Diese Krise können wir nur gemeinsam bewältigen – Hoteliers sprechen über den Einbruch, die Herausforderungen und die Chancen nach Corona

by Alexander Ghezzo

Unser fünftes Advisory Board Meeting Hotellerie stand im Zeichen der Corona Krise, aber auch im Zeichen von Austausch und Kooperation. Denn – wie es Erich Falkensteiner deutlich hervorhob: „Diese Krise können wir nur gemeinsam bewältigen.“

Online Meetings gehören mittlerweile zur Routine. Richtiger Ersatz für das persönliche Treffen können sie nicht sein und doch bringen sie viele positive Möglichkeiten mit sich. Z.B. konnten wir unser Advisory Board über die Grenzen hinweg gestalten – und damit internationale Perspektiven mit einbeziehen.

Mit dabei waren:

Monique Dekker (Park Hyatt), Erich Falkensteiner (Falkensteiner Michaeler Group), Georg Hörhager (Tourismusverband Kufsteinerland), Kurt Hummel (DAS SIEBEN), Andreas Kerschbaumer (Starlight Suiten Hotel), Markus Marth (Hotel Schani Wien), Felix Neutatz (Hotel am Stephansplatz), Mustafa Özdemir (LOISIUM Resorts), Nicolai Padoan (Kerten Hospitality), Daniel Prägant (Harry’s Home), Ulli und Hermann Retter (Hotel Retter), Dominic Schmid (NH Hotels Austria und Obmann der FG Hotellerie WKO-Wien) und wir, Gudrun und Alexander Ghezzo, sowie Katrin Pohorsky.

Die aktuelle Lage

Niemand war darauf vorbereitet, was wir derzeit erleben. 2020 hätte ein Rekordjahr für die Hotellerie werden können. Aber Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht: „So leer haben wir den Stephansplatz noch nie gesehen.“, schildert Felix Neutatz. So lange die Grenzen zu sind, macht für sein Hotel eine Öffnung keinen Sinn und mit dieser Einschätzung ist er nicht allein.

„Mein Job hat sich in den letzten Wochen extrem verändert.“, resümiert Monique Dekker ihre Erfahrungen der letzten Wochen. Natürlich muss man sich auch weiterhin um MitarbeiterInnen und Gäste (so denn noch welche da sind) kümmern. Aber Liquidität, Überbrückungskredite, Kurzarbeit, Kostenzuschüsse und das ständige am Ball bleiben, was Verordnungen erlauben und verbieten, beschäftigt die HotelmanagerInnen in hohem Maße.

Grund zu Optimismus gibt es nicht: Die Staralliance hat bekannt gegeben, dass sie erst 2022 wieder mit einer normalen Auslastung rechnet. 120 Millionen Nächtigungen sind aber nur mit nationalem Tourismus nicht erreichbar. Ausfälle so gering wie möglich halten, das ist laut Dominic Schmid das vorrangige Ziel.

Viel hängt davon ab, wann die Grenzen wieder geöffnet werden, für einige Destinationen auch deshalb, weil sonst die österreichischen Touristen es schwer haben, Ziele im Inland zu erreichen – Stichwort Deutsches Eck – erklärt Georg Hörhager. Für die Stadthotellerie ist die Grenzöffnung die wichtigste Voraussetzung, um kostendeckend arbeiten zu können.

Schwieriges Thema sind Pachten und Mieten. Nach ersten Kulanzen von Eigentümerseite, werden die Zugeständnisse immer weniger. „Holt euch zuerst eure Förderungen, dann reden wir über Mietreduktion“, das hören viele Hoteliers zurzeit. Der Fixkostenzuschuss bringt hier Erleichterung. Auch der Wertverlust bei verderblicher Ware ist dabei abgedeckt. Dominic Schmid appelliert an die Hoteliers sich darüber bei der WKO zu informieren.

Doch hier gibt es offene Themen: Ulli Retter z.B. meint: „Ich finde es gerade absurd, Leasingkosten zu berücksichtigen aber keine AFA (Absetzung für Abnutzung), die durch den Wertverlust abgebildet wird. und wo auch Finanzierungen dahinterstehen.

Daniel Prägant fasst zusammen: „Das heurige Jahr werden wir mit einem blauen Auge abschließen. Es ist nur die Frage, wie groß das blaue Auge sein wird und wann wir wieder mit etwas ‚Normalität‘ rechnen können.“

Ende des Shutdowns – Was nun?

Zwischen Mai und Juni planen die meisten Hotels eine sanfte Neuöffnung. Die Zwischenzeit haben einige Hotels – wie z.B. die Starlight Suiten – genutzt, Renovierungsmaßnahmen umzusetzen, bzw. aktuelle Digitalisierungsprojekte weiter voranzubringen.
Mustafa Özdemir hat nach dem Shutdown etwas sehr Spannendes gemacht. Das Loisium hat seine Kunden befragt, um zu erfahren, welche Bedürfnisse nach der Wiederöffnung entscheidend sein werden. Fokus dabei war das Thema Sustainability und Digitalisierung (Unten dazu mehr).

Internationales Umfeld

Österreich hat einen gewissen Vorteil, weil man schon an eine Öffnung denken kann. In Italien dagegen ist es noch völlig unklar, wann wieder geöffnet werden darf. Die Hilfen für die Hotellerie sind dort verschwindend. In einem kürzlich erlassenen 55 Milliarden Hilfspaket sind nur 130 Millionen für Hotels vorgesehen. Und das obwohl 13% des BIP aus dem Tourismus kommen, berichtet Erich Falkensteiner.

Nicolai Padoan hat bei Kerten Hospitality Einblick in den arabischen Raum. Dort sind die Maßnahmen weit weniger intensiv. Auch aus Schweden – seinem Heimatland – sieht er einen weniger einschneidenden Umgang mit dem Virus. Sein Stimmungsbild aus Schweden: „Die Bevölkerung sieht den Ernst der Lage. Die Folgeschäden einer „Quarantäne“ an der Psyche bzw. Wirtschaft werden gleich gewichtetet, wie die jetzige Gesundheitsgefährdung. Und wir würden es in Schweden nicht akzeptieren, dass ein Politiker diese Sachen entscheidet, sondern die Ärztekammer trifft die Entscheidungen, was auch zu weniger Diskussion führt.“

Preisdumping wäre jetzt tödlich

Die Versuchung ist natürlich groß, Gäste mit unwiderstehlichen Preisen zu locken. Dominic Schmid hat schon einige Gespräche mit Hoteliers geführt und sieht hier Einigkeit, sich nicht mit Preiskämpfen gegenseitig zu ruinieren. In Wien liegt die durchschnittliche Roomrate unter den Preisen vergleichbarer Städte. Die Fixkosten jedoch sind sehr hoch, so dass ein Preisdumping sehr schnell das Aus für viele Hotels bedeuten könnte.

Dennoch: Markus Marth sieht schon jetzt in der Umgebung Hauptbahnhof einen massiven Preisverfall. Preisabsprachen sollten – ist Dominic Schmid überzeugt – nicht das Mittel der Wahl hier sein. „Das Produktversprechen soll den Preis machen.“

Kurt Hummel bemerkt für sein Hotel, dass die Kunden vermehrt direkt in Kontakt treten, nachdem sie sich bei OTA und Wholeseller informiert haben. Genau hier heißt es aufpassen, nicht zu sehr mit dem Preis runterzugehen.

Kurzarbeit und andere Forderungen an die Politik

Die Kurzarbeit war im ersten Schritt sehr hilfreich. Aber wie geht es weiter? Wie geht man mit den Gutstunden der MitarbeiterInnen um? Was bringt die Runde 2 und vielleicht auch Runde 3?
Felix Neutatz spricht für alle, wenn er sich eine Verlängerung der Kurzarbeit bis Ende des Jahres wünscht. Es braucht aber Anpassungen. Markus Marth zählt auf: „schnellere Reaktionszeiten, persönlicher Ansprechpartner beim AMS, 100% statt 90% Kurzarbeit, weniger Papierkram, andere Regelung beim Abbau von Alturlaub bzw. Gutstunden, Feiertagen, spontanere Möglichkeiten Anträge zu ändern usw.…“

Und viele dieser Themen sind gerade auch in den Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern auf dem Tisch, berichtet Dominic Schmid. Er geht sogar von Kurzarbeit im Q1/Q2 2021 aus. Ein neues Model dazu soll ausgearbeitet werden.

Aber in der Kurzarbeit steckt auch ein Risiko vor allem für die gehobene Hotellerie. Monique Dekker ist sich sicher, dass das High Level an Service nicht von MitarbeiterInnen erbracht werden kann, die nur 10% da sind. Auch der Gehaltsverzicht ist langfristig keine Option, wenn man gute MitarbeiterInnen halten will.

Um die Wettbewerbsfähigkeit und Vergleichbarkeit mit den Nachbarländern zu gewährleisten, sind auch dringend steuerliche Reformen notwendig. Und eine Entbürokratisierung der Meldezettel wäre auch wünschenswert.

Frühstück

Frühstück wird nun überraschend komplex. Ist das Buffett tot? Dabei war es doch das Frühstück, dass wir in den Hotels so sehr genossen haben. Mustafa Özdemir schließt aus seiner oben angesprochenen Kundenbefragung, dass es durchaus im Sinne der Gäste ist, Foodwaste zu vermeiden.

Die Familie Retter sieht die extrem gestiegene Nachfrage nach Bio-Nahrungsmitteln. Die Wertschätzung von Lebensmitteln steigt. Entsprechend braucht es neue Konzepte, um effizient und qualitativ Frühstück anzubieten. Fooddesign eröffnet ganz neue Wege. Live-Cooking ist eine Chance. Aber auch Modelle – wie das der Retters – einen eigenen Biobauernhof zu betreiben, sind höher denn je im Trend.

Hygiene

Hygiene bekommt einen ganz neuen Stellenwert. Nicht nur gilt es gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. Es geht auch um das Gefühl der Sicherheit und das Vertrauen der Gäste. Ein Hygienemanager ist ab nun sowieso verpflichtend. In Wien wird es von Seiten der Wirtschaftskammer und der Stadt Wien ein Hygienesiegel geben, um zu zeigen, dass man sich dem Thema intensiv annimmt.

Monique Dekker holt sich zum Thema Hygiene Know How aus anderen Hyatt Häusern in Asien: In Japan und China waren Mundschutz, Desinfektion usw. schon vor COVID-19 Bestandteil des öffentlichen Lebens. Zusammen mit GBAC (Global Biorisk Advisory Council) hat man entsprechende Hygienerichtlinien erarbeitet.

Veranstaltung: Es dreht sich alles um den Abstand

„MICE ist eine Katastrophe!“, sagt Mustafa Özdemir. Die Regierung hege die Befürchtung, dass unter dem Deckmantel „Seminare“ Hochzeiten stattfinden. Das wolle aber niemand!

Von September bis November sind die Buchungen ja noch sehr gut. „Ab September sind wir eigentlich bis November bereits fast ausgebucht. Ob das so zu realisieren ist bleibt weiter fraglich“, so Markus Marth und Ulli Retter. In den persönlichen Gesprächen mit den Veranstaltern treffen auch die Hotelliers nur auf Unsicherheit.

Raumhöhen werden laut Dominic Schmid mitentscheidend sein. Events und Meetings sollen so schnell wie möglich auf 50 und dann 100 Personen ausgebaut werden. Eingangs- und Ausgangssituationen der Räumlichkeiten sind relevant. Und für Herbst sind noch größere Veranstaltungen auch internationalen Formats wichtig.

Chance: Regionalität und Nachhaltigkeit

„Nachhaltigkeit wird noch wichtiger, da die Kunden in der Quarantäne völlig umgedacht haben. Der Umsatz der BioKistl hat sich mindestens verdreifacht“, berichten Ulli und Hermann Retter. Und Nicolai Padoan konstatiert ebenfalls: „Nachhaltigkeit ist für die kommende Generation kein Wunsch mehr, es ist ein MUSS!“

Wenn der erdgebundene Personentransport wieder zunimmt, ist das für die lokale Ferienhotellerie eine Chance. Fernreisen fallen aus, lokale Destinationen sind ein attraktives Ziel. Lokal etablierte Häuser wie das Loisium haben einen Wettbewerbsvorteil. Jedoch braucht es dazu auch eine Chancengleichheit, was die Steuerbelastung im Vergleich mit unseren Nachbarländern betrifft, sagt Kurt Hummel.

Chance: MitarbeiterInnen

„In Zeiten wie diesen merkst du, was für ein Team du hast und wie die Unternehmenskultur ist“ sagt Erich Falkensteiner. In den letzten Jahren war der Ruf der Hotellerie als Arbeitgeber nicht gerade toll, wie Georg Hörhager meint, auch wegen einseitiger Berichterstattung in den Medien. Mit den Veränderungen am Arbeitsmarkt kann die Hotellerie wieder zu einem attraktiven Arbeitgeber auch für die lokale Bevölkerung werden.
Schon jetzt fällt auf, dass die Top-MitarbeiterInnen der Branche von Headhuntern abgeworben werden – durchaus auch raus aus der Branche, die im Augenblick keine Sicherheit bietet. Will also die Branche nicht ihre wichtigsten Kräfte verlieren, muss sie sich bemühen, attraktiv zu bleiben.

Chance: Digitalisierung und Innovation

„Die Digitalisierung wird sich weiter beschleunigen. Aber nicht in Richtung, schöner besser und größer.“, meint Erich Falkensteiner. Vielmehr gehe es nun darum, Prozesse neu zu denken und damit sichere und gute Lösungen zu schaffen. Er selbst ist mit Falkensteiner Ventures AG in einigen Startups investiert. Für diese bricht eine harte Zeit an, aber auch eine Zeit der Chancen.

Markus Marth sieht schon jetzt deutlich gestiegene Anfragen vor allem im Businessbereich in Bezug auf berührungslose Abwicklung. Auch Mustafa Özdemir sieht hier eine große Chance: Digitalisierungskonzepte auch für die Ressorthotellerie kürzen nicht etwa die Interaktion mit dem Gast, sondern verschiebt diese in Richtung effizientere Services.

Chance Generationen

COVID-19 wird die Reisefreudigkeit älterer Menschen einschränken. Wer seine Angebote also entsprechend konkret auf junge Menschen ausrichtet, kann sich im Markt positionieren. Frühstückszeiten müssen überdacht werden, digitale Services angeboten werden. Kreative Wege sind gefragt.

Chance: Gemeinsamkeit

Wir brauchen das Gemeinsame, den Zusammenhalt und die Solidarität. Schon jetzt bemerken die Hotelmanger, dass mehr untereinander gesprochen wird und der Zusammenhalt an Bedeutung gewinnt.
Erich Falkensteiner hat mit www.urlaubsfreunde.at eine Initiative am Laufen, wo sich auch Häuser ohne direkte Verbindung zur Falkensteiner Gruppe positionieren können. Initiativen wie diese stärken die Hotellerie und machen sie von OTA unabhängiger.

Während unseres Meetings brachte Monique Dekker eine innovative Idee ein, die genau in diesem Sinne ist: „Wir brauchen eine Austauschs- bzw. Vermittlungsplattform für Stadt- und Ferien Hotellerie! Es würde mich freuen, wenn wir für die Sommersaison uns Kollegen ‚ausborgen‘ können und umgekehrt.“. Diese Idee wurde von Erich Falkensteiner gleich aufgenommen und es würde uns nicht überraschen, wenn es in Kürze Kooperationen dieser Art gäbe.

Neustart oder Wiedergeburt?

Was auch immer die nächsten 18-24 Monate bringen werden: Ein Forecast geprägt aus den Erfahrungen der letzten Jahre ist nicht mehr möglich.

Nur so viel ist sicher: So wie es war, wird es nicht mehr werden. Nun heißt es, nach vorne zu schauen, die Chancen zu nützen und individuell zu überlegen, wie man diese nutzen und in erfolgreiche Angebote packen kann.
Austausch, Zusammenhalt, Gemeinsam am Wiederaufbau arbeiten sind dabei unumgänglich, das wurde von allen Seiten mehrfach betont. „Und bitte lasst uns weiterhin positiv bleiben, gute Stimmung ist jetzt sehr, sehr wichtig!“

Und genau dazu werden wir mit unseren Veranstaltungen einen Beitrag leisten und laden Sie ein, unsere Konferenzen Hotel Optimal Digital #5 und Hotel Optimal Holiday im Herbst 2020 als fruchtbaren Boden für gemeinsame, neue Ideen zu nutzen.

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