Re-Use: Beschäftigung und Kreislaufwirtschaft im Rückbau

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Manchmal bringt Fernsehen schon noch wirklich Interessantes. Als ich Ende August z.B. den Kultur Montag im ORF genoss, fiel mir ein Bericht auf, zum Thema Re-Use im Bau – ein Thema, dass perfekt in den Rahmen unserer www.gbb-conference.at passt. Gleich am nächsten Tag kontaktierte ich BauKarussell, die Initiative aus dem Fernsehbericht. Markus Meissner ist einer der federführenden Köpfe dahinter und ich freue mich auf seinen Vortrag am 8. November. Vorab gibt es hier schon mal ein Interview mit ihm.

Ghezzo: Was ist BauKarussell?

Meissner: BauKarussell ist das erste österreichische Pilotprojekt für Re-Use im großmaßstäblichen Baubereich. In Zusammenarbeit mit großen Wiener Bauträgern werden im Bereich des verwertungsorientierten Rückbaus Re-Use-fähige Bauteile und Komponenten ausgebaut und für den Einbau in anderen Gebäuden im Zuge des Neu- oder Umbaus zur Verfügung gestellt. Dabei werden Arbeitskräfte aus sozialwirtschaftlichen Unternehmen eingesetzt, die damit Qualifizierung, Jobtraining und bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten.

Ghezzo: Re-Use bei Bauprojekten: Welche Elemente eignen sich dafür überhaupt?

Meissner: Interessante Produkte für Re-Use sind insbesondere die Bauprodukte Vollholzparkett, Vollziegel, Steinzeug, Natursteinwerk, Dachziegel; die Bauelemente Türen, Fenster, Fensterbeschläge, Säulen, Träger, sowie die Ausstattungsobjekte Sanitärobjekte, Heizkörper, Kachelöfen, Leuchtkörper, Stiegen, Geländer, Tischlerarbeiten, Dekor, aber auch Materialien wie Dachkies, Tore, haustechnische Anlagen, Jalousien, Betonbauelemente und vieles mehr.

Grundsätzlich gilt: geeignet ist alles, wo der Ausbau und Wiedereinbau technisch möglich ist, keine ökologische Beeinträchtigung zu erwarten ist, und wo eine Nachfrage aus dem Bausektor vorhanden ist, durch die die Kosten gedeckt werden können. Das ist in jedem einzelnen (Rück-)Bauvorhaben anders und daher immer neu zu prüfen, weshalb eine Berücksichtigung bereits in der Planung extrem wichtig ist.

Ghezzo: Durch die Recyclingbaustoffverordnung wird ja Bauherren einiges abverlangt. Wie streng sind die Vorschriften?

Meissner: Neben allen Aspekten, die sich mit den namensgebenden Recyclingbaustoffen beschäftigen, wird bei Rückbauvorhaben vom Bauherrn ein Rückbaukonzept eingefordert, um den verwertungsorientierten Rückbau von Beginn an zu unterstützen und zu ermöglichen. Bei dieser Art des Rückbaus werden vor dem maschinellen Rückbau sogenannte Stör- und Schadstoffe identifiziert und getrennt ausgebaut, um die Gewinnung von Recyclingbaustoffen und Verwertung (auch ganzer Bauteile) zu erleichtern.

Ghezzo: Wie schaut es mit der Nachfrage nach gebrauchten Bauteilen aus?

Meissner: Im Laufe unseres Projektes stoßen wir im Konsortium Caritas Wien, DRZ Wien, WUK, Romm ZT, Repanet und pulswerk in Neuland vor. Von großflächiger Nachfrage können wir derzeit nicht sprechen, dazu ist dieser Ansatz noch zu jung, und schließlich gibt es ja auch noch kein breites Angebot. Wir leisten derzeit Pionierarbeit insbesondere auf der Angebotsseite, um zu zeigen, was möglich wäre und damit überhaupt erst eine Nachfrage im Neubausektor zu stimulieren. Dabei sind viele relevante Details gemeinsam mit innovativen Bauherren und Bauträgern abzuklären. Wir sind überzeugt, dass sich dieser Markt, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Ressourcendiskussionen, entwickeln wird.

Ghezzo: Es klingt auf jeden Fall nach einigen logistischen Herausforderungen. Wie managet Ihr das?

Meissner: Zeit ist im Baugeschäft generell eine wertvolle Ressource. Insbesondere der richtige Zeitpunkt ist für uns ein Thema. Je früher wir bei Rückbauobjekten eingebunden werden, desto leichter können wir unsere Leistungen in den Ablauf eintakten.

Ghezzo: Wie sehen Sie die Zukunft des Re-Use Themas, auch im Hinblick auf die internationale Entwicklung?

Meissner: Eine der wesentlichen Wurzeln der Abfallwirtschaft war die geordnete Deponierung am Lebensende von Gütern/Produkten. Später kam das Thema Müllverbrennung (also eine thermische Behandlung) und das stoffliche Recycling ins Spiel. Das sind Maßnahmen, die es erlauben noch Nutzen aus den stofflichen Eigenschaften zu gewinnen. Mit dem Re-Use geht der Abfallwirtschaftssektor wieder einen Schritt weiter und versucht auch die Gestalt und Funktionen weiter zu nutzen. Parallel dazu wird angestrebt, schon beim Design und der Entwicklung von Gütern zu berücksichtigen, was am Produktende überbleibt. Dann sprechen wir von Abfallvermeidungsmaßnahmen und Ecodesign.

Re-Use ist ein relativ junges Schlagwort. Wir erkennen zwar schon die möglichen Potentiale, jedoch die Beschäftigung damit steht erst am Anfang. Aus dem Bereich der Haushaltprodukte gelangten bspw. im Jahr 2015 durch die RepaNet-Mitgliedsbetriebe ca. 4.400 Tonnen wieder in die Verwendung.

International ist der Re-Use-Ansatz ein wichtiger Teil im z.B. EU-Circular Economy Paket.

Ghezzo: Umweltbewusstsein als Businessmodell: Wie gehen Sie mit dem Spagat zwischen ökologischer, sozialer und ökonomischer Sinnhaftigkeit um?

Meissner: Den Spagat gibt es ja in erster Linie im herkömmlichen „Business as usual“, wo primär der wirtschaftliche Aspekt aus Perspektive des Investors zählt, allenfalls mit ein paar sozialen und ökologischen Zusatzfeatures zur Image- oder Akzeptanzverbesserung. Projekte wie BauKarussell treten mit dem grundsätzlichen Anspruch an, dass es diesen Spagat per se nicht gibt, denn unsere Projektherausforderung ist ja gerade, diese drei Ebenen künftig immer besser in Einklang zu bringen. Dass das auch geht konnten wir im Projekt an konkreten Bauteilen schon zeigen. Aber das erfordert enorme Anstrengung (und anfangs Förderung) um das herkömmliche Baugeschehen quasi „im laufenden Betrieb“ in Richtung Nachhaltigkeit zu verändern.

Dipl. Ing. Markus Meissner, Gesellschafter, pulswerk GmbH, treffen Sie  persönlich bei der GBB Green & Blue Building Conference am 8. November

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