Industrie 4.0. und Standards: Wie weit ist die österreichische Industrie?

by Alexander Ghezzo

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Dr, Karl Grün beschäftigt sich bei Austrian Standards mit Industrie 4.0. Im Interview erzählt er, wie innovative Betriebe Informationstechnologien usw. einsetzen und warum es wichtig ist, einen praxisorientierten Regulierugsrahmen zu schaffen, um den Gefahren des digitalen Zeitalters vorzubeugen.

Industrie 4.0 und Digitalisierungen sollen ..dazu beitragen, Europa als Industriestandort wettbewerbsfähiger zu machen. Wie weit ist die österreichische Industrie dabei schon?

Im Jahr 2015 wurde der Verein „Industrie 4.0 Österreich – die Plattform für intelligente Produktion“ gegründet. Ziel des Vereins ist es, die neuen technologischen Entwicklungen und Innovationen der Digitalisierung (Industrie 4.0) bestmöglich für Unternehmen und Beschäftigte nutzbar zu machen und den Wandel für die Gesellschaft sozialverträglich zu gestalten. Dazu werden Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Politik und Medien laufend über neue Entwicklungen zum Thema Industrie 4.0 informiert und Erfahrungen, Ideen, Daten, Studien und Analysen ausgetauscht.

Ein weiteres Instrument, um Österreichs Wirtschaft auf Industrie 4.0 vorzubereiten und zu begleiten, sind Pilotfabriken. In solchen Pilotfabriken lassen sich neue Methoden und Produktionsverfahren erforschen und entwickeln, damit sie Unternehmen später in ihrer regulären Produktion aufnehmen können. Österreichs erste Pilotfabrik Industrie 4.0 wurde in der Seestadt Aspern vom BMVIT und der TU Wien im August 2015 eröffnet, wo 20 Industrieunternehmen die Fabrik mit modernen Maschinen ausstatteten, um neue Produktionsverfahren zu entwickeln. 2016 hat das BMVIT über die FFG drei weitere Pilotfabriken im Themenfeld Industrie 4.0 ausgeschrieben.

Können Sie uns etwas über interessante praktische Umsetzungen erzählen?

Aktuelle praktische Umsetzungen reichen von der Fernwartung von Anlagen – sogar über Kontinente hinweg –, über intelligente Logistik am Fabrikgelände, um Fahrzeiten von Gabelstaplern zu optimieren, bis hin zu Big-Data-Anwendungen zur Analyse des Gebrauchsverhaltens von Produkten, um daraus deren Produktion zu verbessern oder neue Produkte zu gestalten.

Die digitale Transformation ist ja ein Prozess, der durchaus disruptive Tendenzen annimmt. Welche Schwierigkeiten ergeben sich daraus bei der Entwicklung von Standards?

Industrie 4.0 wird oft als System von Systemen bezeichnet. Dieses Aufbrechen von „Silodenken“ muss sich auch in der Entwicklung von Standards wiederfinden. So wurde bei der International Organization for Standardization ISO ein Koordinierungskomitee „Smart Manufacturing“ eingerichtet. So will man ein konzertiertes Vorgehen bei der Er- oder Überarbeitung von Standards in den einzelnen Technischen Komitees von ISO sicherstellen, aber auch das Zusammenwirken mit anderen Organisationen, die Standards entwickeln, entsprechend koordinieren, etwa mit IEC  in der Elektrotechnik Elektrotechnik) oder ITU in der Telekommunikation.

Welche Chancen und Risiken für die Industrie stecken in dem Thema Cloud?

Cloud-Anwendungen sind, so wie Big-Data, eng mit Industrie 4.0 verbunden. Die grundlegenden Fragen sind: Wo liegen die Daten und wer hat darauf Zugriff? Internationale Standards können bei diesen Themen des Datenschutzes und der Datensicherheit hilfreich sein und auch mithelfen, gesetzliche Vorgaben zu erfüllen.

Wie geht die Politik mit dem Thema Industrie 4.0 um, und welche Forderungen haben Sie an diese?

Insbesondere das BMVIT hat mit seiner Strategie für die FTI – Initiative Produktion der Zukunft, an der Experten aus Forschung und Industrie mitgewirkt haben, wichtige Vorarbeiten geleistet. Die neuen, aus Industrie 4.0 entstehenden Technologien und deren Auswirkungen, durchaus auch im juristischen Bereich, können die Durchsetzbarkeit bestehender Rechtsvorschriften bedrohen. Dies erfordert einen angemessenen Regelungsrahmen aus Rechtsvorschriften und freiwilligen Standards. Politik, Unternehmen, Wissenschaft und Forschung sind gemeinsam aufgerufen, zusammen die richtigen Weichen zu stellen – auch damit die richtigen Standards rechtzeitig verfügbar sind.

Wie nimmt sich Austrian Standards dem Thema Industrie 4.0 an?

Austrian Standards nimmt gemeinsam mit anderen Akteuren an der Plattform Industrie 4.0 Österreich für die Erarbeitung einer Normungsroadmap teil – ähnlich wie das auch DIN und DKE in Deutschland gemacht haben und machen. Über Austrian Standards kann man sich informieren, an welchen, für Industrie 4.0 relevanten Standards gearbeitet wird. Vor allem kann jeder im Dialog mit anderen Marktpartnern an der Entwicklung dieser Standards mitarbeiten. Zusätzlich informiert Austrian Standards über die jüngsten Trends wie bspw. beim Zukunftsdialog: FutureStandardsNow – Industrie 4.0 am 15. März 2017.

Innovation und Standards: Viele große Unternehmen versuchen den Start Up-Spirit aufzunehmen, um so zu wirklich neuen Wegen und Ideen zu kommen. Können Standards auf dem Weg zu wirklicher Innovation helfen?

Wenn man den Prozess der Entwicklung von Standards genauer betrachtet, wird einem schnell klar, worin der Nutzen für innovative Produkte, Dienstleistungen und Systeme liegt. Es geht um einen offenen Prozess, wo strukturiert systematisch die Erwartungen potentieller Kunden erfasst und im Dialog mit anderen Stakeholdern diese Erwartungen auf ihre praktische Umsetzbarkeit ausdiskutiert werden. Somit ist der Prozess der Entwicklung von Standards vergleichbar mit Open Innovation, Co-Creation und beinhaltet Aspekte des User Experience Design Thinking. Standards sind eine breit akzeptierte Möglichkeit, um Akzeptanz am Markt für Innovationen zu planen, zu entwickeln und sicherzustellen.

Am 15. März 2017 findet der Zukunftsdialog: FutureStandardsNow – Industrie 4.0, bei dem Experten und Praktiker das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln besprechen. Hier können Sie sich anmelden!

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