Einreichung zum GBB Award: Sanierung und Verdichtung im Bestand

by Alexander Ghezzo

Sanierung und Verdichtung im Bestand sind ein essentieller Weg in Richtung nachhaltige Stadt. Für den Entwickler steckt dabei viel Risiko darin. Ob er die höheren Kosten auch in höheren Ertrag umwandeln kann, ist trotz der starken Nachfrage nicht gewiss. Der Vertrieb über Qualität ist langwieriger als über den Preis, weiß Jan Alexander Loebus der myfavoriteplace (Fertigstellung Ende 2019) zum GBB Award eingereicht hat, ein Projekt bei dem Green & Blue wesentlich im Fokus war. Im Interview geht er auf die Bauordnung, leistbares Wohnen, Technologie und die Herausforderungen bei Generalsanierungen ein.

Autor: Alexander Ghezzo

Ghezzo: Sanierung und Verdichtung ist ganz wichtige Grundpfeiler für die nachhaltige Immobilienwirtschaft. Was habt Ihr bei myfavoriteplace umgesetzt?

Loebus: Nicht wenige Personen rieten mir bei Projektbeginn, die „alte Hütte“ doch lieber abzureißen und einen kosteneffizienten Neubau (mit evtl. einem Regelgeschoß mehr…) zu errichten. 2 Gründe sprachen für uns dagegen. Erstens wohnen bis heute 2 Altmieter im Gebäude, die wir, da eine Absiedelung abgelehnt wurde und wir nicht zu denjenigen gehören, die diese mit etwaigen unlauteren Mitteln erzwingen, im Rahmen der geführten Verhandlungen in neuwertig sanierte (jedoch kleinere) Ersatzwohnungen im Haus umgesiedelt haben. Zweitens sehen wir in der historischen Bausubstanz einen großen, bestehenden Wert für unsere Kunden, die die Behaglichkeit der Ziegelbauweise, die hohen Räume und den allgemeinen Charme eines Altbaus sehr zu schätzen wissen.

Durch den DG-Ausbau und diverse An- und Umbauten wurde jedoch einerseits die Nutzfläche des Bestandsgebäude von ca. 800 auf über 1.400m² + ca. 300m² Freiflächen fast verdoppelt und andererseits dem Gebäude eine neue, energieeffiziente Hülle (HWB 34,8 kWh/m²a) gegeben.

Ghezzo: Green Urban Living: Klingt als ob Ihnen Nachhaltigkeit im Unternehmen ein Anliegen ist?

Loebus: So ist es. green.urban.living. wurde aus persönlicher Überzeugung mit dem Ziel, verantwortungsvoll zu bauen, gegründet.

Ghezzo: Man hat das Gefühl, dass durch die hohen Baukosten und Grundkosten im Wohnbau die Nachhaltigkeit eher auf das gesetzlich geforderte Mindestmaß zurückgefahren wurde. Haben Sie das auch so erlebt? Wie sehen Sie den Status Quo von Nachhaltigkeit im Wohnbau?

Loebus: Insbesondere im Bereich der Altbausanierung, wie wir das bei myfavoriteplace mit viel Liebe zum Detail und hohem Aufwand betrieben haben, bedeuten die derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein sehr hohes Risiko. Eine wirklich nachhaltige Altbausanierung ist bei den heutigen Einkaufs- und Baupreisen kaum mehr kostendeckend umzusetzen. Viele Immobilien werden zur Zeit nur für einen möglichst raschen Weiterverkauf „geschmückt“ – das ist leider meist nur notdürftigste Kosmetik… Bei den Neubauten gibt es zwar schon einen durch das gestiegene Bewusstsein der Kunden und auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen hervorgerufenen positiven Trend zur Energieeffizienz, mit wenigen Ausnahmen entsteht jedoch viel architektonischer „Einheitsbrei“.

Ghezzo: Wie schätzen Sie die aktuelle Wiener Bauordnung ein? Lässt sich damit gut arbeiten, oder gibt es Anpassungsbedarf?

Loebus: Grundsätzlich würde ich mir als Architekt ein weniger rigides Regelwerk wünschen (z.B. mehr Strukturwidmungen statt vorgegebener Baufluchtlinien, etc.). Natürlich ist ein klares Regelwerk, das auch objektiv und für jeden gleich ausgelegt wird, eine notwendige Grundlage für den fairen Wettbewerb am Immobilienmarkt. Wichtig ist da in einer wachsenden Stadt wie Wien vor allem, das auch die Flächenwidmung diesen Grundsätzen und einer zukunftsorientierten Stadtplanung verpflichtet ist. Wir sehen die Behörden als Partner in der Projektentwicklung und in der Umsetzung. Worunter wir beim Projekt myfavoriteplace sehr gelitten haben, ist die Möglichkeit von Anrainern, ohne eigenes Risiko und ohne baurechtliche Grundlage, ein Bauverfahren verzögern zu können – generell wäre eine Beschleunigung der Bewilligungsverfahren ein wesentlicher Schritt zur Kosteneffizienz, bzw. einer Verlagerung der Projektkosten hin zu tatsächlich gebauter Qualität.

Ghezzo: Leistbar und/oder nachhaltig? Sind Nutzer bereit für Nachhaltigkeit mehr zu bezahlen?

Loebus: Die Kunden von myfavoriteplace haben für ein besonderes Produkt auch etwas mehr bezahlt – wesentlich ausschlaggebender für die Verkaufspreise ist jedoch sicherlich weiterhin die Lage. Unter Nachhaltigkeit fallen unseres Erachtens vor allem auch gute Grundrisse. Durch entsprechende statische Maßnahmen (Rahmeneinbauten) konnten wir unseren Kunden sehr individuelle und flexible Wohnungsformen anbieten, bei denen nicht nur die Anzahl der Zimmer betrachtet wird. Die Vermarktung über die Qualitätsschiene ist gemäß unserer Erfahrung allerdings weiterhin wesentlich langwieriger und aufwendiger als über den Preis. Viele Wohnungssuchende können sich tatsächliche Nachhaltigkeit nicht leisten, oder es fehlt Ihnen weiterhin das langfristig orientierte Bewusstsein für Wohnqualität.

Ghezzo: Was für Technologien sind für Sie gerade besonders spannend in dem Zusammenhang mit Nachhaltigem Wohnen?

Loebus: Wir denken, dass Wind- und Sonnenenergie und in einem wasserreichen Land wie Österreich natürlich auch die Wasserkraft kreativ und auch dezentral im Wohnbau eingesetzt werden können – auch um den bewussten Umgang mit der „eigenen“ Energie für die Bewohner erlebbar zu machen. Zwei spannende Themen, die bei myfavoriteplace neben einer Photovoltaikanlage für den Allgemeinstrom zum Einsatz kommen, sind die Fassadenbegrünung, die ganz wesentlich zu einem gesünderen Stadtklima beitragen kann, und die Regenwassernutzung – über eine im Hof vergrabene Zisterne, die bei Starkregen auch als Rückhaltebecken fungiert, wird mit einer Solarstrom-betriebenen Pumpe die Fassaden- und Hofbewässerung bewerkstelligt.

Ghezzo: Sie haben begrünte Fassaden. Wie sind Ihre Erfahrungen damit?

Loebus: Noch müssen wir bei unseren Projekten die Erfahrungen mit der Fassadenbegrünung sammeln. Aus früheren Projekten mit Begrünungen im Wohnungseigentum haben wir gelernt, dass eine übergeordnete Pflege durch die Hausverwaltung und eben eine automatische Bewässerung unabdingbar sind. Bei Anrainern und Nutzern bestehen immer noch viele Vorurteile (Ungeziefer, Schmutz, etc…), aus persönlicher Erfahrung weiß ich aber das Mikroklima eines begrünten Wohnumfelds sehr zu schätzen und ich denke, ich bin damit längst nicht mehr allein! Immer mehr Stadtbewohner erkennen den Wert natürlicher Beschattung in der Stadt – ganz zu Schweigen von bunten Schmetterlingen oder Vogelgezwitscher…

Die GBB Awards werden auf der 10. GBB Green & Blue Building Conference  am 12. November vergeben.

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