Unsere Fachkonferenz für Stadthotellerie ging auch in diesem Jahr wieder über die Bühne – erneut in einer nach wie vor angespannten Situation, mit Unsicherheiten, Hoffnungen, Chancen, großen Veränderungen etc. Vor allem aber mit einem gemeinsamen Spirit: In unserem WISSEN ROCKT NETZWERK Inspiration und Information mitzunehmen und zusammen an einer chancenreichen Zukunft zu arbeiten.
Mutige neue Geschäftsmodelle für die Stadthotellerie
Norbert Kettner, GF Wien Tourismus plädierte in seinem Eröffnungsvortrag für mehr Mut und mehr Innovation: Auf unseren Veranstaltungsort, das Hotel Andaz am Belvedere anspielend, provozierte er: „Hätten wir vor 15 Jahren gesagt, wir bauen ein Luxushotel im 10. Wiener Gemeindebezirk, wären wir besachwaltet worden!“ Und ob es Mut zu neuen Geschäftsmodellen, zu noch mehr Digitalisierung, zur bewussten Gestaltung des Erlebnisses ist – wichtig dabei ist, dass mutige Planung auch umsichtig umgesetzt wird. Ein konkretes Beispiel nannte dabei Matthias Winkler, CEO der Sacher Hotels, der sich kurzerhand entschloss, die „Separés“ wieder ins Leben zu rufen, den Online-Tortenshop zu pushen und mit einem Drive-In auch offline zu betreiben, und eigene Eiskreationen im eigenen Eiswagen zu verkaufen.
Norbert Kettner WienTourismus im Interview mit Alexander Ghezzo – YouTube
Gesamtkonzept Städtetourismus
Den Aufschwung bekommt man nur mit einem tollen Gesamtpaket wieder hin. Ins Zentrum rücken mehr und mehr die Bewohner*innen – dieser Trend wird sich in Zukunft noch verstärken. Grätzel werden ihre eigene Identität auch dem Gast eröffnen, sodass sich Wien von einer monozentristischen Stadt zu einem äußerst vielfältigen Reiseerlebnis transformiert. Das wird umgekehrt auch dazu führen, dass auch all jene, die in der Stadt leben, das Hotel als Bar, als Restaurant, als Ort der Öffnung und Begegnung erfahren. Das Hotel muss mehr und mehr die Symbiose mit der unmittelbaren Umgebung eingehen, und intelligent die Angebote bereithalten, die es in der Umgebung noch nicht gibt. Aber: „niemand braucht das 10. Fitness-Studio in der Straße“, mahnte der Hospitality Expert Nikolai Padoan.
Sehr schön umgesetzt findet sich diese Idee im Grätzlhotel (Urbanauts): Eingebettet in die Umgebung spricht auch die digitale Gästekommunikation alle lokalen Attraktionen in der unmittelbaren Nähe an. „Smarte und intelligente digitale Kommunikation mit dem Gast schafft rund um die Uhr Gastlichkeit und Nähe – auch ohne den direkten Kontakt zur Rezeption,“ erklärt Thomas Reiter das Konzept hinter „Staymate“.
Apropos Digitalisierung: Megatrend?
Ja sicher, aber bitte mit Maß und Ziel – dessen sind sich alle einig. Alles dreht sich um die Frage, wie viel Digitalisierung der Gast braucht. Das beginnt schon bei der Suche nach dem Hotel. „Willst Du ein Zimmer verkaufen, musst Du Erlebnisse kommunizieren – und zwar auf der EIGENEN Website“, so formuliert Michael Mrazek, ncm, sein erstes Gebot. „Separate the signal from the noise“ nannte es Norbert Kettner und meinte damit, nicht jede erdenkliche Digitalisierungswelle zu reiten. „Ich kann mir nicht vorstellen, beim Aufwachen sofort den Fernseher einzuschalten, nur damit ich dann via sprachgesteuertem Smart TV das Licht im Raum und die Heizung im Badezimmer aufdrehen kann“, pointierte es Stefan Urdl, CIO der Vienna House Hotels. Der Gast will im Grunde genommen nichts anderes als er auch zuhause hat – sein smartphone mit dem Netflix Abo mit dem Fernseher koppeln können. „Unsere Digitalisierungsstrategie ist daher praxisnah, aber nie hyperdigitalisiert.“
Und die Preisgestaltung? Reden wir darüber!
Nie kam es deutlicher zur Sprache als heute, und auch ohne die Linie des Erlaubten zu übertreten, ist es wichtig, gemeinsame Strategien für einen Aufwärtstrend der Preise zu entwickeln. „Wir müssen uns trauen, auch mal NEIN zu sagen, wenn die Einkäufer großer Agenturen und Unternehmen gnadenlos den Preis nach unten verhandeln“, appelliert Markus Marth, Schani Hotels – und stößt auf breite Zustimmung. „Ein dynamisches Pricing, das die Daten des Umfelds, die Trends, aber auch die eigene Erfahrung abbildet, ist durchaus sinnvoll und hat gerade im letzten Jahr enorm an Bedeutung gewonnen“, erklärt Florian Augustin, HotelPartner Yield Management. Doch Preise hin oder her, wieder kommt klar heraus: Wer dem Gast etwas bieten kann, wer ein besonderes Erlebnis gestalten kann, der kann auch höhere Preise verlangen. Momentan sind Reisende bereit, mehr zu bezahlen, wenn sie auch mehr dafür geboten bekommen. Dabei steigt auch die Nachfrage und das Bewusstsein für nachhaltiges Bewirtschaften, weiß Michael Dorfer (MOXY).
Apropos Nachhaltigkeit: Das neue trendy must-have?
„Druck und Nachfrage werden von allen Seiten größer, und längst geht es nicht mehr nur darum, ob das Frühstücksei von glücklichen Hühnern kommt“, weiß Gabriele Sonnleitner, Geschäftsführerin des Magdas Hotels. Nachhaltigkeit beginnt in den Räumen und Häusern, die wir nutzen, und erstreckt sich über die Frage, wie die Gäste anreisen bis hin zum Thema „Wie oft in der Woche muss es denn wirklich Fleisch sein?“ Dass es darüber hinaus mehr Verantwortung beim Projektentwickler braucht, wird weiterhin deutlich, und Andreas Kerschbaumer, CEO der Starlight Suiten, bringt es auf den Punkt: „Wenn Investoren bzw. Eigentümer*innen auch gleich die Betreiber*innen sind, ist ein nachhaltiges Businessmodell deutlich wahrscheinlicher!“
Schon bei der Errichtung und der Planung gibt es also viel zu bedenken: Wenn das Hotel mal kein Hotel mehr ist, welchen Zweck könnte das Gebäude dann erfüllen? Modulare Bauweisen, kluge Raumkonzepte und ausreichend Flexibilität in der Architektur sind Grundlagen für eine spätere, alternative Nutzung, gibt uns Erich Benischek (Fertighauszentrum Blaue Lagune), selbst Entwickler und künftiger Betreiber eines Hotels, zu bedenken. „Wenn Ihre Gäste mit dem E-Auto ankommen, brauchen Sie eine clevere Lösung, wie Sie die unterschiedlichen Ansprüche an Ladedauer und Ladeleistung erfüllen können!“ Elma Zizek und Martin Sautner, ABB, geben Hilfestellung bei der Planung und Ausrüstung von Ladeinfrastruktur. Konkrete Rezepte für Energieeffizienz kommen auch von Klaus Pichler, Rabmer Green Tech: „Von der winzigen Düse in der Dusche über den kleinen Wärmetauscher im Fettabscheider bis hin zu großen Wärmetauscheranlagen in den Kanalsystemen gibt es zahlreiche einfache Möglichkeiten, Energie zu sparen mit äußerst kurzer Amortisierungsdauer!“
Konzepte, Trends, Geschäftsmodelle… WO bitte bleiben da die Mitarbeiter*innen?
Sie sind längst ins Zentrum gerückt! Weil die Branche begriffen hat, dass sich nur so das Rennen gewinnen lässt? Weil die jungen Menschen trotz einschlägiger Ausbildung längst branchenübergreifend nach dem Job suchen, der die beste Work-Life-Balance bietet? Oder einfach deshalb, weil es ohne herzliches, sympathisches, motiviertes Team auch keinen Erfolg gibt? „Ich bin täglich mit der Situation konfrontiert, dass Hotelmanager meine Leute direkt in der Arbeit anrufen und sie mit einem konkreten Angebot abwerben,“ schildert Angelika Ponecz, Managerin des Grand Ferdinand, die Situation.
Doch auch wenn in den letzten 18 Monaten die Bezahlung gestiegen, die Arbeitszeiten planbarer und im Schnitt mehr freie Tage pro Woche drin sind – ein Traumjob par excellence ist es nicht für Jede*n. „Am Beginn der Ausbildung müssen wir oft die Erwartungen ins rechte Licht der Praxis rücken“, stellt Alexandra Hackl, MODUL Tourismusschulen, klar. „Karriereperspektiven zu bieten, die auch individuelle Weiterbildungswünsche berücksichtigen, ist heutzutage ein MUSS. Wir erarbeiten mit all unseren Mitarbeiter*innen bereits gezielt ihre employee’s brand“, erklärt Ines Lochmann, Director HR der Hyatt Vienna Hotels.
„Wir sind stolz darauf, dass jede*r unserer Mitarbeiter*innen unsere Markenbotschaft nach außen trägt“, fasst auch Matthias Winkler das Erfolgsrezept von Sacher zusammen.
Fazit
Wie also stark aus der Krise hervorgehen? Zusammen Ideen entwickeln, klare Strategien planen, die das Erlebnis des Gastes bewusst gestalten – immer im Einklang mit der Umgebung und dem schonenden Ressourceneinsatz – mutig umgesetzt mit einem loyalen, begeisterten Team – so kann auch der Aufschwung und damit der Erfolg ein nachhaltiger sein.
Danke an alle, die diesen sehr interessanten Tag mit uns gestaltet und verbracht haben!