Die Hotellerie ist eine der Branchen, die durch COVID-19 am schlimmsten getroffen wurde. Wo noch vor kurzem immer nur von Rekorden an Auslastung und Umsatz zu hören war, herrscht jetzt Unsicherheit und Überlebensängste. Das Büro für Interaktion zeigt, wie in dieser Phase Social Media Marketing dabei helfen kann, mit seinen Gästen in Kontakt zu bleiben, Werbekosten gering zu halten und sich von den Plattformen zu emanzipieren. Dazu gibt es auf der Hotel Optimal Holiday am 30. September einen Vortrag von Sarah Kivalo, Petra Püngüntzky und Belinda Swoboda. In Vorbereitung dazu haben uns die drei Expertinnen schon einmal gute Tipps mitgegeben, wie Hoteliers die aktuelle Situation besser meistern können.
Die Fragen stellte Alexander Ghezzo
Ghezzo: Die richtige Marketingstrategie und die richtigen Marketingmaßnahmen braucht es gerade in Krisenzeiten. Was sind für Euch die wichtigsten 3 Tipps, die Ihr Hoteliers zum Meistern der aktuellen Lage geben könnt?
Büro für Interaktion: Unser Fokus als Agentur liegt ja sehr stark auf Social Media Marketing. Dementsprechend beziehen sich unsere Tipps auf diesen Teilbereich des Marketings.
1. Bleibt mit euren Gästen in Kontakt.
In Krisenzeiten tendieren Unternehmerinnen und Unternehmer dazu, dass sie erst einmal alles einstellen, was irgendwie Geld kostet. Häufig verharren sie dann in einer Art Schockstarre, bis die Krise vorbei ist. Erst wenn sich die Lage wieder einigermaßen beruhigt hat, fangen sie wieder an Geld auszugeben. Das ist natürlich auch wichtig. Die Ausgaben zu konsolidieren und zu verringern sichert ja auch erstmal das unternehmerische Überleben.
Gerade im Social Media Marketing führt das zu einem Preissturz bei Werbekosten. Das liegt daran, dass die meisten Social Media Kanäle ihre Werbeplätze durch Auktionen vergeben. Je weniger Werbetreibende ausgeben, desto geringer ist die Konkurrenz um einzelne Werbeplätze. Dadurch sinkt der TKP und die Werbung wird immer günstiger.
Zusätzlich nimmt natürlich die Kommunikation zwischen den Hotels und ihren Gästen ab. Das führt dazu, dass die Hotels immer weiter in Vergessenheit geraten. Und das in Zeiten in denen viele Menschen daheim sind und davon träumen das Haus zu verlassen und wieder “frei” zu sein.
Diese beiden Umstände zusammen, bringen zwei Effekte:
- Die Möglichkeit, günstiger Werbung zu schalten.
- Und dass diese Werbung viel bewusster und positiver aufgenommen wird.
Dabei sollte der Fokus der Kommunikation nicht auf den Verkauf ausgerichtet sein. Vielmehr soll den Gästen Gusto auf die Zeit nach der Krise gemacht werden.
Hier sehen wir eine Ausnahme: Regionen, die während der Corona-Krise schlechte Presse hatten, wie zum Beispiel Ischgl, sollten dabei sehr vorsichtig sein.
2. Fokussiert Euch auf die Teile der Marketingstrategie die tatsächlich etwas bringen.
In jeder Social Media Strategie gibt es Teile die in Krisenzeiten wenig bringen. Wie die meisten Hoteliers wissen, ist es verdammt schwer Nächtigungen zu verkaufen, wenn das Hotel auf unabsehbare Zeit zugesperrt ist. Im ersten Schritt sollte man also eine Bestandsaufnahme machen: Welche Marketingmaßnahmen laufen gerade und mit welcher Message? Danach sollte man diese herausfiltern die keinen Sinn machen. Das sind dann Kampagnen, die keinerlei Umsätze mehr bringen oder das falsche Produkt im Fokus haben. Die Teile die übrig bleiben, müssen dann so adaptiert werden, dass sie zum Krisenmodus passen. Während Corona sind sehr wahrscheinlich verkaufsorientierte Kampagnen im Tourismusbereich nicht zielführend. Maßnahmen, die auf Kundenbindung abzielen und für die Zeit nach Corona vorbauen, hingegen schon.
3. Macht Pläne für die Zeit danach.
Einige unserer Kundinnen und Kunden haben schon während der Krise die Zeit nach der Krise vorbereitet. Das war in Zeiten von Kurzarbeit und Lockdown nicht einfach. Sobald allerdings die Nachricht kam, dass die Hotels Ende Mai wieder aufsperren durften, waren diese Hotels bereit, sofort wieder verkaufsorientierte Werbung zu schalten. Die Vorbereitung hat sich gelohnt. Während andere noch eine Kommunikationsstrategie entwarfen, Stornierungsbedingungen adaptierten und ihre Webseiten anpassten, verbuchten diese Hotels wieder außerordentlich gute Verkaufszahlen über Social Media.
Ghezzo: Wie blicken denn Eure Kunden in den Sommer? Sehen sie Grund für Optimismus oder herrscht Panik?
Büro für Interaktion: Die Stimmung ist überraschend positiv. Natürlich verbuchen die meisten Hotels niedrigere Umsätze als sonst. Vor allem Buchungen aus dem Ausland sind massiv zurückgegangen. Das kann auch der Binnentourismus nur bedingt ausgleichen. Gleichzeitig ist die Angst zu spüren, dass die Krise auch starke Auswirkungen auf das Wintergeschäft hat. Vor allem Hotels mit starken Alleinstellungsmerkmalen haben weniger Sorgen, als Hotels die in der Masse untergehen.
Ghezzo: Direktbuchungen, das wünscht sich jedes Hotel. Wie kann man diese erhöhen?
Büro für Interaktion: Wir sehen vor allem zwei Hebel für Direktbuchungen:
Erstens Kundenloyalität, also wiederholte Buchungen, ggf. unterstützt mit Stammkundenrabatten, die nur durch Direktbuchung einlösbar sind. Wenn die Corona-Krise etwas Gutes hat, ist es möglicherweise das gesteigerte Bewusstsein der KonsumentInnen für die Ungleichheit zwischen großen Playern – egal welcher coleur – und lokalen Betrieben. Von diesem “buy local” Effekt können Hotels profitieren, dafür gibt es aber noch zu wenig Zahlen.
Ein zweiter Hebel ist es, sich auf technischer Seite von den Online-Riesen etwas abzuschauen. Stichwort: Perfekter Buchungsprozess. Potenziellen Gästen muss die Direktbuchung so einfach und transparent wie möglich gemacht werden. Das sind KundInnen – leider oder Gott sei Dank – von den großen Playern am Buchungsmarkt gewohnt und das schafft Vertrauen.
Aber eines darf man auch nicht vergessen: Das Geschäft von Booking & Co ist Hotelzimmer verkaufen, nicht Gastfreundschaft und Service! Das ist Job der Hoteliers und darin liegt auch ihre Stärke.
Ghezzo: Wie können sich Hotels im Social Media Dschungel unterscheidbar machen? Das 6. Bild vom Pool und vom schön dekorierten Tisch ist vielleicht auch nicht mehr der Bringer?
Büro für Interaktion: Auch im Social Media Dschungel gilt: Das Foto kann noch so gut sein, wenn dahinter keine klare Strategie und Markenaufbau stehen wird es wenig nutzen. Das klingt nach viel Arbeit? Ist es auch. Aber das Pferd von hinten aufzuzäumen – also von der Online-Plattform, die ich nutze (oder nutzen will) auszugehen, statt von mir und meinen Zielen, wird langfristig nicht zum Erfolg führen. Über die Unterscheidbarkeit müssen sich Hoteliers also schon Gedanken machen, lange bevor ein Foto gepostet werden soll.
Ghezzo: Wie seht Ihr das Thema Influencer-Marketing?
Büro für Interaktion: Um Influencer-Marketing ranken sich viele Mythen. Diesem “Werbetrend” haftet manchmal ein unseriöser Beigeschmack an. Aber im Grunde ist es nichts anderes, als gutes altes Empfehlungsmarketing, mit den neuen Verbreitungs-Möglichkeiten in Social Networks.
Wie bei jeder Marketing-Methode steht und fällt die Sinnhaftigkeit von Influencer-Marketing mit Zielsetzung und passender Strategie. Dazu gehört das sorgfältige Auswählen der Influencer, messbare Ziele, und vor allem eine realistische Erwartungshaltung. Nur weil Kim Kardashian mit einem einzigen Instagram-Posting einen Hype auslösen kann, darf ich nicht erwarten, dass ich mit einer Influencer-Kampagne mein Hotel einen Monat ausbuche. Kann ich mit durchdachtem Influencer-Marketing auf meine Markenbildung einzahlen, meine online Reichweite bei relevanten Zielgruppen steigern und zusätzliche Umsätze generieren? Auf jeden Fall.
Ghezzo: Schlechte Bewertungen sind ein Angstthema. Könnt Ihr hier ein paar Tipps geben, wie man mit diesen umgeht? Wie entscheidend sind Bewertungen?
Büro für Interaktion: Die Frage, wie entscheidend Bewertungen sind, beantwortet sich von selbst: Was mache ich, wenn ich eine Unterkunft suche? Googeln. Selbst wenn ich nicht explizit Bewertungen suche, bekomme ich die Bewertungs-Sterne teils schon im Suchergebnis angezeigt. An Bewertungen führt also kein online Weg vorbei.
Aber: Eine schlechte Bewertung ist kein Weltuntergang. Und Menschen, die Bewertungen lesen, können Tonalität, Inhalt und WIE darauf reagiert wird, sehr wohl einordnen. Sind es hier einzelne User, die ihrem Ärger Luft machen wollen oder taucht eine bestimmte Kritik in vielen Bewertungen auf?
Auf jeden Fall muss auf schlechte (aber auch auf gute!) Bewertungen reagiert werden. Wenn wirklich etwas schiefgelaufen ist, mit einer Entschuldigung und der Bitte eine 1:1 Kontaktaufnahme z. B. per Mail. So kann man dann eine Entschädigung oder ähnliches vereinbaren. Wenn man es mit Trollen zu tun hat, die primär ihre schlechte Laune loswerden wollen, helfen konkrete Fragen. Auf jeden Fall heißt es hier sachlich bleiben und sich nicht auf eine emotionale Diskussion einzulassen.
Ghezzo: Social Media ist ja im ständigen Wandel. Selbst etablierte Plattformen erfinden sich ständig neu. Welche Veränderungen und Trends seht Ihr in der Glaskugel?
Büro für Interaktion: Audio bleibt auch 2021 ein wichtiges Thema im Marketing Mix. Das ist von Podcast-Marketing über Audio-Branding ein breit gestreutes Feld. Gerade durch die Nutzung von Alexa und Co. wird dieser Teil natürlich auch immer wichtiger, weil der visuelle Reiz beim User wegfällt.
Ein großes Thema bleibt auch weiterhin der Datenschutz, aktuell durch den Fall des Privacy Shield. Es kündigen sich auf EU-Ebene dringende Diskussionen rund um Datenschutz an, Verordnungen werden nachgeschärft werden. Hoteliers werden sich wie alle UnternehmerInnen wieder auf Änderungen einstellen müssen.
Auch die unterschiedlichen Plattformen werden sich weiter verändern. Früher hieß es, Facebook ist für User 30+, Instagram für die jüngeren, Pinterest für Frauen. Das Bild hat sich wieder ein wenig verändert. TikTok erfreut sich bei jungen Usern hoher Beliebtheit, aber auch immer mehr Menschen jenseits der 30 nutzen mittlerweile diesen Kanal. Instagram bringt mit Instagram Reels gerade ein neues Feature raus, das ähnlich ist wie TikTok. Gleichzeitig hat TikTok mit Spionagevorwürfen und Datenschutzproblemen zu kämpfen. Wie sich das in Zukunft entwickeln wird, weiß man natürlich nicht. Fakt ist aber, dass Social Media sich ständig verändert und weiterentwickelt. Wir dürfen also gespannt auf die Zukunft sein.
Ghezzo: Welchen Stellenwert räumt Ihr den Algorithmen von Facebook, Instagram und Co ein?
Büro für Interaktion: Die Arbeit mit diesen Algorithmen ist unser tägliches Brot. Sie sind gleichzeitig unser bester Freund und unser schlimmster Feind. Auf der einen Seite ermöglicht der Algorithmus, Zielgruppen sehr genau zu kennen und ihre Bedürfnisse zu verstehen. Darauf können wir unsere Kommunikationsstrategien aufbauen. Gleichzeitig ist der Algorithmus bis zu einem gewissen Grad eine unbekannte Größe. Die Social Networks veröffentlichen ihre Algorithmen klarer Weise nicht, um Missbrauch zu vermeiden. Das heißt, dass niemand genau weiß, welchen Einfluss bestimmte Kampagneneinstellungen haben.
Unser Know-how liegt genau hier: Wir haben durch jahrelanges Arbeiten mit den Algorithmen gelernt, was gut funktioniert und was nicht. Es bleibt aber auch ein Lernprozess, denn Algorithmen werden natürlich auch weiterentwickelt. Das bedeutet, dass Strategien die heute top sind, in ein paar Jahren eventuell nicht mehr funktionieren. Und auch der ausgefeilteste Algorithmus ist nicht perfekt. Immer wieder passieren Dinge die unlogisch sind und uns Marketern die Suppe versalzen. In jedem Fall arbeiten wir daran, die Algorithmen so zu nutzen, dass wir die besten Ergebnisse für unsere KundInnen generieren.