Der Preis soll und darf nicht das alles bestimmende Thema sein – Wie können Immobilienunternehmen mit Inflation und Kostendruck umgehen

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Martin Schiefer ist Vergaberechtsexperte. In einer turbulenten Zeit der Transformation – Nachhaltigkeit, Post-Corona, politisches Europa, usw. – spielt dieses eine sehr wichtige Rolle, u.a. wenn es um die Absicherung von Lieferketten und um die alles bestimmenden Preisanstiege geht. In Vorbreitung des Ghezzo Immobilientages haben wir Martin um seine Einschätzung der aktuellen Situation und um Tipps für Immobilienunternehmen gebeten.

Wie schätzt Du die aktuelle Lage ein? Stehen wir vor einer fundamentalen Wirtschaftskrise, oder wird das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz die Wirtschaft so beflügeln, dass es nach einer Delle schnell wieder bergauf geht?

Wir müssen uns aktiv der Situation stellen. Die jüngsten Krisen – die Coronakrise und die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine werden uns sicherlich noch die gesamte Dekade beschäftigen. Ein „Durchtauchen“ wird nicht funktionieren. Die aktuelle Situation ist sicherlich ganz differenziert zu betrachten: Ohne des Ukraine-Kriegs hätte wir sechs oder sieben Prozent Wachstum. Wir stehen jetzt bei 4,5 Prozent. Daran kann man erkennen, dass die Motivation der Unternehmer und Unternehmen da ist. Die Ukraine hat definitiv eine Bedeutung – aber sie ist nicht so allumfassend und bestimmend wie die Corona-Krise. Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind gleichzeitig Herausforderung und ein positiver Treiber für die Wirtschaft. Ganzheitlich betrachtet ist die Entwicklung positiv zu sehen – auch wenn dies sicher nicht linear verlaufen wird.

Was müsste denn aus regulatorischer Sicht passieren? Wie schätzt Du das auch aus Sicht des Ausschreibungs-Experten?

Dazu habe ich immer eine klare Meinung, der Staat soll so wenig wie möglich und gerade einmal so viel wie nötig eingreifen. In der Corona-Krise hat man leider nach dem Gießkannenprinzip agiert. Das hat sich – auch diesmal – nicht bewährt. Es ist teuer und ineffizient.

Bedeutet die aktuelle Situation – mit Inflation, Preisexplosion, Zinsenanstieg -, dass der Preis in den Ausschreibungen wieder zum alles bestimmenden Thema wird?

Der Preis soll heute nicht und darf auch in Zukunft nicht das alles bestimmende Thema sein.  Preisanstiege, Lieferketten, Inflation und Zinsen sind ein essenzielles Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Es braucht hier eine andere Denkweise und neue Ansätze. Wir müssen mit diesen Entwicklungen umgehen lernen. Open Book-Verfahren können etwa das klassische Preis-Thema ersetzen. Es braucht eine partnerschaftliche Herangehensweise, damit wir gemeinsam weiterkommen. Die steigenden Preise dürfen der Entwicklung nicht im Weg stehen. Es werden sich beide bewegen müssen. Vertrauen wird die echte Währung sein. Das Vertrauen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern wird die künftige Preisdiskussion bestimmen.

Was können Immobilienentwickler tun, um die steigenden Preise, Lieferengpässe und Marktunsicherheiten, abzufedern, bzw. sich abzusichern?

Immobilienentwickler können und müssen das tun, was jeder Geschäftsmann macht: Kooperieren. Wir müssen in langfristigen Dimensionen denken und bei Lieferketten und in der Logistik können, dürfen und sollen wir zusammenarbeiten – Das erlaubt auch das Kartellrecht ausdrücklich. Parallel dazu kann ich nur der Branche raten, die digitale Transformation aktiv voranzutreiben. Die Immobilien- und Baubranche hat hier in vielen Bereichen noch etwas aufzuholen. Mit Hilfe der Digitalisierung können noch enorm Effizienz gesteigert, Kosten eingespart und neue Geschäftsmodelle entwickelt werden.

Wie siehst Du das Thema Korruption in Österreich? Wie sehr schaden uns die Ereignisse der letzten Jahre und was sollte sich ändern?

Natürlich schadet das Thema Korruption dem Standort Österreich. Und das ist schade. In Österreich wird noch immer wieder eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und ein Miteinander mit unzulässigen Vorteilen und Freunderlwirtschaft verwechselt. Wir benötigen hier einfach Transparenz. Denn Transparenz ist die Basis von Vertrauen und die Verwaltung und die öffentliche Hand brauchen das Vertrauen.

Erfahren Sie mehr über Schiefer Rechtsanwälte

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