Zeit für große Optimierungsprojekte? Wie Unternehmen mit ihren Gebäuden umgehen, um auf die aktuellen Herausforderungen zu reagieren

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Low-hanging-fruits gerne, bei tiefgreifenden Veränderungen „bitte warten“: Eine durchaus legitime Taktik, wenn man auf dem Höhepunkt einer so umfassenden Veränderung steht, wie wir sie gerade erleben. Volatiler Energiepreis, Pandemie noch nicht überwunden, die veränderten Arbeitswelten… und immer unmittelbarer der Klimawandel: eine unglaubliche Komplexität macht uns zu schaffen. Doch ewig zaudern kann fatal sein, denn die größten Herausforderungen stehen noch vor uns und darauf wird sowohl die Legislative als auch die Wirtschaft und die Finanzwelt noch heftig reagieren.

Deswegen ist Nachhaltigkeit schon lange ein essenzieller Bestandteil der Drees & Sommer Strategie. Von Themen wie Kreislaufwirtschaft, Energiesparen, neuen Arbeitswelten, bis hin zu Digitalisierung und Lean-Management kann Geschäftsführer Georg Stadlhofer berichten. Wir haben die Gelegenheit genutzt und ihn im Vorfeld unserer 13. GBB – Green & Blue Building Conference zu genau diesen Themen interviewt.

Gudrun Ghezzo: Die aktuellen Energiepreisentwicklungen müssten ja ein wahrer Boost sein für Optimierungsprojekte. Wie nehmt Ihr das aktuell wahr?

Georg Stadlhofer: Die derzeitige Energiepreisentwicklung weckt selbstverständlich das Interesse an Optimierungsprojekten. Hierbei zeigt sich jedoch oft, dass die Situation im Bestand meist doch komplexer ist als eingangs angenommen.

Dementsprechend ist die tatsächliche Umsetzung von Optimierungsprojekten derzeit sehr abhängig von den tatsächlichen Möglichkeiten. Maßnahmen für kurzfristige Optimierungsprojekte – so genannte „Low-hanging-fruits“ und „quick wins“ werden aktuell sehr stark nachgefragt. Größere Optimierungsprojekte (Umstellung der Energieversorgung) sind aktuell aufgrund der technischen Komplexität bzw. langen Lieferzeiten oft erst in der Konzeptionierungsphase. Die volatile Energiepreissituation resultiert zusätzlich in einer geringen Transparenz bei Amortisationsrechnungen und schwierigen Investitionsentscheidungen.

Gudrun Ghezzo: Welchen Anteil hat das Gebäude an den Kosten von Industrie, Logistik und Gewerbe? Welche Kennzahlen habt Ihr dazu?

Georg Stadlhofer: Gebäude bezogene Kosten, sind häufig der zweit oder dritt größte Kostenpunkt, hinter Personal und IT. Bei Energie intensiven-produktionsnahen Unternehmen manchmal auch erst an vierter Stelle. In jedem Fall aber sind Immobilien ein wesentlicher Stellhebel, sowohl was die Kosten als auch die Produktivität des Unternehmens betrifft. Hier werden häufiger Optimierungspotenziale liegen gelassen. Insbesondere was den Co2- und Ressourcenverbrauch betrifft, ist der Gebäudesektor mit rund 36 % der Co2-Emissionen jedenfalls ein wesentlicher Verursacher und wird schon alleine deswegen künftig deutlich in den Fokus rücken.

Gudrun Ghezzo: Wie sehr spielen neue Arbeitswelten eine Rolle? Ändern sich dadurch auch die Anforderungen an die Immobile?

Georg Stadlhofer: Die Anforderungen an Büroflächen haben sich in den letzten Jahren, insbesondere auch pandemiebedingt, deutlich gewandelt. Der Arbeitsraum im Unternehmen muss heute viel stärker zur Identifikation und Kommunikation dienen und weniger, wie noch vor der Pandemie, als reiner Einzelarbeitsplatz. Das ändert sowohl die erforderlichen Bürogrößen als auch deren Gestaltung und wird in den kommenden Jahren noch zu zahlreichen Anpassungen in den Unternehmen führen. Dabei kann das Büro auch eine wichtige Rolle beim Gewinnen und Halten von neuen Mitarbeitenden spielen.

Gudrun Ghezzo: Wie funktioniert eine Optimierung im laufenden Betrieb möglichst reibungsfrei?

Georg Stadlhofer: Eine Optimierung im laufenden Betrieb ist grundsätzlich immer mit Komplikationen verbunden. Dementsprechend ist eine optimierte Steuerung des Optimierungsprojektes unter Einbeziehung aller Projektstakeholder wesentlich für den reibungsfreien Erfolg von Optimierungsprozessen. Zur Reduktion von Problemen hat es sich bewährt ein klares IAÜ Konzept (Inbetriebnahme, Abnahme, Übergabe) zu erstellen sowie Lean-Methoden in der Design- und Umsetzungsphase einzusetzen.

Gudrun Ghezzo: Welche Leuchtturm-Projekte habt Ihr jüngst realisiert, und welche Einsparungspotenziale kommen dabei heraus?

Georg Stadlhofer: Kein jüngst realisiertes Projekt jedoch eines unserer Leuchtturmprojekte ist die laufende Betreuung des Smart Campus der Wiener Netze. Hierbei konnten wir seit Fertigstellung durch laufende Begleitung – gemeinsam mit dem Hausinternen Facilitymanagement – immer wieder Optimierungspotentiale heben wodurch jährliche Einsparungen im 6 stelligen Bereich realisiert werden konnten. Dabei zeigte sich auf, dass der Erfolg von Optimierungsprojekten vor allem von der vorhandenen Datengrundlage und der Granularität der Zählerstruktur ausschlaggebend für das Spektrum möglicher Maßnahmen ist.

Gudrun Ghezzo: Wenn man sich den Immobilienbestand von Gewerbe und Industrie so ansieht, hat man das Gefühl, hier ist noch richtig viel zu tun. Wie schätzt Ihr die Lage in Österreich ein?

Georg Stadlhofer: Bei einer aktuellen Renovierungsquote von rund 1 % würden wir ca. 100 Jahre brauchen, um den gesamten Immobilienbestand klimafit zu bekommen. Das reicht nicht. Wir werden deutliche Anstrengungen brauchen, um diese Quote durch die EU festgelegten Zielgrößen von 3-4 % zu erreichen. Dies und der Umstand, dass wir Flächenversiegelung deutlich reduzieren müssen, wird den Fokus in den nächsten Jahren ganz stark auf den Immobilienbestand richten.

Gudrun Ghezzo: Drees & Sommer beschäftigt sich sehr aktiv mit dem Thema Kreislaufwirtschaft. Wo siehst Du das die größten Potentiale und Chancen?

Georg Stadlhofer: Die Potentiale liegen einerseits im Werterhalt der Immobilie. Dabei liegt der Gedanke zugrunde, dass das Gebäude länger genutzt werden kann, wenn die Raumkonfiguration flexible und die einzelnen Bauteile so verbaut sind, dass sie am Ende deren Lebenszykluses ausgetauscht werden können. Beim Rückbau der Immobilie lassen sich die Materialwerte durch die Trennbarkeit lukrieren. Auf der anderen Seite sehen wir ein großes Potential bei der Einsparung von Rohstoffen durch die Anwendung der Cradle to Cradle Prinzipien. Dabei wird nicht nur das natürlich Ökosystem geschont, sondern durch Verwendung von Recyclingmaterial auch den aktuell äußerst angespannten Materialpreisen entgegen gewirkt.

Gudrun Ghezzo: Welche Rolle spielt BIM und die Digitalisierung bei Eurer Arbeit aktuell? Wird die Bauwirtschaft jetzt wirklich digital? Wo siehst Du die Hindernisse?

Georg Stadlhofer: Digitalisierung ist aus Planungs- und Bauprozessen nicht mehr wegzudenken. In der Tat haben sich digitale Tools jedoch nicht so schnell vollständig durchgesetzt, wie das viele von uns erhofft hatten. Die Vorteile sprechen jedoch eine klare Sprache und werden letztlich auch in Hinblick auf die aktuelle Nachhaltigkeitsentwicklung (Kreislaufwirtschaft) zwingend erforderlich sein.

Gudrun Ghezzo: Welche gesetzlichen Veränderungen sind für Dich besonders interessant und welchen Impact auf die Branche erwartest Du?

Georg Stadlhofer: Erneuerbare Energiegesetz, aktuelle Konkretisierung der Gesetzgebung in Brüssel zu Taxonomy.

Georg Stadlhofer MRICS LinkedIn

 

Treffen Sie Drees & Sommer auf der 13 GBB Green & Blue Building Conference

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