Delta wurde schon einmal mit dem GBB Award ausgezeichnet und beeindruckt fast jedes Jahr mit einem weiteren Projekt mit dem Fokus Nachhaltigkeit. Wer Wolfgang Kradischnig kennt, weiß wie wichtig ihm dieser Impact der Arbeit der Delta ist. Dieses Jahr hat er ein Projekt eingereicht, dass sich dadurch auszeichnet, dass es in der Slowakei neue Maßstäbe für Green & Blue setzt.
Autor: Alexander Ghezzo
Ghezzo: Sie haben das Projekt Ekom eingereicht: Was macht dieses Projekt so besonders?
Kradischnig: Das Bürogebäude Ekom wurde letztes Jahr in der Slowakei fertiggestellt. Auch wenn der Standard in Österreich bereits weit verbreitet ist, so haben wir in der Slowakei damit ein Nachhaltigkeits-Statement gesetzt. Mit diesem Projekt haben wir den Investor trotz höherer Kosten von der nachhaltigen Bauweise überzeugen können und damit ein Vorzeigeprojekt geschaffen, das in den slowakischen und tschechischen Medien als grünes Vorbild für Bürobauten gewürdigt wurde. Somit wurde ein wichtiger Schritt gesetzt, um die nachhaltige Immobilienentwicklung zu fördern und den Weg für weitere Projekte zu ebnen.
Das Bürogebäude wurde aufgrund seines niedrigen Primärenergiebedarfs mit der Klasse A1 als außergewöhnlich wirtschaftlich bewertet. Das Gebäude ist optimal für die Verwendung von erneuerbaren Energieressourcen vorbereitet. Im Innenraum wurden natürliche bzw. recyclebare Oberflächenmaterialien (Teppiche, Fußböden) verwendet. Im Parkhaus wurden Ladestationen für Elektro-PKWs geplant. Das Projekt wurde im Herbst 2018 bei der „Woche der grünen Gebäude“ unter dem Motto ÖKOLOGISCH – GESUND – EFFEKTIV präsentiert.
Das Gebäude basiert auf einem für slowakische Standards sehr modernem Konzept. Nämlich darauf, dass in einem gesunden Bürogebäude das gesamte Unternehmen positiv beeinflusst wird. Neue Arten der Arbeit wie z.B. Coworking oder „third places“ mit eigenen Zonen für Pausen werden in Zukunft im Büroalltag eine immer größere Rolle spielen. Durch die nach dem Prinzip des „Activity Based Working“ strukturierten Räume und Arbeitsplätze sowie eine speziell gestaltete Beleuchtung wurden Rahmenbedingungen für eine moderne und effiziente Arbeitsweise geschaffen, in der sich Mitarbeiter wohlfühlen und produktiv sind.
Ghezzo: Wie stehen Ihrer Erfahrung nach internationale Bauherrn, Investoren und Developer dem Thema Nachhaltigkeit gegenüber? Zeigt sich hier ein Wandel?
Kradischnig: Das Thema Nachhaltigkeit durchdringt bereits die Länder in CEE und es gibt schon engagierte Bestrebungen, das Bewusstsein dafür zu schärfen und Projekte dementsprechend umzusetzen. Internationale Bauherren haben aus unserer Erfahrung in Zentral- und in Osteuropa dieselben Anforderungen. Die Umsetzung dieser Nachhaltigkeitsanforderungen (vor allem bei Zertifizierungen) nimmt in ihrem Schwierigkeitsgrad je nach allgemein verbreitetem Baustandard im Osten exponentiell zu. Das zu meistern, trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen, ist

Werknutzungsbewilligung lt. Vereinbarung, 2019
eine echte Leistung; dazu gehören die Beschaffung nachhaltiger Baumaterialien, die Baustellenlogistik- und Sicherheit, ein Einvernehmen mit Behörden und Anrainern zu bewerkstelligen sowie die länderspezifischen komplexen Brandschutzthemen zu managen. Oft gibt es auch Differenzen zwischen dem Bewusstsein der lokalen Vertreter des Bauherrn und seinen eigenen Vorstellungen zum Thema Nachhaltigkeit. Was hier stattfinden muss, ist also vor allem ein kultureller Wandel.
In der Ukraine wurde z.B. schon vor einigen Jahren der erste Billa Green Building Supermarkt mit einer Verkaufsfläche von 1.350 m² in Kiew realisiert. DELTA war für die Gesamtplanung und als Totalunternehmer für die Bauleitung verantwortlich. Für ukrainische Standards ein Pilot-Projekt war hier der Blower Door Test: Dieser hat ergeben, dass das Gebäude über einen hohen Dichtheitswert verfügt, was für eine qualitativ hochwertige Ausführung spricht und für einen niedrigen Energieaufwand im Betrieb essenziell ist. Es ist der erste Billa-Markt mit Gebäudezertifizierung in Osteuropa und das erste Gebäude mit DGNB-Zertifizierung in der Ukraine. Wir zertifizieren momentan mehrere Projekte in der Ukraine nach nachhaltigen Standards. Dazu gehören z.B. LEED Zertifizierungen von Unit City Gebäuden, eine DGNB Zertifizierung für die TAS Group HQ und viele mehr.
Ghezzo: Ist Österreich ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit?
Kradischnig: DELTA hat mit der Einführung der green line (welche im Jahr 2014 mit dem GBB Award ausgezeichnet wurde) ein Gesamtkonzept zur lebenszyklusoptimierten Planung von Immobilien geschaffen. Auf Basis dieses Konzepts wurden bis dato mehrere Projekte umgesetzt und sogar ausgezeichnet (z.B. NÖ Holzbaupreis für IFA Tulln 2018 und 2 Nominierungen in der Slowakei für das Projekt EKOM)
Ghezzo: Welche Technologien sind für Sie gerade besonders vielversprechend? Gibt es spannende Innovationen, die Sie spannend finden?
Kradischnig: Folgende Innovationen sind momentan spannend:
- Die Implementierung einer partnerschaftlichen Projektkultur als Voraussetzung für integrale Planung und somit für lebenszyklusoptimiert geplante Gebäude
- Mit Hilfe der BIM-Technologie Schaffung eines intelligenten mehrdimensionalen digitalen Gebäudemodells („digitaler Zwilling“) der über den gesamten Gebäudelebenszyklus mitgeführt wird und damit Bewirtschaftungs-, Umnutzungs-, und Rückbauerfordernisse besser abgedeckt werden können.
- Im Sinne des Cradle to Cradle – Prinzips das Ende (Anmerkung: der Immobilie) am Anfang mitdenken: den Rückbau und die Wertstoffgewinnung (Urban Mining, Baustoff-Recycling) am Ende des Immobilienlebenszykluses bereits bei der Materialwahl und -verbindung zu berücksichtigen.
- Die meisten Projekte scheitern an mangelhafter Kommunikation. Den Informationsaustausch und das Zusammenwirken der Beteiligten optimal zu unterstützen, sehen wir als ein wesentliches Ziel bei der Projektabwicklung. Aspekte wie ein hybrides Projektmanagement (siehe Praxisleitfaden der IG Lebenszyklus Bau November 2019) mit der prozessphasenabhängigen Kombination aus agilen Methoden, Lean Management und Design Thinking sowie die Nutzung einer gemeinsamen digitalen Projektplattform mit einer strukturierten Datenablage, Workflows und automatischer Versionierung entscheiden zukünftig über den Projekterfolg.
Ghezzo: Rechnet sich Nachhaltigkeit im Bau Erfahrungsgemäß dann tatsächlich im Betrieb, oder ist das zu romantisch gedacht?
Kradischnig: Da der Betrieb eines Gebäudes rund 80% der Kosten ausmacht und im Gegensatz dazu die Errichtung nur 20%, rechnet sich Nachhaltigkeit auf jeden Fall. Mit der DELTA green line wird nicht nur der Bauprozess, sondern der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes schon in der Planung berücksichtigt. Das Gebäude nicht als solitär, sondern als lebendiges Organ im Organismus Quartier zu betrachten und danach auszulegen (Förderung einer positiven Wechselbeziehung zum Umland) ist ein bedeutender Faktor für den Wert der Immobilie. Damit soll die Wertstabilität eines Gebäudes langfristig sichergestellt werden. Ebenso stellen wir uns die Fragen: Was passiert, wenn das Gebäude für die eingeplante Nutzung nicht mehr erforderlich ist? Wie kann man das Gebäude ressourcenschonend revitalisieren? Wie können Gebäude rohstoffgewinnend abgebrochen werden, können Baustoffe sortenrein getrennt werden? Dieses Bewusstsein für lange Wertstabilität, Nachhaltigkeit und Ressourcenwiedergewinnung betrifft natürlich auch die ökologische Materialwahl und die Vorgabe der einfachen Trennbarkeit der verbauten Materialien.
Ghezzo: Welche weiteren spannenden Projekte haben Sie gerade laufen?
Kradischnig: Momentan ist der Bau des neuen Seminarzentrums für die BOKU in Wien an der Türkenschanze in vollem Gange. SWAP und DELTA Architekten erhielten für die gemeinsame Planung des Projektes die klima:aktiv Gold-Zertifizierung. Das neue Gebäude wird den bestehenden BOKU Campus in Wien-Döbling erweitern und auf einer Nutzfläche von rund 3.000m² Platz für ein Seminarzentrum, eine Bibliothek, Institutsräume, Pool- und Userräume bieten. Neben den atmosphärischen Qualitäten des Baustoffs Holz trägt der hohe Tageslichtanteil zu einer freundlichen Lern- und Arbeitsumgebung bei. Die Innenräume werden über einen beschichteten Heiz- und Kühlestrich gekühlt oder erwärmt.
Die Umsetzung dieser nachhaltigen Aspekte wurde nach den Richtlinien der DELTA green line geplant. Diese konzentriert sich nicht nur auf den umweltfreundlichen Bau, sondern auch auf die Optimierung und Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Von großer Bedeutung waren bei der Planung nicht nur die ökologischen, sondern auch die ökonomischen, Lebenszykluskosten-relevanten Aspekte. In Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Institut für Bauen und Ökologie (IBO) wurden die Auslegung der Haustechnik und der Materialwahl optimiert. Das Projekt wird bei jedem Schritt gemeinsam mit dem Bauherrn BIG und dem Nutzer, der BOKU, gemeinsam abgestimmt und entwickelt.
Ein weiteres interessantes Projekt ist das Justizzentrum in Wien; hier wird momentan ein Gefängnis bei laufendem Betrieb umgebaut, was eine große Herausforderung darstellt.