Martin Rohla im Interview

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Beim TÜV SÜD Leadership Symposium ist neben Michael Altrichter noch ein zweiter Protagonist aus der Reihe „2 Minuten – 2 Millionen“ mit dabei: Martin Rohla. Was Altrichter und Rohla gemeinsam haben, ist der Fokus auf Nachhaltigkeit. Als Biobauer hat Rohla ganz klare Positionen zu Umweltschutz und Verantwortung – was sich seiner Meinung nach gut mit wirtschaftlichem Erfolg vereinen lässt. Mehr über seine Investmentstrategien, Green Washing, Start-Ups, Rechtspopulismus und Zertifizierungen hier im Interview.

Autor Alexander Ghezzo

Ghezzo: Bei unserer Veranstaltung „TÜV SÜD Leadership Symposium“ geht es unter anderem darum, welchen Beitrag Unternehmen leisten müssen, um die Welt zu retten. Wir sehen Unternehmen wie Tesla, die sich das auf die Fahnen schreiben. Wie sehen Sie hier die Rolle von Unternehmen? Wird diese Verantwortung tatsächlich übernommen?

Rohla: Ja, ich sehe hier tatsächlich Bewegung: Verantwortung wird in zunehmendem Maße übernommen, egal in welcher Branche. Getrieben ist das oft vom Druck der Konsumenten, der immer stärker wird. Produkte, die nicht AUCH in Richtung Verantwortung und Nachhaltigkeit punkten, werden zunehmend schwerer verkauft. Unternehmen müssen sich hier dem Druck des Faktischen beugen, dass unverantwortliche Produkte immer weniger verkauft werden.

Ghezzo: Auch Maßnahmen in Bezug auf Klimaziele werden stärker und stärker reglementiert, was ist hier die Rolle der Unternehmen? Sind es die Unternehmen, die den Klimawandel stoppen werden müssen?

Rohla: Nicht nur, aber auch… Unternehmen sind verantwortlich für die Produkte, die sie entwickeln. Ich bleibe hier übrigens gern bei der einfachsten Definition von Nachhaltigkeit: soziale, ökologische und ökonomische Verantwortung zu übernehmen. Man soll anderen Leuten nichts Böses tut, man soll der nächsten Generation keine ökologische Bürde auflegen.

Ghezzo: Das ist ja auch der Hintergrund Ihrer Investmentstrategie. Was können Sie mir dazu erzählen?

Rohla: In Unternehmen möchte ich alle drei Säulen nachweislich sehen. Wir sind nach wie vor in einem kapitalistischen System, und hier müssen auch die sozial und ökologisch verantwortlichen Unternehmen erfolgreich sein.

Ghezzo: Ist der Kapitalismus überhaupt zu hinterfragen?

Martin Rohla: Wir sollen aufhören mit der Schwarzmalerei. Die Welt entwickelt sich ohnehin in die richtige Richtung. Wir haben heute um 50% weniger Menschen, die von Hunger bedroht sind, als noch vor 20 Jahren. Früher oder später wird das bedingungslose Grundeinkommen in irgendeiner Form kommen, das widerspricht in sich schon mal dem kapitalistischen System. Aber ich sehe eher eine langsame gesellschaftliche Entwicklung.

Ghezzo: Auch heute verwenden wir Menschen ja sehr viel Energie, um Dinge zu tun, die reinste Verschwendung sind. Wenn es dieses Grundeinkommen gäbe, müssten wir das nicht mehr tun.

Rohla: Wir glauben hier an eine freie Wahl der Tätigkeiten, und dass sich für alle wichtigen Tätigkeiten jemand findet, der das gerne machen wird…

Ghezzo: Oft sind es ja auch die Medien, die die Schwarzmalerei fördern. Warum ist das so?

Rohla: Allen, die der Schwarzmalerei anheimgefallen sind, empfehle ich, das Buch „Factfullness“ von Hans Rosling zu lesen. Er vertritt die Theorie, dass es in der Natur des Menschen liegt, dramatische negative Nachrichten eher an sich heranzulassen als positive, weniger dramatische. Das ist auch der Grund, warum in den Medien Schwarzmalerei funktioniert. (Buchempfehlung: Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist)

Ein anderer Grund ist die zunehmende rechtspopulistische Strömung in unserer Gesellschaft. Polarisierende und angstmachende kurze Statements treffen hier den Kern einer größer werdenden Wählerschaft.

Ghezzo: Nachhaltigkeit in jungen Unternehmen, in Start-Ups zu fördern, das ist ja auch Ihr Schwerpunkt in 2 Millionen – 2 Minuten. Was sind hier Ihre Beobachtungen?

Rohla: Ich frage konkret in die Richtung, wie sich die jungen Unternehmer das Thema Nachhaltigkeit vorstellen und wie sie es in ihrem Unternehmen genau leben. Nicht viele haben dazu einen genauen Plan, aber es ist Teil ihrer Werte. Wir sehen in der jungen Unternehmergeneration auch eine Gegenbewegung zu den Trumps und Orbans, die erkennen, dass man gesellschaftlich dann etwas bewegt, wenn man anderen Gutes tut.

Ghezzo: Aber oft sieht man auch einen gewissen Opportunismus in den jungen Menschen?

Rohla: Ja, aber hier kommen die meisten auch drauf, dass Opportunismus im Unternehmertum nicht unbedingt eine gute Strategie ist. „Everybody’s Darling is everybody’s fool!“ Auch dieser Spruch ist bis zu einem gewissen Grad wahr… Das versuche ich klar zu kommunizieren.

Ghezzo: Gibt es für Sie klare Kriterien, wenn Sie Nachhaltigkeit für Ihre Investments prüfen wollen?

Rohla: Die Messbarkeit ist oft schwierig… Wie messe ich sozialen Impact? Ich unterstütze unter anderem das Lokal „Habibi und Hawara“ im ersten Wiener Gemeindebezirk, das ein Integrationsprojekt für Flüchtlinge ist und wo wir Unternehmer ausbilden. Was hier gemacht wird, ist Gelegenheiten für Begegnungen zu schaffen, Angst zu nehmen etc. Wir begrüßen jeden Tag hunderte Gäste, das ist natürlich ein hoher sozialer Impact, aber wie will man den wirklich messen? Ich kann mir schon Stakeholder Modelle überlegen, aber was sagen die am Ende des Tages wirklich aus?

Ghezzo: Es gibt ja auch einige Nachhaltigkeitszertifikate, machen die Sinn?

Rohla: Ja, viele machen schon Sinn. Ich bin ja hauptberuflich Biobauer, und das Zertifikat legt wirklich hohe Qualitätskriterien an. Gleichzeitig sind viele Zertifikate auch Augenauswischereien, um sich ein reines Gewissen zu verschaffen – das verstehen wir unter dem Begriff „Greenwashing“. Darüber möchte ich die Öffentlichkeit in Zukunft noch intensiver informieren.

Ghezzo: Was sind momentan Ihre Lieblingsprojekte und Investments?

Martin Rohla: Das Habibi und Hawara eröffnet jetzt bald seine zweite Filiale, darauf bin ich sehr stolz. Auch das Magazin „Biorama“ finde ich toll, weil wir hier einen großen Multiplikationseffekt haben. Auch Swingkitchen, die vegane Burgerkette, geht auch sehr gut. Damit hinterfragen wir die industrielle Tierhaltung, das ist sehr gut.

Ghezzo: Sie sagen ja auch in der Öffentlichkeit immer wieder, dass Sie die vegane Lebensweise begrüßen, aber auch das Fleisch von gejagten Tieren sehr gut finden. Können Sie uns ein bisschen was über diese Lebensweise erzählen?

Martin Rohla: Die vegane Lebensweise finde ich nicht deshalb gut, weil sie das Recht der Tiere schützt. Natürlich ist Tierschutz auch wichtig, aber mir geht es eher um die ökologische Komponente der industriellen Tierhaltung: Wenn wir bedenken, welchen enormen Energiebedarf, Wasserbedarf und Flächenbedarf diese Tierhaltung hat, dann steht das in keinem Verhältnis zum Produkt, das damit erzielt wird. Auch die Ausscheidungen der Tiere sind in der Menge nicht gerade umweltfreundlich. Wir sprechen hier von 50% des landwirtschaftlichen Wasserbedarfes, 70% der Ackerfläche und einem Energiekoeffizient Faktor 9 – all das ist nötig, um die derzeit konsumierte Fleischmenge industriell herzustellen. Jeder, der also auf industrielle Tierprodukte verzichtet, tut der Umwelt etwas Gutes.

Ghezzo: Ich finde es zunehmend schwierig, die richtige Entscheidung in der Lebensweise zu treffen, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Heute tu ich etwas, um der Umwelt was Gutes zu tun, und morgen komme ich drauf, dass genau das aus einem anderen Grund schlecht für die Umwelt oder Gesellschaft war. Gab es schon einmal so Momente, wo Sie auch das Gefühl hatten, „da hab‘ ich mich geirrt, da habe ich auf das falsche Pferd gesetzt“?

Rohla: Nein, eigentlich nicht. Es geht mir nie um das absolut richtige, sondern um eine gewisse Ausgewogenheit, und einen kleinen Schritt kann man immer erreichen. Nur als Beispiel – wenn ich Obst im Supermarkt kaufe, und kein Plastiksackerl dazu verwende, dann ist das ein Mikro-Schritt und rettet allein noch nicht die Weltmeere. Aber es ist ETWAS, und es ist besser, als es nicht zu tun.

Gelegenheit Martin Rohla persönlich kennenzulernen gibt es beim TÜV SÜD Leadership SymposiumMit dabei sind u.a.  Michael Altrichter, Oliver Kahn und die GeschäftsführerInnen und leitende ManagerInnen von Unternehmen wie Attensam, AluKönigStahl, Fronius, Pewag, Kapsch, Swietelsky, Miele, GLS u.v.a.

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