Statische Nutzungsmodelle haben ausgedient – Wie sich Immobilien und Immobilienwirtschaft zukunftsfit machen

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Digitalisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft – das ist die Mission von Mikis Waschl und seinem Unternehmen caFM engineering. Denn darin steckt die Antwort auf viele der dringenden Fragen unserer Zeit und der Branche. Dem steigenden Kostendruck z.B. kann man durch effiziente Prozesse, der Herausforderung Nachhaltigkeit durch Daten und dem Fachkräftemängel mit einer Digitalisierung begegnen, die den Menschen für kreatives Arbeiten freispielt. Mikis ist überzeugt, dass  hier noch riesiges Potential steckt und im Interview berichtet er, wie die Immobilienwirtschaft der Zukunft funktionieren kann und wie man den sich wandelnden Anforderungen der Immobiliennutzer gerecht wird.

Ghezzo: Seit wir Immobilienkonferenzen machen (22 Jahre), wird eine integrale Planung und die Optimierung in Richtung Betrieb gefordert. Trotzdem scheint uns selbst in modernen Immobilien der Anstieg der Energiepreise kalt zu erwischen. Wie schätzen Sie die aktuelle Planungsqualität ein und was braucht es zu einer Verbesserung?

Waschl: In Summe ist, unter Annahme ähnlicher Service Levels, eine Steigerung der Folgekosten von Immobilien zu beobachten, die über die Inflation hinausgeht, und sich nicht nur auf die Energiepreise beschränkt. Durch die stetig steigende technische Dichte und Komplexität unserer Immobilien verändern sich auch Leistungsbilder in der Bewirtschaftung, die sich in Sachen Innovation und Digitalisierung deutlich langsamer entwickeln als andere Branchen. Jeder kennt die vielgenannten und -gescholtenen Bauprojekte mit Kosten- und Terminüberschreitungen, derer viele darauf zurückzuführen sein könnten, dass ein modernes und komplexes Gebäude nicht mit alten Werkzeugen und Abläufen realisiert werden kann. Darunter leidet auch der Betrieb, der vor einem ähnlichen Wandel steht – die Werkzeuge und Prozesse die wir einsetzen werden innoviert werden, um den Kostenanstieg zu bremsen oder den Kosten auch einen entsprechenden Mehrwert bzw. Wertschöpfung gegenüber zu stellen. Es gibt dazu tolle Initiativen, wie beispielsweise das FM Qualitätssiegel der Facility Management Austria das über 200 Kriterien definiert hat, wie die Interessen eines nachhaltigen und effizienten Betriebes bereits in die Planung und Errichtung einfließen können. Nachhaltige und effiziente Immobilien fangen dort an, wo die Planung mit dem künftigen Betrieb im Kopf beginnt. Kurzum: die Planungsqualität heute ist gut, aber leider werden allzu oft „nur“ Häuser geplant. Wir müssen beginnen Häuser, wenn nicht gar Services, in einem Lebenszyklus mit sich laufend ändernden Rahmenbedingungen zu denken.

Ghezzo: Bauherren stehen in der Zwickmühle zwischen Flexibilität und Effizienz. Optimiert man für eine bestimmte Nutzung, wird der Betrieb effizient, aber man hat Probleme bei einer Nachnutzung. Wie kann man in der Praxis damit umgehen und das Beste daraus machen?

Waschl: Unsere heutigen, statischen Nutzungsmodelle haben ausgedient. Wesentliche Player beschäftigen sich bereits damit, wie man flexibel und rasch auf Kunden = Mieterbedürfnisse eingehen kann, und wie man das in Mietverträgen abbilden kann. Heute braucht man 5 Arbeitsplätze, morgen 15. Ich persönlich bin beispielsweise über 100 Tage pro Jahr nicht im Büro. Die teuerste, nicht wertschöpfende Kostenposition eines Betriebes ist der Quadratmeter, den man nicht braucht. Man muss ihn nicht bauen, nicht mieten, nicht reinigen, nicht instandhalten, etc. Der Quadratmeter als Verrechnungseinheit wird mittelfristig verschwinden. In vielen Branchen geht es in die Richtung „sell the problem you solve, not the product“. Das ist auch im Bereich bedarfsgerechter Mietverträge und Arbeitsplatzbereitstellung bereits in Arbeit. Mit der digitalen Vernetzung von Abwesenheits- und Besprechungskalendern, Smartphone, Sensorik und künstlicher Intelligenz kann heute schon eine Bedarfsplanung gemacht werden. Neue Mietmodelle können so einen geringeren Umsatz pro Mieter (win beim Mieter) erreichen, bei höherer Anzahl von Mietern und höherer Auslastung (win beim Vermieter). Es werden also die Anbieter nachhaltig reüssieren, die nicht mehr m² bauen, sondern Lösungen für einen bedarfsgerechten Betrieb und dynamische Vermietung schaffen. Das Facility Management ist schon auf diesem Weg, beispielsweise im Bereich bedarfsgerechter Leistungserbringungen, wo Reinigungs- oder Wartungspläne nicht mehr auf Basis starrer Intervalle erstellt werden, was technisch und wirtschaftlich oftmals ohnehin oft nicht sinnvoll war, sondern auf Basis dynamischer Daten aus der Gebäudeautomation, Sensorik bzw. IoT. In diesem Bereich konnten bei Projekten schon bis zu 20% wiederkehrende Einsparungen realisiert werden!

Ghezzo: Nachhaltigkeit rückt wieder stark in den Mittelpunkt. Digitalisierung ist dabei der wesentliche Hebel. Trotzdem scheint es, dass der Digitalisierungsschub der Bau- und Immobilienbranche wieder ins Stocken gerät, nach einem Hype vor Corona. Wo sind dabei die großen Potentiale?

Waschl: Die Potenziale sind mannigfaltig. Daten und Informationen werden abrufbar, belastbar, transparent, erweiterbar, teilbar, etc. Diese Reihe könnte man lange fortführen. Ich würde aber nicht sagen, dass der Digitalisierungsschub ins Stocken gerät. Vielmehr gerät er in eine Evaluierungsphase. Die eine oder andere Digitalisierungsmaßnahme schaffte es nicht über den Selbstzweck hinaus, was die Branche mit Demut und kritischer Reflektion aufnehmen sollte. Heute findet ein Umdenken statt – der Nutzen und durchgängige, abteilungs- und organisationsübergreifende Geschäftsprozesse kommen in den Fokus. Die Silos in denen wir viele Jahre gedacht haben werden wegdigitalisiert. Das wird auch die Eitelkeit mancher Konsulenten treffen, für die veraltete Methoden, Kultur und Geschäftsmodelle im momentanen Bau- und Immobilienboom noch bequem sind.

Ghezzo: Welche praktische Relevanz hat das Thema BIM in Ihren aktuellen Projekten?

Waschl: Das passt wunderbar zum Kontext der letzten Frage. Das Ziel eines Digitalisierungsprojektes muss ja Optimierung sein, beispielsweise nicht mehr m³ oder Stunden zu verkaufen, sondern Lösungen. Auch in der Bau- und Immobilienwirtschaft ist die Zeit reif sich dem anzunähern. Heute steht das aber im Widerspruch zu individuellen Interessen und Geschäftsmodellen, die den Abgesang auf das hochindividuelle und ewig einzigartige Bauprojekt noch verhindern. Aber so funktioniert weder Märkte noch Digitalisierung auf Dauer. Ich würde die Methodik BIM mittlerweile als Stand der Technik im Neubau sehen. Auch im Bestand sind wir am Weg dorthin. Die ganze Branche befindet sich gerade in diesem Change Prozess. Wie bei jeder Veränderung geht schon viel, manches noch nicht. Davor sollte man keine Angst haben. Mit den richtigen Partnern Fehler zulassen und sie als Learnings annehmen. Seinen Weg finden aber immer einen klaren Fokus haben – seine Anwendungsfälle und den damit verbundenen Nutzen zu kennen führt zum Erfolg. Wichtig ist es zu verstehen, dass BIM keine Software ist, sondern eine Methodik, deren Nutzen proportional mit der Anzahl der disziplinenübergreifenden Anwender steigt oder sinkt. BIM hört nicht an der Abteilungsgrenze, beim Planer oder ausführenden Firmen auf! Wir waren die Ersten die vor fast 10 Jahren die Methodik BIM an das Facility Management herangetragen haben. Anfänglich fanden wir nicht nur offene Türen vor, heute generieren wir FM Ausschreibungen aus Modellen, prüfen die Planungsqualität aus FM Sicht per Knopfdruck und stellen digitale Zwillinge 6 Monate vor Fertigstellung in CAFM Tools zur Verfügung – ohne BIM war es, bestenfalls, 6 Monate nachher! Dieser Kosten- und Optimierungshebel ist eklatant.

Ghezzo: In vielen Branchen spricht man von digitalen Ökosystemen, also von einer technischen Vernetzung über Unternehmens- und Anlagengrenzen hinaus. Das würde wohl auch bei Immobilien Sinn machen. Wie sieht sowas in der praktischen Umsetzung aus?

Waschl: Digitale Ökosysteme werden mit Sicherheit in naher Zukunft unser Handeln und unsere Möglichkeiten in der Bau- und Immobilienwirtschaft signifikant ändern. Heute ist die Rendite beispielsweise eine zentrale Messgröße im Asset Management. Alles über 4-5% ist gut. Aber diese 5% werden kaum in Korrelation zu anderen Daten gestellt. 5% können bei geringem Abnutzungsvorrat der Immobilie, bei hohem Instandhaltungsstau und einer sich ändernden Standortattraktivität in einem völlig anderen Licht stehen. Das Herstellen von Korrelationen, und das Überschreiten von Abteilungs- und Prozessgrenzen wird zweifellos der Game Changer in der Bau- und Immobilienwirtschaft sein, weil damit auch die Auswirkungen von Entscheidungen über Jahre sichtbar werden. Mit Realcube ist hier beispielsweise bereits eine Plattform am Markt aktiv, die beliebige Drittsysteme standardisiert im eigenen App Store anbindet, um möglichst viele dieser Korrelationen herstellen zu können. Der Kunde baut sich so aus dem App Store heraus sein individuelles Ökosystem zusammen, beispielsweise bestehend aus Stammdaten (digitaler Zwilling), einer ERP, Hausverwaltungs- oder CAFM Software, Transaktions-, Markt- und Grundbuchsdaten, oder auch Energiedaten, etc. Frei nach dem Motto „das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile.“ Eine meiner Firmen (www.redi4.at)  hat sich als erster österreichischer CAFM Anbieter bereits dort angebunden.

Ghezzo: Fachkräftemangel ist eine der großen Herausforderungen. Kann man sagen, dass Digitalisierung nicht Arbeitsplätze wegrationalisiert, sondern eher dabei hilft, die richtigen Talente in Unternehmen zu bekommen?

Waschl: Bau- und Immobilienwirtschaft haben gleichermaßen ein Fachkräfte- und Nachwuchsproblem. Die Gründe dafür liegen auf der Hand – wie attraktiv ist eine innovationsträge Branche, deren Kultur der Ruf vorauseilt claim- und streitintensiv zu sein, und in der sich mit einer gewissen Häufigkeit die Schlagworte Kostenüberschreitung oder Flächenversiegelung in der medialen Berichterstattung finden? Junge Talente haben heute Bedürfnisse, die wir in der Bau- und Immobilienwirtschaft verstehen und annehmen müssen, wenn wir sie gewinnen wollen. Gleichzeitig müssen wir die Erfahrenen und Etablierten davon überzeugen, dass die Digitalisierung kein Lifestyle-Trend ist, sondern eine Jahrhundertchance generationengerechte und performante Immobilien zu entwickeln, und wieder mehr junge Talente für unsere Branche zu begeistern. Eines ist dabei ganz klar, womit sich auch der Bogen zu den Fragestellungen schließt: Digitalisierung muss nachhaltig sein. Und Nachhaltigkeit wird Digitalisierung als Werkzeug brauchen.

Treffen Sie Mikis Waschl persönlich auf unserer Konferenz Ghezzo Immobilientag Starke Regionen

 

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