Wohnen in Wien: Was ist gut? Was geht besser?

by Alexander Ghezzo

Beim Wohnen steht in Wien nicht alles zum Besten, aber doch einiges gut da. Verglichen mit anderen Metropolen hat die Stadt leistbaren Wohnraum zu bieten, aber auch noch einige Herausforderungen zu meistern. Von der CO² Reduktion bis zur sinnvollen Flächenwidmung bleibt für die Stadt und für die Immobilienwirtschaft genug zu tun, weiß Wolfgang Amann, Leiter des IIBW.

Wolfgang Amann: Wien kehrt dorthin zurück, wo die Stadt im ausgehenden 19. Jahrhundert gestanden ist: sie ist die zweitgrößte Stadt im deutschsprachigen Raum und eine der am schnellsten wachsenden Großstädte Europas. Der langjährige Fokus auf sozialen Wohnbau beschert uns heute einen riesigen Bestand an leistbaren Wohnungen. Fast die Hälfte der Haushalte lebt in Gemeinde- oder gemeinnützigen Mietwohnungen, ein weiteres Sechstel in preisregulierten privaten Mietwohnungen. Das führt dazu, dass auch im kleinen Rest der nicht  preisgebundenen Mietwohnungen die Marktpreise nicht in den Himmel wachsen. Trotz der Belebung der Marktmieten ist Wien dadurch eine im internationalen Vergleich „leistbare“ Großstadt.amann

AG: Was sind die wichtigsten Herausforderungen für die Stadt?

WA: Eine so rasch wachsende Stadt ist naturgemäß mit mächtigen Herausforderungen konfrontiert:

  • Der rasch steigende Wohnungsbedarf wird notorisch untererfüllt. Statt etwa 17.000 neue Wohnungen werden jährlich nur ca. 13.000 gebaut. Das heizt den Markt v.a. für Eigentumswohnungen an.
  • Flaschenhälse sind weniger die Immobilienwirtschaft, als der Grundstücksmarkt, die soziale und Verkehrsinfrastruktur sowie die Bewilligungsverfahren. Hier gilt es, einen Zahn zuzulegen.
  • Eine moderne Metropolenregion endet nicht an der Stadtgrenze. Das Niederösterreichische Umland wird, ob es will oder nicht, Teil einer Großstadtregion werden. Dafür braucht es Gestaltungswille seitens der beiden Bundesländer und abgestimmte Instrumente in Raumordnung, Wohnbauförderung und beim Ausbau der Infrastruktur.
  • Der Wohnungsbestand muss innerhalb der kommenden Generation klimaneutral werden. Hier fehlt es noch an Vielem. Stellvertretend sei auf die absurden Regelungen des Mietrechtsgesetzes hinsichtlich der Umlegung von Sanierungskosten auf die Mieter verwiesen.

AG: Was ist eine smarte Wohnung in der Theorie und in der Praxis?

WA: „Smartes Wohnen“ ist ein sehr unscharfer Begriff. Manche verstehen darunter clevere kleinteilige Grundrisse und zum Ausgleich großzügige Gemeinschaftseinrichtungen, in einem vernetzten Stadtquartier, mit multimodalen Mobilitätsangeboten, Jobs, sozialer Infrastruktur und Nahversorgung. Andere verkürzen den Begriff auf 40 Quadratmeter große Zweizimmerwohnungen. „Smart“ ist als Innovationstreiber gedacht. Man muss, wie bei anderen Begriffen, Acht geben, dass er nicht inflationär gebraucht wird und schlussendlich als leere Hülle zurück bleibt.

AG: Welche Zielgruppen sollten sich Wohnbauträger genauer anschauen?

WA: Erfolgreich sind Bauträger und Makler, wenn es ihnen gelingt, Projekt für Projekt ein breites Bündel an Zielgruppen anzusprechen. Monokulturen gedeihen auch am Wohnungsmarkt schlecht. Generell steigt die Wohnmobilität. Das heißt, Menschen sind stärker als früher interessiert umzuziehen, ihre Lebensumstände mit einer neuen Wohnung zu verbessern. Das geht quer durch den gesamten Mittelstand. Der Trend zum Single steigt in den semi-urbanen Regionen, aber stagniert in den Städten. Die Städte tragen die Hauptlast der aktuellen Zuwanderung. Asylberechtigte sind vorwiegend auf den privaten Wohnungsbestand angewiesen. Hier gilt es, faire Angebote zu entwickeln.

AG: Welche Trends werden die Zukunft der Wohnungswirtschaft bestimmen?

WA: Nachfrageseitig kann von steigender Vielfalt ausgegangen werden. Die Wohnungswirtschaft sollte tunlichst vermeiden, Angebotsklumpen zu produzieren. Diesbezügliche Risiken sehe ich bei der uniformen 40-Quadratmeter-2-Zimmer-Wohnung und bei der Häufung von Eigentumswohnungen im gehobenen Segment (4000+ /m²).

Gemeinschaft dürfte eine wachsende Rolle spielen. Menschen sind bereit, hohe Quadratmetermieten zu bezahlen, wenn kleine Wohnungen mit einem sozial attraktiven Umfeld zusammengehen. Spannende Impulse gehen auch von selbstorganisierten Wohnformen aus.

Regulatorisch wird die Wohnungswirtschaft von der Zielsetzung „Null-Emission“ geprägt sein. Es ist davon auszugehen, dass innerhalb einer Generation der Gebäudebestand keine Treibhausgase zu emittieren hat. Innovative Bauträger werden vermehrt auf „Grünes Wohnen“ setzen.

AG: Spielt Nachhaltigkeit sowohl bei Mietern als auch bei Bauträgern eine Rolle?

WA: Mieter und Bauträger sind nicht wirklich die Treiber der Entwicklung. Nachhaltigkeit ist ein typisches regulatorisches Thema. Ohne strikte Vorgaben und Anreize des Gesetzgebers tanzt der Markt fröhlich dem Abgrund entgegen. Es werden allerdings intensive Bemühungen zur Bewusstseinsbildung gesetzt, die nachfrageseitig entsprechenden Druck erzeugen. Angebotsseitig wird sich die Streu vom Weizen trennen, indem sich die innovativsten Bauträger mit Produkten „State of the Art“ am Markt durchsetzen werden.

Dr. Wolfgang Amann ist geschäftsführender Gesellschafter der IIBW – Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen GmbH. Treffen Sie ihn auf der GBB

GBB Green & Blue Building Conference

Das IIBW – Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen GmbH zählt seit 15 Jahren zu den führenden österreichischen Forschungs- und Beratungsunternehmen in den Bereichen Wohnbauförderung, Wohnbaufinanzierung, Wohnrecht, Wohnungspolitik sowie Marktforschung zu Bauen und Wohnen mit Projekten in Österreich, der EU, Mittel-Ost-, Südost-Europa und den CIS-Staaten. Mittlerweile hat das IIBW Projekte in einem Dutzend Staaten durchgeführt. Auftraggeber sind Regierungen auf nationaler und Länderebene, internationale Organisationen und der Privatsektor. Wichtigste Projekte sind zahlreiche Studien zum System von Wohnbauförderung und Wohnungsgemeinnützigkeit in Österreich, zur Ökologisierung des Wohnungswesens, zu Bau- und Wohnungsmärkten im CEE-Raum und Österreich, internationale Länder-Profile, die Entwicklung von Wohnrechtsgesetzen sowie Projekte zur Implementierung sozialer Wohnungssysteme in Transformationsländern.

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