Österreichs Immobilienwirtschaft hat in Sachen Digitalisierung noch ganz schön Aufholbedarf

by Alexander Ghezzo

Die Digitalisierung umfasst unendlich viele Facetten. Und die österreichische Immobilienwirtschaft nutzt erst einen sehr geringen Anteil der digitalen Möglichkeiten. Peter Sittler ist Stiftungsprofessor am Institut für Immobilienwirtschaft der FHWien der WKW und Experte für Software und neue Technologien in der Immobilienbranche. Wo für ihn die größten Potentiale liegen und wie Digitalisierung die Immobilienwirtschaft verändern wird, erzählt er im Interview.

Ghezzo: Der Megatrend Digitalisierung verändert auch die Immobilienbranche. Was sind aus Deiner Sicht die größten Potentiale?

Sittler: Die Immobilienwirtschaft ist tendenziell immobil. Auch im Bereich der Digitalisierung in der Branche findet Veränderung nur langsam statt. Dabei ist nicht nur die Nutzung von Informationstechnologie ein Faktor, sondern insbesondere die digitale Transformation von Teilen des eigenen Geschäftsmodells. Es geht um die Digitalisierung von Prozessen und die Einbindung von neuen digitalen Innovationen und Technologien, wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) für die Vermarktung von Immobilien, Big Data für die Analyse

von großen Datenmengen, Building Information Modeling (BIM) für Planung, Bau und Bewirtschaftung im kompletten Lebenszyklus von Immobilien oder das Konzept der Blockchain als verteilte Datenbank für Immobilientransaktionen.

Ghezzo: Wie stehen die österreichischen Immobilienfirmen im Vergleich zu den internationalen da?

Sittler: Im internationalen Vergleich steht die Immobilienbranche in Österreich am Beginn der digitalen Transformation. Vorreiter ist der anglo-amerikanische Raum, aber auch die Schweiz und Deutschland sind uns einen Schritt voraus. Das betrifft neben der Forschung und Gründung von Startups, den sogenannten PropTechs, auch die Bereitschaft sich neuen Entwicklungen und Trends zu öffnen. Insbesondere der Bereich der Immobilienvermarktung kann hier noch stark aufholen.

Ghezzo: Transparenz ist einer der wichtigsten Effekte der Digitalisierung. Erwarten uns da noch Überraschungen?

Sittler: Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts. Und immer mehr Daten werden gesammelt, aufgezeichnet und auch ausgewertet. Der Schatz der eigenen Daten wird in Unternehmen oft stark unterschätzt und vernachlässigt. Aber auch der Markt der Anbieter von Daten wächst ständig. Das erhöht die Markttransparenz, stärkt die Konkurrenz und liefert ein immer umfassenderes Bild der Immobilienlandschaft in Österreich. Der Schatz der miteinander verknüpfbaren Daten ist aber bei weitem noch lange nicht gehoben.

Ghezzo: Wie siehst Du das Thema Datenschutz-Grundverordnung? Die Wirtschaftskammer und andere Institutionen warnen davor, sich zu spät darauf einzustellen.

Sittler: Das Thema sensibler Daten ist speziell aufgrund der Treuhandfunktion in den Immobilienberufen allgegenwärtig. Die Auseinandersetzung mit dem Thema allerdings noch wenig fortgeschritten. Auch wenn die strengeren Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung große Unternehmen stärker treffen, so sind die Anforderungen auch für die Masse der Immobilien-Kleinunternehmen nicht zu vernachlässigen. Hier werden Themen wie die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung und die Einwilligung bei der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten noch wesentlicher.

Ghezzo: Digitalisierung hat dem Thema Nachhaltigkeit wohl den Rang abgelaufen. Dabei kann der Einsatz von Sensorik und moderner Steuerung viel bewirken. Sind Energieeffizienz usw. Treiber in Sachen digitaler Transformation?

Sittler: Ressourcenschonender Energieverbrauch ist sicher ein Thema der Zukunft, geht aber mit smarten Häusern und Städten weit darüber hinaus. Aus meiner Sicht wird dadurch die Digitalisierung vorangetrieben. Aber so wird nur eine effizientere Nutzung von Ressourcen ermöglicht, die keine Verbesserung der digitalen Qualität von Unternehmensprozessen mit sich bringt.

Ghezzo: Du verwendest selbst sehr aktiv Social Media. Ist das in der Immobilienwirtschaft und sehr angenommen?

Sittler: Social Media und die Nutzung der neuen Medienkanäle ist sicher ein Thema für die Immobilienwirtschaft. In der Vermarktung hat sich das aber noch nicht durchgesetzt. Eine Untersuchung der Facebook und Twitter Affinität der österreichischen Immobilienunternehmen hat gezeigt, dass hier noch einiges an Potential besteht. Allerdings wird gerade beim Produkt Immobilie der Faktor Mensch mit seiner Dienstleistungsqualität sowie der persönliche Kontakt nie komplett wegfallen.

Peter Sittler finden Sie auch Xing: www.xing.com/profile/Peter_Sittler

Treffen Sie ihn persönlich bei der GBB Green & Blue Building Conference am 8. November

 

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