Was Analysten unter „robust“ verstehen und wie Krieg, Klimakrise und Covid den Immobilienmarkt treffen

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Prof. Dr. Thomas Beyerle, Managing Director der Catella Property Valuation GmbH und Professor der Immobilienforschung, ist Analyst und profunder Kenner der globalen Immobilienwirtschaft. Er ist einer derjenigen, die man immer als erster fragt, wenn es um aufkommende Blasen, Verwerfungen und Chancen bei Bau- und Immo in ganz Europa geht. Und da wir uns gerade in einer Zeit befinden, wo unglaublich viele unterschiedliche Herausforderungen gleichzeitig schlagend werden, haben wir Thomas Beyerle gefragt, wie er die aktuelle Situation einschätzt und welchen Rat er für die Branche hat. Krieg, Inflation, Zinsen, Klimakrise, ah ja und dann ist ja noch Pandemie – wie reagiert der erfahrene Immobilieninvestor?

Ghezzo: Herr Beyerle, wir erleben Dinge, die uns vor 3 Jahren noch völlig undenkbar erschienen sind. Pandemie mit harten Lockdowns, Klimaschutz wird ein starkes Motiv auf der politischen Agenda, Krieg in Europa, unser Geld verliert an Wert, Zinsen steigen: Was bedeutet das für den Immobilieninvestmentmarkt Mitteleuropas? Da sind ja teilweise Kräfte am Werk, die in ganz gegenläufige Richtungen drängen.

Beyerle: Wenn Analysten aktuell etwas von „Seitwärtsbewegung“ oder „robust“ erzählen, ist damit vor allem eine aufziehende Unsicherheit gemeint. Waren die letzten Jahre mit einem nie dagewesenen „Null Zins Umfeld“ zwar neu, aber doch eindimensional und hochkorreliert (keine Alternativanlage zum Sparbuch, deshalb Immobilien) haben seit Ende 2020 die Herausforderungen, wie zB. Pandemie, Inflation und Krieg deutlich zugenommen. Zu sagen, die Märkte werden deshalb weniger interessant für Investoren in einem erhöhten Risikoumfeld, ist nicht zwingend. Denn diese Risiken werden rational eingepreist, zB. durch eine höheren Finanzierungsrate. Was der neuralgische Punkt aber sein wird, ist die Zinserhöhung bzw. allein schon ihre Ankündigung zu einem Zeitpunkt. Die Zeit vor der Veränderung wird geprägt sein durch sog. Vorzieheffekte – also ein Überschießen der klassischen Nachfrage geprägt vom Motto. „jetzt noch die „attraktiven“ Konditionen sichern. Danach freilich wird die relative Attraktivität von Immobilien bei großen Investoren aber geringer, da sie dann stärker auf festverzinsliche Investments ausweichen. Zu sehen sein wird das dann zunächst bei Projektentwicklern, sofern sie dies nicht durch höhere Preise oder Mieten weitergeben können. Hinzu kommt noch die sog. CO2 Bepreisung von Immobilien – diese Verschärfung kommt ja mit Ansage seit Jahren – ich sehe aber aktuell noch eine laisse-fair Haltung bei Vielen.

Ghezzo: Wie beurteilen Sie den Wirtschaftsstandort Europa? Machen Sie sich auf eine Rezession gefasst? Passt die Wirtschaftspolitik der EU?

Beyerle: Ich denke schon, dass Brüssel ordnungspolitisch einen guten Job macht, zB. EU-Taxonomie, einheitliches Handeln gegenüber Russland. Dreh- und Angelpunkt wird aber die Entscheidung der EZB sein, was mit der sog. Zinswende passiert. Hier geht es vordergründig zwar einen Kapitalmarkteinfluss, aber bei genauer Analyse eben auch um eine ordnungspolitische Politik: wenn der Leitzins im Euroraum erhöht wird, hat dies auch Wirkungen auf die Haushalte vor allem der sog. Südländer, allen voraus Griechenland und Italien. Einfacher formuliert müssen Sie mehr für Ihre Darlehen bezahlen. Hinzu kommt das Thema Inflationsbekämpfung. Aktuell ist die Binnenkonjunktur weiterhin gut bis stabil, aber die Erwartungen, dass „nach Covid“ das Konsum- und die Investitionsniveau auf das 2019 Niveau zurückkehren ist nicht realistisch. Es bleibt also „holprig“ in Europa in Q2 & Q3.

Ghezzo: Welchen Impakt hat der Krieg in der Ukraine, Sanktionen und das Aufkeimen eines kalten Krieges für ein internationales Immobilienunternehmen? Wohin orientieren Sie sich?

Beyerle: Aktuell lässt sich vor allem auf der Kapitalmarktseite eines messbar machen: seit dem Beginn des Krieges reden wir von einem Basispunktanstieg von zB. Logistik 0,9% auf 2,0, Büro 0,6 auf 1,5%. Ob sich das weiter fortsetzen wird, hängt vom Kriegsverlauf sicher ab, aber es zeigt, dass die Märkte bzw. ihre Akteure sehr rational damit umgehen und keine zusätzlichen Risiken in Asset Klassen eingehen.

Ghezzo: Die Nutzungsart von Immobilien verändert sich immer schneller. Wie gehen Sie damit um? Sind Nachhaltigkeit und Flexibilität nicht schwer zu vereinbaren?

Beyerle: Nein, sofern es sich um Neubauprojekte handelt. Die Entwicklung hin zu „Mixed-use“ Objekten bzw. Konzepten ist ja schon vor der Pandemie sichtbar gewesen. Darin drückt sich primär eine andere Risikosicht bzw. Vermeidungsstrategie aus: weniger monofunktionale Gebäude mit einem Mieter stattdessen 2-3 Nutzungen bzw. multifunktionale Mietergruppen. Dass ESG bzw. Nachhaltigkeit Pflicht ist, zeigt, dass diese Entwicklung am markt angekommen ist. Deutlich herausfordernder ist es im Bestandsmarkt. Hier wird es deutlich länger dauern diese Umsetzungen vorzunehmen.

Ghezzo: Wie machen Sie Ihren Bestand fit für die Anforderungen der Zukunft?

Beyerle: Es ist die Hauptaktivitäten des Asset Managers, sich jeden Tag zu fragen: ist das Objekt am Markt richtig positioniert? In der operativen Umsetzung heißt das zB. welche Daten liegen vor, um die ESG Anforderungen umzusetzen. Fit machen bedeutet aktuell primär die Daten zu erfassen, denn erst danach kann ich operativ aussteuern. Viele vergessen das, wenn aktuell großdimensionierte ESG Pläne aufgelegt werden.

Ghezzo: Home-Office, Online-Handel, Neuorientierung in der Hotellerie: Wie schätzen Sie die Zukunft der Assetklassen Büro, Retail und Hotel ein?

Beyerle: Aktuell halten wir uns bei Hotel und bei Retail weitgehend zurück mit Investments, da sich hier bisher keine Preiskorrektur eingestellt hat. Bei Office sehen wir sicher Anpassungen auf uns zukommen nach dem Auslaufen von Mietverträgen, aber vor Homeoffice Effekten haben wir keine Angst, sofern die Objekte in CBD Lagen und/oder Mobilitätsknotenpunkten liegen. Gleichzeitig erwarten wir gerade in dem Segment „Erstbezug/Neubau/nachhaltig/Innenstadt“ zukünftig deutlich höhere Mietansätze bzw. Kaufpreise.

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Ghezzo: ESG und EU-Taxonomie werden in der Immobilienwirtschaft sehr ernst genommen und werden sich langfristig stark auswirken. Was verändert sich bei Catella dadurch?

Beyerle: Wir haben das Thema seit der Auflegung des ersten Nachhaltigkeitsfonds 2011 auf dem Radar. Allerdings hat sich hier eine Dynamik entwickelt, welche so nicht absehbar war. Aktuell sind wir gut aufgestellt in allen Bereichen um der EU Taxonomie bzw. der Offenlegungsverordnung entgegenzutreten. In Schulterschluss mit unseren Kunden.

Ghezzo: Wie stehen Sie zum War for Talents und wie begeistern Sie junge Menschen für die Immobilienwirtschaft?

Beyerle: Da ich „an der Quelle sitze,“ also in meinem Fall auch als Professor an der Hochschule Biberach, kann ich gut abschätzen, was die Generation will, aber vor allem nicht will. Die Affinität zur Immobilienwirtschaft ist sehr hoch, allerdings eben auch Dinge wie Einfordern von Homeworking, ein sehr positives Betriebsklima und ein glaubwürdiges Unternehmensbrand mit gelebten Nachhaltigkeitsansprüchen. Die alleinige Fokussierung auf Gehalt bzw. Dienstwagen ist nicht mehr unter den Top 3…  hier müssen vor allem die aktuell agierenden Verantwortlichen – die ja anders sozialisiert worden sind – umdenken. Viele wollen nicht so werden wie die aktuellen Vorsetzten. Im besten Falle haben Sie diese Generation aber zuhause am Frühstückstisch sitzen und sollten hier zuhören. Aber auch Mahnen: die um sich greifende Start-up Kultur mag hip sein, ohne Frage, aber grenzt meiner Erfahrung nach oftmals an Ausbeutung. Aber dazu gehören ja bekanntermaßen immer Zwei.

Treffen Sie Thomas Beyerle persönlich auf unserem Ghezzo Immobilientag 2022

 

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