Wissen rockt! CTC Advisory Board 2025: Trends und Herausforderungen bei der Kreislaufwirtschaft

Am 21.01.2025, einen Tag nach der Inauguration des US-amerikanischen Präsidenten haben wir zum #wissenROCKT Advisory Board Close the Circle eingeladen. Kreislaufwirtschaft wird immer noch als DIE Antwort gesehen, die der Erderwärmung und der Ressourcenknappheit entgegensteht. Doch die Stimmung ist gedämpft, mitten in der Wirtschaftskrise stellt sich weniger die Frage nach hohen Idealen, als vielmehr ums kurzfristige Überleben. Dass eine komplette Abkehr von der Kreislaufwirtschaft auch nicht förderlich fürs langfristige Überleben ist, ist klar. Können wir uns eine kurze Pause leisten?
Diese und noch mehr Fragen haben wir gemeinsam diskutiert:
Mit dabei:
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Martin Schiefer, Schiefer Rechtsanwälte -
Anna Vera Deinhammer, ÖGNI -
Gerald Heerdegen, CEO, Fahnen-Gärtner GmbH -
Thomas Höpler, Sustainability Manager, Neuman Aluminium Industries -
Markus Kraft, Supply Chain Management, Procurement & ESG, HIRSCH Servo AG -
Sabine Nadherny-Borutin, Plastics Europe
Vor welchen Herausforderungen stehen wir also aktuell? Welche Fragen gilt es zu lösen und welche Optionen tun sich auf?
HERAUSFORDERUNG NUMMER 1 – WETTBEWERBSFÄHIG BLEIBEN
Nicht nur, aber auch aus dem Kunststoffsektor hören wir, dass es derzeit günstiger ist, kompaktiertes EPS nach Fernost zu exportieren, dann das wiederaufbereitete EPS wieder zu importieren, anstatt den Wertstrom der Wiederaufbereitung auch in Europa zu belassen. Wie kann das sein? Wie wollen wir uns hier wettbewerbsfähig halten? Auch in der Fahnenproduktion steht ein eiskalter Preiskampf der Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft entgegen. Kein Wunder also, dass man zuerst auf den Preis, und dann auf den Stoffkreislauf achtet. Wettbewerbsfähigkeit wird sich erst dann einstellen, wenn wir die Kosten der Umweltzerstörung, der Kredite, die wir förmlich auf Kosten der Zukunft nachfolgender Generationen nehmen, einpreisen. So lange die umweltschädlichen Produkte einen geringeren Preis haben als die entsprechend nachhaltig und verantwortungsvollen, können wir nicht von Wettbewerbsfähigkeit sprechen – nicht einmal von Vergleichbarkeit. Und gerade in der Beschaffung braucht es hier transparente und vergleichbare Kriterien.
HERAUSFORDERUNG NUMMER 2: REGULATORIK
Das Einwegpfand ist hier, die PPWR kommt in Kürze, die CO2 Steuer wirft ihre Schatten voraus, und die Standardisierung, sowie Einfuhrbeschränkungen werden mit unterschiedlich viel Zuwendung gesehen. Einerseits sollte keine Regulatorik notwendig sein, wenn wir uns die Notwendigkeit zum Handeln in Sachen Klimawandel vor Augen führen, andererseits hat gerade die Regulatorik in der Vergangenheit zu positiven Veränderungen geführt. Was wir definitiv brauchen, und woran wir arbeiten müssen: Einheitlichkeit, Verständlichkeit, Widerspruchsfreiheit in der Regulatorik. Allein bei der Frage, wie ein CO2-Fußabdruck zu messen ist, gibt es schon keine Einheitlichkeit. Standardisierungen werden uns helfen, mit einer Sprache zu reden und gleiche Maßstäbe zu setzen.
Ein weiteres Thema in der Regulatorik sind auch Förderungen, Steuern, Bonifikationen. Ohne dass in unserer Runde ein Konsens darüber hergestellt werden konnte, wie genau dies aussehen sollte, so kommen doch immer wieder Anreizsysteme einerseits und Steuern andererseits auf den Tisch, um näher an die schon angesprochene Kostenwahrheit zu kommen.
HERAUSFORDERUNG NUMMER 3: ZEITDRUCK
Wenn es wirtschaftlich gerade nicht läuft – können wir uns eine Verschnaufpause gönnen, uns mal erst ums Überleben kümmern, und dann wieder mit nachhaltiger und verantwortungsvoller Kreislaufwirtschaft weitermachen?
NEIN können wir nicht. Uns läuft die Zeit davon, viel eher müssen wir uns der Transformation besser früher als später stellen, das lineare Wirtschaftsmodell inklusive geplanter Obsoleszenz durch ein zirkuläres ersetzen, das ressourcenschonend und verantwortungsvoll für eine wünschenswerte Zukunft ist.

LEUCHTTÜRME UND LÖSUNGEN – DEKARBONISIERUNG
Auch Energie lässt sich „im Kreis führen“: Schon mal erzeugte Energie, die in Form von Warmwasser in das Abwasser gelangt, kann fürs Heizen oder Kühlen genützt werden: Bis zu 40% des Wärmebedarfs können so aus bereits vorhandener Energie gewonnen werden und müssen nicht gesondert erzeugt werden. Smarte Energielösungen sind also sicher ein wesentlicher Treiber dafür, weniger CO2 zu emittieren.
Auch im Bausektor gibt es schon sehr attraktive Baustoffe, die CO2-arm sind, und die im Sinne der Kreislaufwirtschaft verarbeitet werden können – auch biogenen Ursprungs. Und wird es dann auch zu einem CO2-Ausweis für Produkte und Gebäude kommen?
LEUCHTTÜRME UND LÖSUNGEN – LOGISTIK
Technologisch sind viele Herausforderungen schon gelöst. Innovative Materialien und Prozesse funktionieren, jedoch die Logistik dahinter ist ungeklärt. Bei Verpackungen ist das noch ein riesiges Thema, aber auch im Bausektor. Was es in jedem Fall braucht, ist mehr Transparenz, mehr Wissen, einen klaren Sekundärrohstoffmarkt. Auch hierzu gibt es schon Policy Papers, Arbeitsgruppen und Forschungsaktivitäten, die die wichtigsten Player zusammenbringen. Allein – die fruchtbaren und funktionierenden Ergebnisse sind aktuell noch nicht zu sehen. Speziell dem Handel kommt hier auch eine wichtige Rolle zu – immerhin werden hier die wichtigen Entscheidungen getroffen, welche Produkte überhaupt zur Wahl stehen – sowohl b2c als auch b2b.
LEUCHTTÜRME UND LÖSUNGEN – BEWUSSTSEINSBILDUNG
Bewusstseinsbildung fängt immer bei uns selbst an. Wie überzeugt sind wir wirklich selbst, dass wir nun den Wandel aktiv gestalten können? Ganz ehrlich – die Stimmung war schon mal besser, denn wer wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand steht, muss ich um die nahe Zukunft mehr sorgen als um die ferne. Dennoch – die Überzeugung, dass nur eine echte Transformation unserer Wirtschaftsmodelle eine Lösung bringen kann, ist uns gemeinsam. Wo beginnen? Ganz wichtig – bei uns selbst, bei der Jugend, in den Werten, die wir an den Tag legen. Und in den Narrativen. „Lasst uns eine Heldengeschichte von Kreislaufwirtschaft schreiben“, lautet ein Aufruf. Gute Idee, finde ich. Und sich dem Thema auch spielerisch nähern zu können, hilft – auch eine Idee, der wir Aufmerksamkeit schenken werden.
Aber Heldengeschichten allein sind auch zu wenig – die Fakten müssen ebenso auf den Tisch. So diskutieren wir zum Beispiel die Kreislaufführung von Glas: All die Bemühungen zum Sammeln schlagen fehl, wenn auch nur kleine Mengen Fremdstoffe, wie zum Beispiel Email oder bleihaltiges Glas, in der Sammelfraktion enthalten sind, ist das Sekundärmaterial nicht mehr für den ursprünglich geplanten Einsatz verwendbar und muss einem geringerwertigen Produkt beigefügt werden. Downcycling also.
Wie sieht es aus der übergeordneten Perspektive aus? Während die Wegwerfgesellschaft ein gedankliches Konstrukt der Nachkriegsjahre war, das den Wirtschaftsaufschwung gebracht hat, als alles am Boden lag, müssen wir nun genau diesem Gedankenkonstrukt ein neues Modell entgegenstellen und Schritt für Schritt unsere Wirtschaft darauf umstellen. Werte wie Anstand, Ehrlichkeit, Eigenverantwortung müssen in allen Ebenen der Gesellschaft in den Vordergrund kommen. Und wir brauchen Mut, Allianzen und europäisches Denken.
FAZIT: KREISLAUFWIRTSCHAFT STEHT AUF DEM PRÜFSTAND.
Nicht nur, aber auch unter dem regulatorischen Druck (z.B. PPWR) entstehen kreislauffähige Produkte, die viele Punkte erst beweisen müssen.
- Bedeutet Kreislauffähigkeit auch tatsächlich, dass die Stoffe im Kreis geführt werden?
- Ist Kreislaufwirtschaft wirklich die ökologisch nachhaltigere und ressourcenschonendere Variante?
- Hat die Produktentwicklung bereits das „Design for Disassembly, das Design for Circularity“ mit berücksichtigt?
- Sind die Produkte aus den Stoffkreisläufen wirklich die, die der Markt braucht und wünscht?
- Sind diese Produkte dann auch kostengünstiger und damit lohnender – zumindest auf den Lebenszyklus gerechnet?
Diesen Fragen werden wir auf unserer Close-the-Circle Konferenz nachgehen. Und ausreichend Beispiele bringen, die die Antworten darauf aufzeigen. Beispiele gibt es genug: Die VOEST hat mit ihrem Pilotprojekt H2- Lichtbogen gezeigt, dass Stahlerzeugung auch mit erneuerbaren Energien funktioniert, PORR nimmt 80% der Materialien zurück von den Baustellen, um sie wieder einzusetzen. Werner Merz / Frosch Erdal setzt seit den 80er Jahren erfolgreich auf mehr und mehr Cradle2Cradle Prinzipien. Erst wenn diese Fragen auch alle mit JA beantwortet werden können, sind wir auf dem richtigen Weg. Antworten zu finden bedeutet aber auch Diskurs, Perspektivenwechsel, Zuhören und eine Abkehr vom Schwarz-Weiß – Gut-Böse-Denken. In so hochkomplexen Zeiten sind viele Perspektiven enorm wichtig, um klar zu sehen. Und dafür werden wir auf unserer Close-the-Circle sorgen!
PS: Wo sind weitere Leuchttürme, die schon Antworten auf die Fragen oben gefunden haben? Bitte gleich einreichen zum CTC-Award!
Am 09.10.2025 sind wir mit der Close-the-Circle Konferenz für Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung im Palais Eschenbach wieder live zu Gast! Anmeldung
Noch ein paar Buchtipps zum Schluss:
- Selbst Denken – Anleitung zum Widerstand / Harald Welzler
- From Rebel To Radical Innovator: Leading The Transformation Through Circularity / Albin Kaelin
- Die Zukunft ist besser als gedacht / Paula Brandt