Zukunftsthemen, Herausforderungen und Chancen für Österreichs Gemeinden – Fachbeirat Municipal Trends

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Am 02.02.2022 hat unter breiter Beteiligung von Bürgermeister*innen und Expert*innen der Regionalentwicklung der „Ghezzo Fachbeirat Municipal Trends“ stattgefunden. Divers und kontrovers, informativ, humorvoll und konstruktiv haben wir einen umfassenden Themenkreis aufgeschlagen: leistbares Wohnen, Ortskernbelebung, Gestaltungsspielraum in Raum- und Bauordnung, extreme Preisentwicklung speziell im Baubereich, lebenswerte Gemeinde, Betreuung der Ältesten und Jüngsten, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz …

In diesem Blog fassen wir kurz die Inhalte zusammen. Konkrete Lösungsmöglichkeiten, Praxisbeispiele, Expert*innenmeinungen und Erfahrungsaustausch werden den inhaltlichen Schwerpunkt auf unserer Fachkonferenz „Municipal Trends 2“

Mit uns haben diskutiert: Waltraud Brandstetter, Bürgermeisterin von Nußdorf am Haunsberg Kerstin Suchan-Mayr, Bürgermeisterin von St. Valentin Doris Staudinger, Bürgermeisterin von Schwanenstadt Manfred Korzil, Stadtbaudirektor von Wiener Neustadt Franz Rasp, Bürgermeister von Berchtesgaden Robert Krasser, Architekt und Experte am Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen

Wirtschaft Wohnen Mobilität und Verkehr Zuzug und Wachstum

„Diese Themenkreise können nicht getrennt voneinander diskutiert werden – denn wo Wohnraum geschaffen wird, muss auch die Mobilitätsinfrastruktur sowie die Erreichbarkeit der Bedarfe des täglichen Lebens mitgedacht werden“, so Franz Rasp, Bürgermeister von Berchtesgaden.

„Als Gemeinde mit 2400 Einwohner*innen wollen wir nur sehr kontrolliert wachsen: wir stoßen bereits an die Baugrenzen, andererseits müssen wir die für das Wachstum nötige Infrastruktur auch entwickeln – nur so bleiben wir eine lebenswerte Gemeinde“, fasst Waltraud Brandstetter die Wachstumsstrategie von Nußdorf zusammen.

Fokus Betriebsansiedelungen

„Wir wollen keine Betriebsansiedelung um jeden Preis – wenn nun ausschließlich Logistikflächen boomen, die der Online-Handel braucht, dann ist das in gewisser Weise auch kontraproduktiv für den regionalen Handel“, mahnt Kerstin Suchan-Mayr und stellt dabei klar, dass es Betriebsansiedelungen nicht um jeden Preis geben wird. „Der Schuster, der regionale Lebensmittelhandel, die Werkstätten, etc., die auch den Ortskern beleben, sind so wertvoll für das gesamte Leben in der Stadt“, betont Manfred Korzil einmal mehr die Bedeutung kluger Raum- und Infrastrukturplanung.

Bei größeren Betriebsansiedelungen wird es oft auch notwendig sein, dass Mitarbeiterwohnungen zur Verfügung gestellt werden – so kann man den Zuzug auch erreichen. Die Herausforderung, wie die Gemeinde dann die damit verbundene Kinderbetreuungsinfrastruktur schaffen kann, muss ebenfalls gemeistert werden.

Fokus Ortskernbelebung

In einem Punkt sind sich alle einig – „Das Einfamilienhaus mit 500 m² Garten mag noch so beliebt sein, in puncto Nachhaltigkeit, Ressourcen- und Flächenverbrauch und dem gesamten Mobilitätsproblem ist das kein tragfähiges Konzept für die Zukunft mehr – so unbequem diese Wahrheit auch für manche Bürger*innen ist.

Zersiedelung als Feind des ÖPNV ist besonders in den ländlichen Gebieten Österreichs ein heikles Thema. Robert Krasser lobt an dieser Stelle besonders den bayrischen Raum: „Die bayrischen Gemeinden sind für mich Vorzeigegemeinden, weil die Ortskerne dort wirklich stark belebt und kompakt sind.“

„Wenn ich oben am Untersberg stehe und hinunter ins Land schaue, dann sehe ich die Landesgrenze zwischen Österreich und Deutschland förmlich. Bayern hat es durch kluge Ortsplanung geschafft, Dörfer auf kleinerer Fläche zusammenzuhalten,“ ist Franz Rasp auch stolz auf seinen Lebensraum.

Fokus Schaffung von leistbarem Wohnraum

Auch wenn Wohnraum in absoluten Zahlen über die letzten Jahre stetig teurer geworden ist, und dieser Trend angesichts der explodierenden Grundstücks- und Baukosten anhalten wird, muss festgehalten werden, dass sich Wohnen in der Gesellschaft stets nach oben entwickelt hat: wir wohnen auf immer größeren Flächen, die immer besser ausgestattet sind – und wir geben einen immer geringeren Prozentsatz unseres Einkommens für Wohnen aus.

Nichtsdestotrotz steht jede Gemeinde vor ähnlichen Herausforderungen: Attraktiven Wohnraum in Zentrallagen schaffen und leistbares bzw. gefördertes Mieten sicherstellen. Aber Achtung – je mehr gebaut wird, desto teurer wird auch das Mieten!

An dieser Stelle ist es wichtig, dem Verbau der Außengebiete einen Riegel vorzuschieben – so unbequem dies auch in der Kommunikation sein mag. „Wir in Schwanenstadt haben es sogar in unser Wahlprogramm aufgenommen, attraktiven Wohnraum in den Leerständen der Obergeschoße am Hauptplatz zu schaffen – Einfamilienhäuser sind bei uns schon lange kein Thema mehr“, fasst Doris Staudinger die Lage zusammen.

Fokus Nachhaltigkeit

Energiewende, Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei allen Infrastrukturprojekten und Aktivitäten muss gar nicht mehr gesondert erwähnt werden. Das wird ohnehin vorausgesetzt – wenngleich die konkreten Maßnahmen in den Gemeinden durchaus unterschiedlich ausfallen. Bewusstseinsbildung in Schulen, Vereinen, Plastikfreie Gemeinde, Zero-Waste Gemeinde sind die Herangehensweisen, die die Gemeinden zukunftsfit machen.

Fokus Kontakt und Dialog

Welche strategische Veränderung in der Gemeinde auch immer anliegt – die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger ist besonders dann wichtig, wenn damit ein gewisser Paradigmenwechsel einhergehen muss.

Bürgerbeteiligungen schaffen Identifikation, Vertrauen und Nähe – sie sind umso besser, je konkretere Projekte sie betreffen. So komplex dieses Vorgehen auch ist – echtes Mitspracherecht, echte Entscheidungsmöglichkeiten, voll transparente Informationen zu jeder Zeit sind wichtige Voraussetzungen dafür – und dann kann ein solches Verfahren großartig funktionieren.

Zusammenfassung Lebensqualität steigern

Was bedeutet Lebensqualität eigentlich? Nachdem die Lebensqualität viele Gesichter und ebenso viele Definitionen kennt, müssen wir es konkreter fassen: Lebensqualität haben wir dann, wenn wir einfachen Zugang zu Natur, Bildung, Aufenthaltsqualität und Mobilität haben.

„Ich bin glücklich, wo ich lebe, und möchte oder muss nirgendwo anders sein“ Unter dieses Motto haben wir auch die Abschlussfrage gestellt und damit herauskristallisiert, wer welchen besonderen Aspekt von Lebensqualität fördern wird:

„St. Valentin wird die Vorzeigegemeinde für lebenswertes Altwerden in der Stadt“ nimmt sich Frau Suchan-Mayr vor.

„Schwanenstadt wird noch nachhaltiger und eine Zero-Waste-Gemeinde“ ist das strategische Vorhaben von Doris Staudinger

„Nußdorf wird die Vorzeigegemeinde in puncto regionaler Direktvermarktung“, wenn es nach Waltraud Brandstetter geht.

„Von der Stadt Salzburg wünsche ich mir, dass eine Stadt mit gut ausgebauter Fahrrad- und Fußgängerinfrastruktur ist“, verweist Robert Krasser auf seine Heimatgemeinde

„Stadt des Wissens, der Forschung und der Technologie“ bezeichnet Manfred Korzil sein Zukunftsbild von Wiener Neudorf

„Berchtesgaden wird die lebenswerteste Gemeinde im bayrischen Alpenraum“, formuliert Franz Rasp seine Vision.

Alle hier diskutierten Ansatzpunkte sollen schließlich zu dieser Lebensqualität führen – von der Stärkung des Regionalhandels, über die Betreuung der jüngsten und ältesten Bevölkerungsmitglieder, über klug geplante Orts- und Infrastrukturentwicklung zum Leben und Arbeiten, über Kultur-, Vereins- und Community-Aktivitäten bis hin zu aktiver Bürger*innenbeteiligung: Auf unserer Fachkonferenz „Municipal Trends“ am 18.05.2022 werden wir konkrete Praxisbeispiele, Vorzeigegemeinden, Tipps und Informationen von Expert*innen auf die Bühne holen – wir sehen uns in der Vega Sternwarte in Obertrum im Salzburger Land!

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