Qualifizierung und Digitalisierung als Hebel für mehr Nachhaltigkeit in der Produktion

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Klingt ja gut: mehr Nachhaltigkeit bedeutet für ein produzierendes mehr Effizienz, spart Ressourcen und bringt mehr Kundenzufriedenheit. Wenn es doch nur nicht so ein steiniger Weg dahin wäre. Bedeutet Nachhaltigkeit (nicht zu verwechseln mit Green Washing) doch eine echte Transformation, eine Implementierung in der Firmenstrategie, eine Öffnung für neue Arbeitswelten und viel technisches Know-how. Wer sich das jetzt nicht antun mag, sieht sich bald einer Verschärfung des rechtlichen Rahmens gegenüber. Warten kostet dann nicht nur Zeit, sondern auch richtig Geld… oder bedeutet gar das Aus.

Herwig Winkler ist Professor in Cottbus und leitet unseren Lehrgang NACHHALTIGE PRODUKTION: ZERTIFIZIERTER LEHRGANG FÜR PRODUKTIONSLEITER*INNEN. In Vorbereitung des Lehrgangs haben wir dieses Interview mit ihm geführt. „Digitalisierung und Nachhaltigkeit werden DIE Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit sein!“

Alexander Ghezzo: Was bedeutet nachhaltige Produktion für Sie, bzw. wo sind die großen Hebel dabei?

Herwig Winkler: Die Transformation zur „Nachhaltigen Produktion“ in den Unternehmen ist das Gebot der Stunde. Es geht dabei darum, die Möglichkeiten der Digitalisierung und der Kreislaufwirtschaft bestmöglich zu verbinden, um Kundenanforderungen, Wirtschaftlichkeit im Unternehmen sowie Umwelt- und Klimaschutz optimal umzusetzen.

Alexander Ghezzo: In der Produktion werden schon jetzt unzählige Daten gesammelt und wird schon viel optimiert. Wo ist der Schritt von Effizienzsteigerung zu Nachhaltigkeit, oder ist das eh dasselbe?

Herwig Winkler: Die Effizienz am Shop-Flor in der Produktion ist weiterhin das Maß aller Dinge. Viele Daten in unterschiedlichen Systemen können zu Effizienzsteigerungen beitragen. Nachhaltigkeit ist keine einzelne Maßnahme oder ein Optimierungskonzept. Nachhaltige Entwicklung ist als Strategie in die strategische Entwicklung, den Wandel, die Transformation des Unternehmens einzubetten. Es sind alle Bereiche, Strukturen, Abläufe, Technologien, Prozesse und Mitarbeiter einzubeziehen. Wenn die nachhaltige Entwicklung intelligent umgesetzt wird, gelingt es die Effizienz in den Prozessen zu steigern, die ökologische und soziale Situation im gesamten Unternehmen zu verbessern und die Kundenansprüche gleich gut oder besser zu erfüllen. Der Hebel ist dafür die Digitalisierung.

Alexander Ghezzo: Wie sehr sind Themen wie ESG, Taxonomie und Kreislaufwirtschaft bereits in der Industrie angekommen?

Herwig Winkler: Themen wie Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft bis hin zur EU-Taxonomie und Environmental Social Governance (ESG) werden in den Unternehmen sehr unterschiedliche wahrgenommen und umgesetzt. Häufig sind große Unternehmen mit etablierter Mitarbeiterausstattung relativ schnell dabei, neue Konzepte zu diskutieren und auch ansatzweise in die Umsetzung zu bringen. Viele kleine und mittlere Unternehmen hinken da oft stark hinterher und werden erst aktiv, wenn es konkrete gesetzliche Vorgaben gibt oder bereits Nachteile aufgrund des Kundendrucks drohen. Gerade für die Breitenwirkung der Maßnahmen sind aber kleine und mittlere Unternehmen sehr wichtig. Es müssen daher insbesondere über die Aus- und Weiterbildung Akzente gesetzt werden, um die Bedeutung und die daraus resultierenden Chancen besser verstehen zu können.

Alexander Ghezzo: Was unterscheidet Green Washing von echter Nachhaltigkeit?

Herwig Winkler: Green Washing hat mit Nachhaltigkeit gar nichts zu tun. Im Gegenteil, es wird dadurch versucht, umfangreiche Veränderungen im Unternehmen, die zwingend notwendig wären, zu umgehen. Es werden Pseudomaßnahmen ergriffen, um über die Öffentlichkeitsarbeit das Unternehmen ins gute Licht zu rücken. Leider haben solche Ansätze oft einen gegenteiligen Effekt. Wenn die Öffentlichkeit von dem Green Washing erfährt, ist der Imageschaden kaum wieder zu glätten. Der darauf basierende wirtschaftliche Schaden ist u.U. viel höher als die Green Washing Maßnahmen im ersten Augenblick gebracht haben.

Alexander Ghezzo: Was bedeutet die neue Arbeitswelt und die Situation am Arbeitsmarkt für die Produktion?

Herwig Winkler: Die Veränderungen der Arbeitswelt werden ganz wesentlich durch die Möglichkeiten der Digitalisierung getrieben. Es entstehen verstärkt dezentrale Strukturen wo unterschiedliche Aufgaben an unterschiedlichsten Plätzen zu unterschiedlichsten Zeiten erbracht werden. Die Kunst liegt darin, durch geeignete Führungs- und Koordinationsinstrumente eine ziel- und outputorientierte Zusammenarbeit zu bewerkstelligen. Mitarbeiter und Management müssen teilweise erst effektive Modi finden, wie unter diesen Bedingungen gearbeitet werden soll.

Alexander Ghezzo: Wird die Digitalisierung und Automatisierung nun günstiger, als die entsprechende Arbeitskraft? Wird es zu einem neuen Schub in Richtung Automatisierung kommen?

Herwig Winkler: Digitalisierung und Automatisierung sind derzeit stark von Fragen der geeigneten Mensch-Maschine-Interaktion geprägt. Die Automatisierung wird vorangetrieben, gleichzeitig bekommt aber auch der Mensch eine wichtigere tragende Rolle. Die Digitalisierung wird die Automatisierung stärker vorantreiben, die Rolle des Menschen in der Produktion wird deswegen aber nicht geringwertiger, im Gegenteil. Allerdings werden sich Arbeitsinhalte und Rollenbilder stark verändern. Aus- und Weiterbildung, Qualifizierung into the job und on the job werden dazu immer bedeutungsvoller.

Mehr dazu Ende Februar bei unserem Lehrgang Nachhaltige Produktion

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