Den CO2 Fußabdruck von Prozessen und Produkten kennen und effektiv reduzieren

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Wie viel – oder wie wenig wert CO2 Berechnungen sein können, wissen wir spätestens seit dem Diesel-Gate, das die Automobilindustrie vor ein paar Jahren durchgemacht hat. Wenn wir verantwortungsvoll agieren wollen, ist es daher wichtig, transparent und klar darzustellen, wie der CO2 Fußabdruck gemessen wurde, welche Aspekte mit in die Berechnung fließen, und welche nicht. TÜV SÜD und seine Expert*innen haben dazu ein wissenschaftlich begründetes Verfahren etabliert, mit dem sie Vorberechnungen genau prüfen, ergänzen, verifizieren und validieren können. Das schafft eine valide Grundlage für zukünftige Projekte, schafft Transparenz und schafft Vertrauen.

Im Interview spricht Gudrun Ghezzo genau darüber mit Stephan Nestl-Röschel, Hydrogen Expert, TÜV SÜD.

Gudrun: Stephan, Ihr beim TÜV SÜD habt fundierte Methoden, um die CO2 Emissionen genau zu messen und zu berechnen. Wer oder welche Unternehmen sollten denn genau über den eigenen Fußabdruck Bescheid wissen?“

Stephan Nestl-Röschel: Das Wissen über den eigenen CO2-Fußabdruck ist für alle Unternehmen wichtig. Nur wenn ich meinen Fußabdruck kenne und weiß wo in meinen Prozessen welche Emissionen anfallen, kann ich auch effektiv etwas ändern. Dabei ist die Größenordnung der Emissionen in der Schwerindustrie natürlich eine andere als z.B. bei einem kleinen Betrieb aus der Dienstleistungsbranche. Auf der anderen Seite wird gerade in der Schwerindustrie sehr stark auf die CO2 Emissionen geachtet, da Energiekosten hier ein wesentlicher Kostenfaktor sind und zahlreiche Betriebe ohnehin gesetzlich verpflichtet sind ihre Treibhausgasemissionen zu bestimmen und dafür Emissionszertifikate zu kaufen. In anderen Branchen ist das Bewusstsein für die eigenen Emissionen teilweise deutlich geringer ausgeprägt.

Gudrun: Wenn ein Unternehmen mit bereits erstellten Berechnungen zu Euch kommt, macht Ihr die Verifizierung. Warum ist das notwendig?

Stephan: Eine unabhängige Prüfung trägt dazu bei, dass Fehler entdeckt werden und so die Qualität der Berechnungen erhöht wird. Das sorgt in weiterer Folge auch für eine höhere Glaubwürdigkeit der Ergebnisse und für eine bessere Vergleichbarkeit. Investitionen können so begründet werden, Förderanträge untermauert und der Erfolg von Projekten schließlich auch nachgerechnet werden.

Gudrun: In welcher Größenordnung liegen die Unterschiede, die Ihr feststellt? Seht Ihr einen Trend zum „Schönrechnen“?

Stephan: In welcher Größenordnung die Unterschiede liegen, lässt sich nicht pauschal sagen. Das kann von minimalen Abweichungen bis 50% und mehr gehen. Was ich aber schon sagen kann, ist, dass ich bisher noch nie die Erfahrung gemacht habe, dass ein Kunde bewusst sein Ergebnis schönrechnen wollte. Die Abweichungen kommen entweder aus vermeintlichen Kleinigkeiten, die sich in Summe dann doch deutlich auf das Ergebnis auswirken, oder weil schlicht und ergreifend Dinge vergessen wurden. Die Kunden sind dann aber üblicherweise froh, dass wir diese Punkte finden. Ein bewusstes Schönrechnen sehe ich bei unseren Kunden nicht. Falls jemand sein Ergebnis wirklich „schönrechnen“ möchte, würde er wohl auch keine Verifizierung bei uns beauftragen.

Gudrun: Ein Betrieb, der „nur“ fertige Module zusammenbaut, wird automatisch einen geringeren Fußabdruck haben als ein Unternehmen mit hoher Fertigungstiefe. Wie weit zurück muss man in der Lieferkette bei einer aussagekräftigen Berechnung gehen?

Stephan: An welcher Stufe man beginnt, hängt vom Kunden ab. Natürlich wäre es wünschenswert, den gesamten  Lebenszyklus eines Produktes, also „cradle to grave, zu betrachten. Es wird dadurch aber auch sehr aufwendig und aufgrund mangelnder Daten auch unsicher. Wenn nur ein Teil des Lebenszyklus, beispielsweise die Verarbeitung eines Vorproduktes bewertet wird, ist es vor allem wichtig, transparent darzustellen, welche Bereiche betrachtet wurden und welche nicht. Nur so kann eine Vergleichbarkeit zu anderen Produkten und deren CO2 Fußabdrücken gegeben sein.

Gudrun: Welche konkreten Tipps gebt Ihr Euren Kunden?

Stephan: Wenn Kunden ihre Treibhausgase berechnet haben, wissen sie üblicherweise bereits sehr gut darüber Bescheid, wo sie einsparen können. Im Grunde läuft es fast immer auf die Bereiche Energie und Transport hinaus, in denen man wirklich etwas beeinflussen kann. Teilweise haben Kunden auch die Möglichkeit ihre Vorprodukte zu ändern und beispielsweise auf Recycling zu setzen, aber das ist nicht überall möglich.

Gudrun: … und was ist Dein ganz persönlicher Tipp an uns alle als Menschen – wo haben wir den größten Hebel, unseren Fußabdruck zu verringern?

Stephan: Das sind eigentlich die genau gleichen Bereiche wie in einem Unternehmen, also der direkte Energieverbrauch, Mobilität, die Produkte die ich kaufe. Welcher dieser Bereiche überwiegt und wo man reduzieren kann, hängt sehr von der persönlichen Situation ab. Also wo ich wohne, welche Infrastruktur dort vorhanden ist etc.

Gudrun: …und da ist es wichtig, einfach immer wieder neue Einsparungen zu finden, und sich an kleinen Schritten freuen, die jeder von uns gehen kann. Eine*r allein wird die Wende nicht schaffen, aber wir alle zusammen haben eine faire und intakte Chance dazu.

Am 27.09.2022 ist es so weit: Treffen Sie Stephan Nestl-Röschel und das Team von TÜV SÜD auf unserer Fachkonferenz für Kreislaufwirtschaft und Energiewende im Palais Eschenbach in Wien.

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