Immobilien Science-Fiction: Auf der Suche nach Innovation in „alten Geschichten“

von

Alexander Ghezzo

Die Science-Fiction Literatur begeistert mich seit der Kindheit. Vor allem die Klassiker – von Jules Verne, über H.G. Wells und Ray Bradbury, bis Philipp K. Dick, dem Erfinder von Blade Runner. Utopien, fantasievolle Schauplätze und eine Verschiebung der Grenzen von Realität und Möglichkeiten bilden den Rahmen für spannende Abenteuer.

Immobilien spielen selbstverständlich auch in diesen Welten eine bedeutende Rolle. Doch wie stellten sich die Utopisten und Science-Fiction Autoren die Häuser, Büros und Geschäfte von Morgen und Übermorgen vor? Was ist Realität geworden und was ist Zukunftsmusik? Und was ist wahr geworden, was sich niemand vorzustellen gewagt hat?

Viele der Science-Fiction Autoren hatten naturwissenschaftlichen bzw. technischen Background und nutzten dieses Verständnis, um ihre Welten zu bauen und ihre Visionen zu erklären. Isaac Asimov war zum Beispiel Chemiker, bevor ihn seine Robotik-Visionen zur Science-Fiction Ikone machten. Arthur C. Clarke – der Autor der Romanvorlage zu Stanley Kubricks 2001 – war studierter Physiker und gilt durch seine Prophezeiungen von geostationären Satelliten, Internet und bemannter Raumfahrt als Visionär.

Mit diesem wissenschaftlichen Fundament stellten sich viele Autoren des klassischen Science-Fiction der Frage: „Was ist möglich, wenn der Erfindungsgeist des Menschen (oder der außerirdischen Lebensform) die Grenzen des gerade Möglichen durchbricht?“ Und das betrifft natürlich auch die Immobilie: den Wohnraum, die Büros, Geschäftslokale und Fabriken.

Und damit sind wir beim Thema: Welche Visionen der Genre-Größen sind Realität, welche haben sich bereits überlebt, welche werden wir noch erleben und wo gibt es noch Ideen, die das Immobiliengeschäft verändern können und werden? Um diese Fragen zu beantworten, starte ich eine Abenteuerreise durch meine Bibliothek der Science-Fiction Klassiker.

Zukunftsimmobilien in Zukunftswelten

Mein erster Halt ist das Jahr „3001“. In diesem wacht der Protagonist von Arthur C. Clarkes „2001 Zyklus“ auf, um eine völlig veränderte Welt vorzufinden. Gebäude haben in dieser Welt den Städten den Rang abgelaufen. Dafür sind sie auch hunderte Kilometer hoch und bilden eigene urbane Zentren. In den Innenbereichen simulieren Projektionen normale Umweltverhältnisse. Urban Gardening bringt Parks in luftige Höhen. Und möglich wird das (Trommelwirbel…) durch spezielle vertikale und horizontale Aufzugs- und Transporteinrichtungen, die durch Kraftfelder unglaubliche Geschwindigkeiten erreichen.

Erinnert das nicht an die Forschungen von Aufzugsfirmen wie Schindler und Co.? Und das Wachsen in die Höhe ist doch eine unvermeidliche Antwort auf die Fragen der Verdichtung der Städte.

Saubergehalten werden diese vertikalen Lebensräume übrigens von insektenartigen Robotern, die rasch und unauffällig auch im geschäftigsten Treiben ihre Arbeit verrichten. Und auch sonst ist für Komfort und Unterhaltung gesorgt, sodass viele Menschen sich komplett vom Erdboden verabschiedet haben.

Philipp K. Dick – der vor allem durch die laufenden Verfilmungen seiner Werke immer noch zu den wichtigsten Vertretern der Science-Fiction Literatur des 20. Jahrhunderts zählt – lässt in seinem Klassiker Ubik seinen Helden Joe Chip durch seine automatisierte Wohnung schikanieren. Jedes ‚Service‘ muss durch Münzeinwurf bezahlt werden. So kann es schon mal passieren, dass Joe sein Apartment nicht verlassen kann, da er der Eingangstür noch Geld schuldet. Münzeinwurf klingt zwar antiquiert (man bedenke das Erscheinungsjahr des Romans 1969), aber natürlich ist es ein interessantes Geschäftsmodell für Vermieter.

Immobilien als Symbol für Machtverhältnisse und Gesellschaft

Natürlich spiegeln die Immobilien in Science-Fiction Romanen auch als Schauplätze eine wichtige Rolle, um gesellschaftliches Umfeld und politische Stimmung zu beschreiben. So bekommt die Architektur in Orwells „1984“ faschistisch monumentale Züge und das Innenleben der Gebäude der „Brave New World“ von Huxley spiegelt modernistische Oberflächlichkeit.

Hier gleich auch eine Leseempfehlung: Jewgeni Samjatin’s Roman „WIR“ gilt als Inspiration, ja teilweise Vorlage sowohl für Orwells als Huxleys. Werke. In diesem Roman sind Häuser wichtige Sinnbilder. Es gibt die moderne Wohnung, in der Transparenz soweit geht, dass sogar Decken und Böden aus Glas sind. Intimität wird unterbunden. Transparenz wird zum Mittel der Unterdrückung. Dem steht das ‚Alte Haus‘ als Rückzugsgebiet gegenüber. Es ist frei von jeder Technik und damit ein auch frei von Überwachung. „Sonst leben wir in unseren durchsichtigen, wie aus leuchtender Luft gewebten Häusern, ewig vom Licht umflutet. Wir haben nichts voreinander zu verbergen, und außerdem erleichtert diese Lebensweise die mühselige, wichtige Arbeit der Beschützer. Wäre es anders, was könnte dann alles geschehen!“

Aber wieder zurück zu den Visionen, wie Technik Gebäude und Leben verändert. Markus Hammerschmitt beschreibt in „Biosphere IV“ ein wachsendes Haus, eine Pflanze, die alle Funktionen eines Gebäudes abbildet. Leider geht dieses Experiment schief und das Haus weigert sich, sein Wachstum einzustellen. Als Grundmotiv ging es dabei um den Versuch, auf nachhaltige Weise die Natur zu nutzen – ökologisch vertretbar aber letztlich dann doch ganz zum Vorteil des Menschen.

Eine interessante Reise erzählt Sergej Lukianenko in Spektrum. Er reist durch die Galaxis und begegnet unterschiedlichsten Kulturen und Immobilien. Eine – dem Menschen recht ähnliche Kultur– zeigt sich als extrem vernunftorientiert. Formen des neuen Arbeitens mit flacher Hierarchie prägen deren Bürostruktur.

Visionen und Angst

In „Der Illustrierte Mann“ von Ray Bradbury schildert er ein vollautomatisches Haus. Die darin wohnende Familie fühlt sich unnütz und so beginnt ein gruppendynamischer Wahnsinn um sich zu greifen. Eltern und Kinder vernichten sich im psychologischen Kleinkrieg. Natürlich völlig überzeichnet warnt die Geschichte vor der Sinnkrise, in die die Abhängigkeit von Maschinen führen kann.

Weit Technologie freundlicher sind da die Gedanken von Isaac Asimov. Seine Robotervisionen handeln oft von der Koexistenz von Technik und Menschen. Die berühmten 3 Gesetze der Robotik sollen dieses Verhältnis klar halten: Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird. Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren. Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.

Doch stammen diese aus einer Zeit, in der man wenig daran dachte, dass Computer und Roboter den Menschen an Intellekt jemals übertreffen würden. Komplexität und Entwicklungsgeschwindigkeit lassen die Science-Fiction hinter sich. 3D Modelle sind jetzt schon perfekte Hilfe bei Vermarktung und Entwicklung – vielleicht bald sogar Lebensraum? Smarte Gebäude können auf den Nutzer reagieren und mit der modernen Arbeitswelt lösen neue Geschäftsmodelle auch in konservativen Branchen alt hergebrachte Strukturen auf.

Künstliche Intelligenz, Neuronen Computer und selbst lernfähige Maschinen sind – wenn nicht schon Realität – zumindest kein Science Fiction mehr. Vor der KI warnt übrigens Dennis Feltham Jones, in seinem Roman „Colossus“. Da übernehmen ein amerikanischer und ein russischer Riesencomputer die Weltherrschaft und entmündigen die Menschheit, die ja durch den kalten Krieg bewiesen hat, dass sie es nicht im Griff hat.

Moderne Science Fiction

Es braucht wieder moderne Science-Fiction, um bei all den technischen Neuerungen noch etwas draufzusetzen und das wagen momentan wenige. Wozu positive Utopien entwickeln, wenn diese schon in wenigen Jahren outdated sind?

Es bleibt zumindest eines: Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher kann ich Ihnen wärmstens empfehlen. Sie finden sicher dabei auch spannende Details, die Sie auf der Suche nach Innovation inspirieren.

Lesetipps

Jewgenij Samjatin: Wir, 1920

George Orwell: Nineteen Eighty-Four, 1949

Ray Bradbury: Der illustrierte Mann, 1962

Dennis Feltham Jones: Colossus, 1966

Philip K. Dick: Ubik, 1969

Isaac Asimov: Robotervisionen, 1992

Arthur C. Clarke: 3001 – The Final Odyssey, 1997

Sergej Lukianenko: Spektrum, 2007

Mehr über die Zukunft der Immobilie – abseits von jedem Science Fiction hören Sie auf der Digitalze Bau+Immo 2.0

 

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