Chancen und Herausforderungen für Frauen in der Immobilienbranche

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Die Immobilienbranche gilt nicht unbedingt als „progressiv“. Kein Wunder also, dass die Unternehmensleitung immer noch stark männerdominiert ist. „Auf Baustellen können Frauen sich nicht durchsetzen“, das hört man noch immer. Dr. Silvia Wustinger-Renezeder hat als Frau sowohl die Skyline als auch die Immobilienbranche in Wien mitgeprägt. Wie schätzt die Geschäftsführerin der 6B47 Wohnbauträger GmbH die aktuellen Herausforderungen und Chancen für Frauen in der Immobilienbranche ein? Im Zuge unserer Online-Diskussion zu diesem Thema haben wir uns dazu ausgetauscht.

Ghezzo: Wie hat sich „Führung“ aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren verändert?

Wustinger-Renezeder: Der Führungsstil hat sich in den letzten Jahren wesentlich verändert von einem Hierarchischen zu einem kooperativen Stil. Der nicht mehr Aufgaben und Aufträge verteilt, sondern gemeinsame Ziele im Team erarbeitet und erreicht.

Ghezzo: Haben Sie das Gefühl, es am Weg zu Ihrer jetzigen Position schwieriger gehabt zu haben als männliche Kollegen?

Wustinger-Renezeder: Auf jeden Fall – neben Kompetenz war ein 150% bis 200 % Arbeitseinsatz notwendig, um die Ziele zu erreichen.

Ghezzo: Wenn Sie auf Ihren Werdegang zurückblicken – würden Sie denselben Weg noch mal gehen, oder würden Sie andere Entscheidungen treffen?

Wustinger-Renezeder: Ich würde in vielen Dingen nochmals den gleichen Weg gehen, damit meine ich, dass ich mich auf Ziele fokussiere und mich dabei nicht ablenken lasse. Ich würde aber  noch mehr auf meine Teams achten und diese Teams viel mehr einbeziehen. ich bin im Laufe meiner Karriere zum richtigen Teamplayer geworden. Abgehoben zu sein ist der völlig falsche Weg – dies habe ich gelernt.

Ghezzo: Muss man als Frau „Männlichkeit“ zeigen, um erfolgreich zu sein?

Wustinger-Renezeder: Ob es Männlichkeit per se ist? das ist fraglich. Wichtig ist es auch ihre Sprach- und die Ausdrucksweise zu verstehen – dazu gehört auch ein entsprechendes Auftreten – wenn notwendig mit Move und Body Talk.

Ghezzo: Gelten andere Leistungsanforderungen an Männer und Frauen?

Wustinger-Renezeder: Von Frauen erwartet man 100 % Kompetenz und eine profunde Kenntnis der Sachverhalte.

Bei Männern habe ich es oft erlebt, dass so manches nachgesehen wird – sowohl an Kenntnis als auch an Kompetenz.

Ghezzo: Was raten Sie jungen Frauen, die sich auf den Weg zu einer Führungsposition in der Immobilienbranche befinden?

Wustinger-Renezeder: Eine gute Ausbildung im Umgang mit ihren männlichen Kollegen. Eine gute Kenntnis der „männlichen Sprache“ im Management.

Von der Ersten Minute an, den Respekt und die Wertschätzung von den männlichen Kollegen einfordern. Wenn dies nicht gegeben ist, dann wird die Zukunft sehr schwierig sein.

Kenntnis der informellen und formellen Netzwerke der jeweiligen Organisation – sich darin einzubringen und einzubinden ist eine der wesentlichsten Aufgaben.

Ghezzo: Worin besteht Ihrer Ansicht nach der wesentliche Zusammenhang zwischen Gleichbehandlung und Nachhaltigkeit?

Wustinger-Renezeder: Gleichbehandlung und Nachhaltigkeit haben für mich 2 verschiede Herleitungen.

Aus dem täglichen Management Alltag kann ich nur aus Erfahrung sagen, dass gemischte Teams in denen Frauen und Männer gemeinsam an einem Projekt arbeiten unter – für alle gleichen Bedingungen – viel erfolgreicher, konfliktärmer und profitabler ablaufen als reine Männer Projektteams – oder Teams in denen Damen nur für die untergeordneten Aufgaben zuständig sind.

Damit sind diese gemischten Teams für mich die nachhaltige Lösung für die Zukunft.

Der Gedanke der Nachhaltigkeit in der Umwelt wird sowohl von den Damen – aber auch von den überzeugten Herren in den Projektteams hochgehalten.

Ghezzo: Wie stehen Sie zum Gendering?

Wustinger-Renezeder: Nur das Gender I in jedem Wort zu verwenden ist für mich nicht der Erfolg.

Wenn es darum geht, wesentliche Schlüsselpositionen auch mit Frauen zu besetzten – da bin ich entschieden dafür.

Ich nehme an, dass es ohne gesetzlichen Druck in den nächsten Jahren nicht gehen wird.

Wenn einmal 30 % oder mehr der AR Posten und der Vorstandspositionen in Österreich mit Frauen besetzt sein werden, dann werden wir keine weitere Gender Unterstützung brauchen – dann wird der Erfolg alleine zu Wiederholungen führen.

Ghezzo: Was müsste sich Ihrer Meinung nach in der Immobilienbranche (oder anderswo?) ändern, damit tatsächlich Chancengleichheit besteht?

Wustinger-Renezeder: Wir werden über die nächsten Jahrzehnte eine Veränderung im mittleren Management erfahren.

Viele gut ausgebildete Fachkräfte, die weiblich sind, kommen nach.

Die Anzahl der neuen AbsolventInnen und deren Wunsch nach Erfolg wird die Überzahl der Männer überrunden.

Ich gehe aber davon aus, dass in den nächsten 5 bis 10 Jahren noch die gläserne Decke den ganz großen Karrieresprung in vielen Fällen verhindern wird.

In 10 bis 15 Jahren gehe ich davon aus, dass einfach mehr kompetente Frauen in der Branche tätig sein werden als Männer und damit auch die natürliche Nachfolge weiblicher sein wird.

Silvia Wustinger-Renezeder ist auch auf dem Immobilientag am 5 Mai dabei und diskutiert aktuelle Themen der Branche

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