Wissen rockt! Municipal Trends Advisory Board 2025: die Gemeinden, die Bürgermeister*innen und die großen Herausforderungen

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Am 23.01.2025 fand das Municipal Trends Advisory Board mit Beteiligung von Bürgermeister*innen und kommunalen Verantwortungsträger*innen statt. Was dabei rauskam, ist vor allem Offenheit und die ungeschönte Wahrheit über die aktuelle finanzielle Situation der Gemeinden und der klare Aufruf zu einer Strukturreform, um den Gemeindeaufgaben und den Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger weiterhin gerecht werden zu können.

Diskussionspunkt #1: Die Gemeindefinanzen

Die finanziellen Herausforderungen sind auch in diesem Jahr ist das Diskussionsthema Nummer eins. Und das hat nicht nur mit Zuzug und Abgang zu tun, sondern insbesondere damit, dass der Finanzausgleich die steigenden Kosten nicht wettmachen kann. Allein in Kärnten stehen so viele Gemeinden am Rande der Zahlungsunfähigkeit, dass ohne Zutun des Landes nicht einmal die laufenden Kosten decken lassen. Wie es um die Kommunen steht, ist auf der Website des KDZ www. Offenerhaushalt.at nachlesbar. Über 1.500 der gut 2.000 Gemeinden haben ihren Haushalt hier offengelegt.

Die Aussagen sind allerseits klar: „Ohne Struktur- und Verwaltungsreformen werden viele Gemeinden bald nur noch ihren Mindestverpflichtungen nachkommen können. Zu Aufgaben wie Bürgerdialog, Feste, die Errichtung neuer Spielplätze oder die Parkpflege werden dann viele Gemeinden nicht mehr in der Lage sein.

Woher kommen die Gemeindefinanzen, wenn der Finanzausgleich nicht mehr ausreicht? Die Kommunalsteuer der Betriebe als Einnahmequelle steigt und sinkt mit der Konjunktur, wie beispielsweise gerade der Fall KTM zeigt. Alle Gemeinden, in deren Gebiet Produktionsstätten und Zulieferer sitzen, ist gerade deren Beitrag zu den Gemeindefinanzen in Gefahr, teilweise oder ganz wegzufallen.

Eine andere Einnahmequelle, die offen diskutiert wird, ist die Vergnügungssteuer, deren Ausmaß Gemeinden bestimmen können. Nun führt eine höhere Vergnügungssteuer aber automatisch auch zu höheren Eintrittspreisen und damit zur Frage, ob eine Veranstaltung überhaupt noch lukrativ sein kann oder nicht.

Diskussionspunkt #2: Klimaschutz und Lebensraumgestaltung

Dachten wir 2023/24, dass die meisten Gemeinden ihre Hausaufgaben in Punkto Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Anpassung an den Klimawandel bereits gemacht haben, hat uns der Herbst 2024 mit einem Jahrhunderthochwasser gezeigt, dass dem nicht so ist. Gerade aus dem schwer getroffenen Niederösterreich hören wir, dass der Hochwasserschutz einerseits ein hoher finanzieller Aufwand, ganz besonders aber ein zeitlicher und intellektueller Aufwand ist. Schließlich gilt es herauszufinden, welche Präventionsmaßahmen in welchem wirtschaftlichen Aufwand zu welchem Schutz führen werden – und all das sind Prognosen in eine unbekannte Zukunft.

So auch der dekarbonisierte Verkehr: Eine Umstellung bringt viel Unsicherheit mit sich, auch vor dem Hintergrund des politischen Wandels wird die Notwendigkeit und der Nutzen immer neu diskutiert werden. Und überhaupt muss Mobilität über Gemeindegrenzen hinausgedacht werden: Typische Pendlerachsen müssen berücksichtigt und Takte aufeinander abgestimmt werden, ebenso muss die Transportlogistik mit berücksichtigt werden.

Es sind sich alle einig: Nachhaltigkeit, Energiewende und Klimaschutz dürfen keiner politischen Couleur angehören, denn das Wetter kümmert sich schließlich auch nicht darum, welche Partei gerade am Regieren ist. Die Realität ist aber leider anders, was die Komplexität der ohnehin schon schwierigen Entscheidungen weiter in die Höhe treibt.

Doch es gibt auch tolle Leuchtturmprojekte: Asphaltkollektoren beispielsweise, oder der Einsatz von Geothermie, wo durch Tiefenbohrungen neue Energiequellen nutzbar gemacht werden. Auch der Ausbau von Windkraft-Infrastruktur, aber auch von Glasfasernetz werden genannt, um den Anforderungen gerecht zu werden. Die konsequente Nutzung von Solarenergie kann beispielsweise auch durch Faltdächer, die im Bereich der kommunalen Flächen wie Kläranlagen oder Schwimmbäder zum Einsatz kommen können, noch verstärkt werden.

Auch die regionale Wirtschaft kann durch Kulinarikprogramme, lokalen Handel und Kunst- und Kulturveranstaltungen angekurbelt werden, was den Lebensraum weiter aufwertet – ebenso wie das Fördern von Gesundheitseinrichtungen und -programme.

Diskussionspunkt #3 Dialog und Bürger*innennähe

„Wir dürfen nicht vergessen, dass die Menschen nach den vielen Krisen müde sind und emotional aufgeladen gegenüber der Politik im Allgemeinen. Wir Bürgermeister*innen sind die ersten Ansprechpartner für sie, egal ob wir für die Themen zuständig sind oder nicht.“ So zusammengefasst wird auf den Punkt gebracht, was zwischenmenschlich von der Kommunalpolitik gefordert wird.

Wichtig sind und bleiben in diesem Zusammenhang die unterschiedlichsten Modelle, mit den Bürger*innen im Dialog zu bleiben. Dazu gehören nicht nur Präsentationen, sondern auch Formate, wo in Kleingruppen wirklich Fragen und Antworten möglich sind, wo Expert*innen sich Zeit nehmen, um auf Anliegen einzugehen. „Wir machen das beispielsweise bei Plänen zu größeren Projekten in der Gemeinde“, erzählt ein Bürgermeister davon, wie sie die Pläne auf Posterwänden bürgernah von Expert*innen erklären lassen, und sich für die Fragen Zeit nehmen. So wird es auch immer wichtiger, rechtzeitig im Zuge der Planung Mitsprachemöglichkeiten zu schaffen. „Wir richten uns hier bewusst auch an die Kinder, gehen in Schulen, stellen Fragen, um uns als Ansprechpartner für alle Anliegen zu positionieren.“

Und wenn man dann den Menschen zuhört, und hinschaut, wo deren Probleme sehen, dann kommt man oft auf noch mehr Probleme, für die man Lösungen finden muss – wie zum Beispiel die Qualität des geförderten Wohnbaus, aber auch das Kulturangebot, die Infrastruktur für Vereine und fürs Zusammenkommen, Stärken von Gemeinschaften und Grätzel, …

Und man kommt auch auf schöne neue Lösungen, wie zum Beispiel Multifunktionshäuser, in denen Kindergarten, Einkaufen, Gewerbe und Vereinsleben zusammen gut aufgehoben sind. Das fördert auch das Miteinander der Menschen, die Ortskernbelebung und den Dialog von Bürger*innengruppen, die sonst vielleicht keine Berührung hätten.

Eine weitere wichtige Aufgabe im Zusammenleben, aber auch im Organisieren wichtiger Funktionen einer Gemeinde spielen Vereine eine immer größere Rolle. Wo die schon angesprochenen extrem knappen Gemeindebudgets höchstens noch die Kernaufgaben der Gemeinde decken, sind Vereine wichtig, um den lebenswerten Lebensraum zu erhalten und weiter zu bewirtschaften. Es ist und bleibt also Aufgabe der Kommunalpolitik, für ein lebendiges Vereinsleben zu sorgen – sei es zum Pflegen und Erhalten der Infrastruktur, für Sport, für Kultur, für Gemeinschaft, oder für Treffpunkte mit Gleichgesinnten.  

Diskussionspunkt #4 Bürokratieabbau und Vereinfachung von Genehmigungen

„Wer heute ein zukunftsweisendes Bauprojekt in der Gemeinde realisieren will, braucht eine große Zahl von Sachverständigen, um das überhaupt zur Genehmigung zu bringen. Und wenn individuelle Lösungen ein Bauen außerhalb der Norm notwendig machen, dann wird es erst richtig kompliziert“, sprechen die Bürgermeister die Erfahrungen mit den starken Regulierungen an. Bürokratieabbau wäre also für alle gut!

Die Flächenversiegelung so gering wie möglich zu halten, im bebauten Gebiet minimalinvasiv zu bauen, versiegelte Flächen überbauen, … um alle Möglichkeiten auszuschöpfen und die beste Lösung für die Gemeinde und den Ortskern zu realisieren, braucht es unter Umständen unkonventionelle Ansätze, für die es keine Normen gibt. Wenn dann die Grundstückspreise z.B. aufgrund der touristischen Lage in die Höhe schnellen, dann trifft die Baukostenexplosion den Steuerzahler erst recht.

Auch schon angesprochen wurde die längst fällige Strukturreform. Der gesamte Föderalismus mit der aktuellen Organisation der Ausgleichszahlungen und Aufgabenverteilung ist zu hinterfragen. Kärnten könnte hier eine traurige Vorreiterrolle zukommen, die aber gleichzeitig auch jetzt schon ein Warnsignal sein sollte: 2026 werden laut Prognosen alle Kärntner Gemeinden Abgangsgemeinden sein. Über die wirtschaftliche Notsituation der Gemeinden hat uns Regina Wiedl mit Statistiken aufgezeigt, wie sehr die Kärntner Gemeinden von Zuschüssen abhängig sind, um nur die dringendsten Verpflichtungen leisten zu können. „Unsere Gemeinde im Südosten von Kärnten war anfangs Negativ-Vorreiter in Kärnten, mittlerweile gibt es nur mehr eine kleine Anzahl von Gemeinden, die ein positives Ergebnis erwirtschaften“, hören wir. Sie sieht hier die drastische Gefahr, dass dieses Schicksal in ganz Österreich Realität werden könnte, denn die Ursachen sind in der Struktur der Einnahmen und des Finanzausgleichs zu finden. Wenn die Verpflichtungen und damit die Kosten für die Gemeinden ständig steigen, der Ausgleich aber nicht proportional mit steigt, dann ist die logische Konsequenz eines negativen Ergebnisses und irgendwann der Zahlungsunfähigkeit deutlich sichtbar.

Wie aber soll diese Strukturreform aussehen? Wird es einen gemeinsamen politischen Willen dazu geben? Wie wird die Verwaltungsebene mit einbezogen? Und wie sollen die Gemeinden bis dahin überleben und für ihre Bürger*innen einen lebenswerten Lebensraum schaffen? Diese Fragen müssen offenbleiben, wir werden ihnen auf unserer Municipal Trends Konferenz Raum geben.

Fazit

Die positive und motivierte Stimmung unter den Bürgermeister*innen ist eine starke Triebfeder, die massiven Herausforderungen zu meistern. Sich an jedem gelungenen Projekt zu freuen und ein Beispiel zu nehmen, hilft dabei unglaublich. Genau deshalb werden wir am 03.06.2025 in St. Pölten bei der Municipal Trends diese Leuchtturmprojekte auf die Bühne holen und gemeinsam Lösungsansätze für die Herausforderungen diskutieren. Durch Vernetzen, innovative Ideen und kreative Stimmung tragen wir dazu bei, dass die Gestalter*innen der Gemeinden Österreichs weiterhin lebenswerten Lebensraum schaffen können.

 

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