Hoffnungsträger Wasserstoff

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Am 22.03.2022 trafen sich auf Initiative des TÜV SÜD um die 150 Expertinnen und Experten zu einem hochkarätigen Online-Event: Im Rahmen der Veranstaltungsreihen H2 Forum und TÜV SÜD Online Impulse haben wir an diesem Nachmittag den Bogen von der österreichischen Wasserstoff-Strategie über die aktuellen Forschungen bis hin zu konkreten Implementierungsprojekten und industriellen Anwendungen gesprochen. Nicht zu kurz kam dabei selbstverständlich auch das Thema der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Wasserstofftechnologie – eine der Kernkompetenzen des TÜV SÜD.

Die österreichische Wasserstoffstrategie

Jürgen Schneider

Der Weg Österreichs hin zu Klimaneutralität 2040 hat bereits in den vergangenen Jahren dazu geführt, massiv in Infrastruktur, Forschung und Entwicklung rund um das Thema Wasserstoff zu investieren. Selbstverständlich hat der Krieg in der Ukraine die Situation dramatisch verschärft und beschleunigt. „Das Erdgas aus der russischen Föderation ist nicht sauber, nicht billig, hat negative Klimawirkungen und ist nicht sicher“, bringt Jürgen Schneider, Bundesministerium für Klimaschutz, die Lage auf den Punkt. „Wenn Österreich Geld für Gas bezahlt, mit dem wiederum Waffen zum Kinder-Erschießen gekauft werden, müssen wir umgehend handeln!“

Nicht ganz so schnell wird wohl dabei der Umstieg auf Wasserstoff vollzogen sein: dennoch zeigt die österreichische Wasserstoffstrategie ein klares Bild auf, wohin die Reise gehen soll. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht die produzierende Industrie, Energieverbraucher Nummer 1 in Österreich. Die Umstellung auf klimafreundliche Energiebereitstellung wird zum strategischen Standortvorteil – so werden Produktivität und Arbeitsplätze nachhaltig gesichert.

Aber auch viele weitere Anwendungsfelder finden sich in der Strategie – von Forschung in der Herstellung und Anwendung über die gesamte Infrastrukturentwicklung finden sich Maßnahmen im Paket. Wichtig dabei – der Wasserstoffsektor muss in einen passenden regulatorischen Rahmen eingebettet werden, wird aber keinesfalls als staatlich gelenkter Wirtschaftssektor realisiert werden. Wirtschaft und Gesellschaft werden zeigen, welche Entwicklungen sich am Markt durchsetzen und welche nicht.

„Auch wenn es heute Indizien gibt, wo sich die Wasserstoff-Technologie durchsetzen wird und wo eher nicht, sollten wir keinesfalls einzelne Segmente jetzt schon ausschließen – das wäre der Feind der Forschung und letzten Endes des Fortschritts!“ mahnt auch Katharina Kocher, TÜV SÜD.

Grünen Wasserstoff herstellen

„Was ist eigentlich grüner Wasserstoff?“ und „In wie vielen Farbkategorien kennt man Wasserstoff?“ fragt Stephan Nestl-Röschl, TÜV SÜD. Die Meinungen darüber gehen nicht nur unter den Teilnehmer*innen auseinander – auch unter den Expert*innen ist man sich hier nicht einig. Wichtig ist dies allerdings bei der Frage „Ist der Wasserstoff, den ich einsetze, wirklich ein umweltfreundlicher alternativer Energieträger?“ Der Einsatz von Solar- und Windkraft zur Herstellung von Wasserstoff spielt dabei eine entscheidende Rolle. Auch zur aktuellen Diskussion rund um die „grüne“ Energieform der Nukleartechnik bezieht der TÜV SÜD Stellung: „Wir können uns aufgrund der aktuellen Diskussionen und Entwicklungen NICHT vorstellen, dass Wasserstoff, der durch Nuklearenergie hergestellt worden ist, als GRÜN bezeichnet wird.“

Wasserstoff speichern

Dass erneuerbare Energie nicht den Rhythmus des Verbrauchsbedarfs berücksichtigt, ist altbekannt. Umso wichtiger ist es, Wasserstoff möglichst verlustarm speichern zu können. „Wenn wir geologische Strukturen wie zum Beispiel natürliche, ausgeschöpfte Gasreservoirs unter Tag nützen können, gehen wir nicht nur einen Riesenschritt in Richtung Dekarbonisierung, sondern werden auch unabhängiger von fossilen Gaslieferungen“, erörtert Stephan Bauer / RAG Austria AG.

Druckspeichertechnologien wiederum sind für Transport und Mobilität unerlässlich. „Die OMV beteiligt sich aktiv an Forschung und Entwicklung – und geht bereits in die Anwendung“, berichtet Thomas Uitz / OMV Downstream GmbH. „Neben den schon bestehenden Wasserstoff-Tankstellen bauen wir derzeit neue und erweitern unser Angebot – der Fokus liegt hier im Schwerlastbereich.“

Grünen Wasserstoff einsetzen

Wo liegen nun die Einsatzgebiete von Wasserstoff? „Dem Wasserstoff kommt eine Schlüsselrolle zu – er ist sowohl als Energieträger, als Energiespeicher als auch als Grundstoff einsetzbar“, ist Katharina Kocher, TÜV SÜD begeistert. Dadurch hat Wasserstoff das Zeug zum Gamechanger.

Thomas Stöhr, HyCentA Research GmbH, belegt dies auch durch die aktuellen Forschungsinitiativen. „Wir gehen heute davon aus, dass langfristig 20-30% des Energiebedarfs durch Wasserstoff gedeckt werden kann“, berichtet er. Dass dies ein wichtiger Schritt – aber nicht der einzige – zu einer Dekarbonisierung ist, macht die Zahl deutlich. „Auch wenn wir nicht gern darüber reden – unseren Energieverbrauch grundsätzlich zu verringern, wird ein weiterer wesentlicher Faktor sein!“ mahnt er ein.

„Die CO2 neutrale Stahl- und Eisenproduktion in Österreich ist realisierbar! Wir gehen davon aus, dass wir bis 2050 dieses Ziel erreichen können“, sagt Thomas Bürgler, voestalpine. „Stahl aus Strom, der beispielsweise durch grünen Wasserstoff gewonnen wird, kann in unserem Elektro-Lichtbogenofen hergestellt werden.“ Diese und weitere Praxisbeispiele machen Mut, schaffen Neugier und inspirieren zu verantwortungsvollem Handeln.

Grünen Wasserstoff für alle verfügbar machen

Die Sektorkopplung und der Ausbau der Infrastruktur sind zwei wesentliche Aspekte, die noch weiter ausgebaut werden müssen, um Wasserstoff als universellen Energieträger und -speicher flächendeckend zur Verfügung zu haben. Hier dürfen wir aber nicht an Österreichs Grenzen Halt machen – dessen sind sich alle Expertinnen und Experten einig. Wir müssen europa- und weltweit Lösungen finden, damit auch die globale Energiewende gelingen kann.

Was es darüber hinaus braucht, ist die breite Sichtbarkeit dieser Zukunftstechnologie in unserer Gesellschaft. Nicht nur Netzwerke von Expert*innen, Industrie, Wirtschaft und Politik sind hier gefragt, sondern auch der Dialog mit allen Menschen unserer Gesellschaft, in jedem Alter. „Tu Gutes und rede darüber“ – für den vielfältig einsetzbaren Wasserstoff: Grundstoff, Energiespeicher, Energieträger – und vor allem HOFFNUNGSTRÄGER.

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