur Vertriebsunterstützung (360° und virtual reality Begehungen) und die Blockchain entwickelt sich zum Medium zur nutzungsbasierten Abrechnung und Vertragsgestaltung (Smart-Contracts) für die modernen Formen des Arbeitens und Wohnens.

Das Thema BIM kommt nicht so schnell voran, wie es eigentlich sollte. Das liegt meiner Meinung nach noch an proprietären Interpretationen der Standards und der Bereitschaft aller Beteiligten an einem Bauvorhaben sich transparent zu zeigen. Trotzdem wird BIM sich als Standard durchsetzen, denn die erzielbaren Skaleneffekte und Effizienzsteigerungen entlang des ganzen Lebenszyklus einer Immobilie sind einfach zu interessant um nicht genutzt zu werden. Besonders freuen mich auch die aus Österreich stammenden Proptechs mit internationalem Erfolg wie z.B. Defectradar oder Squarebite, mit Ihren tollen Lösungen für die Immobilienbranche.

Man sollte die momentan durch Niedrigzinsen bedingte Hochzeit unserer Branche nutzen und sich für ein Abkühlen des Booms zu rüsten um dann durch den Einsatz digitaler Technologien nach wie vor vergleichbar ertragreich wirtschaften zu können.

Es ist gerade eine spannende Zeit mit sehr viel Potential zur Optimierung durch die Digitalisierung in der Immobilienbranche.

Treffen Sie Mario Schmalzl persönlich bei der Digitalize Bau+Immo

 

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