Von grünen Schwänen, energieautarken Gemeinden und authentischer Kommunikation - Das war die Municipal Trends #3

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Am 23.05.2023 war es wieder so weit: zusammen mit etwa 80 Teilnehmer*innen haben wir im #wissenrockt Netzwerk die Municipal Trends #4 – Fachkonferenz für Kommunal- und Regionalentwicklung veranstaltet. Unter dem Motto „nachhaltig lebenswerten Lebensraum gestalten“ haben wir uns diesen Themen gewidmet:

  • Mobilitätswende (im ländlichen Raum)
  • Nachhaltigkeit, Energieautarkie und Digitalisierung
  • Soziale Nachhaltigkeit und Dialog
  • Generationswechsel, Führung und Persönlichkeit

Mobilitätswende

Kraftvoll und mutig haben unsere Key Note von Christian Clerici und die ersten Impulsvorträge die Stimmung gleich mal auf MUT gedreht. Auch wenn wir mit der Mobilitätswende noch einiges vor uns haben, so haben wir doch viele konkrete Möglichkeiten in der Hand. „Die Mobilitätswende ist etwas, das wir multimodal sehen müssen. Weder die Bahn allein, noch das E-Auto allein werden die Lösungen sein“, lädt Stefan Weiss, Geschäftsführer der SCHIG, zur intelligenten Kollaboration ein. Gudrun Kartnig, Beraterin und Mobilitätsexpertin bei Kartnig Consulting, hat etwa in Kärnten mutige neue Wege ausprobiert: „Wir haben keine Fahrpläne, sondern funktionierende, bedarfsorientierte Mobilitätslösungen ausgeschrieben. In einem Miteinander der Gemeinden und Nutzer hat dann eine Jury das effektivste (und nicht das billigste) Konzept ausgewählt“. Manfred Korzil, Stadtbaudirektor von Wiener Neustadt, streicht die Vorbildwirkung heraus: „Wir können Fahrradnetze bauen, wenn wir Politiker aber selbst jeden Meter mit dem Auto fahren, sind wir unglaubwürdig. Ich fahre viel mit dem Fahrrad, und bin meist schneller als die Autofahrer*innen.“

Auch aus Tirol und Kärnten kommen wichtige Impulse zu dem Thema: „Die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung ist sehr entscheidend. Wir können Verkehrskonzepte und Infrastruktur bauen, wir können einen guten Fahrplan und einen modalen Mix anbieten, aber wenn letztlich doch jeder Meter im Ort mit dem Auto gefahren wird, dann fehlt noch etwas. „Es braucht die zerstörerische Kraft des Umdenkens, damit wir es schaffen, neue Systeme zu entwickeln“, formuliert es Reinhard Jenewein, Direktor der Stadtwerke Wörgl GmbH. Er hat mit dem Flo-Mobil-Konzept auf ein niederschwelliges Carsharing Konzept in mehreren Tiroler Gemeinden gesetzt, das immer mehr und besser angenommen wird. Und noch eine gute Idee, auf die Notwendigkeit der Mobilitätswende aufmerksam zu machen, teilt Roland Gruber, Vizebürgermeister von Moosburg: „Wir haben ein Klima-Fitnesscenter eingerichtet. Da kann man beim Gewicht-Heben körperlich erfahren, was es bedeutet, 10 oder 50 kg CO2 einzusparen.“ Großartige Idee, immerhin wird es immer wichtiger nachzuvollziehen, welche unglaublichen Mengen CO2 wir unbewusst in die Atmosphäre entlassen.

Mobilitätswende braucht auch intelligente Infrastruktur: „Wer wie wir in einem Verkehrsknotenpunkt liegt, braucht jede Menge Daten, um faktenbasiert Entscheidungen für Gegenwart und Zukunft zu treffen“, erklärt beispielsweise Roland Rendl, verantwortlich für die Verkehrsinfrastruktur in Saalfelden. Und dabei geht es um weit mehr als nur Fahrzeugzählungen und Geschwindigkeitsermittlung. Durch Kennzeichenerkennung kann man auch gezielt auf lokale Mobilität, Durchzugsverkehr, Kurzaufenthalte in der Stadt, etc. schließen und dann datenbasiert die Verkehrsinfrastruktur planen. „Wir haben heute schöne Beispiele, wo aufgrund von Verkehrsdatenerfassung die Auslastung der Parkplätze erkannt und Shuttlebusse bestellt werden können. Die Autofahrer*innen werden abhängig von den Verkehrssensoren richtig und staufrei gelotst“, beschreibt Paul Krotscheck, Geschäftsführer TDS Traffic Data Systems, gut funktionierende Praxisbeispiele.

Dietmar Ruggenthaler, Bürgermeister von Virgen in Osttirol, bringt eine weitere, spannende Mobilitätsidee ein: „bei uns fahren viele Menschen ehrenamtlich und übernehmen so einen Teil der Wege, für die es kein öffentliches Angebot gibt.“ So funktioniert ein gutes Miteinander!

Entscheidend ist, dass wir in ALLIANZEN denken und handeln, dass wir die Lust am Wandel spüren, weil er Sinn macht. In anderen Worten fasst es Christian Clerici mit einem Augenzwinkern zusammen: „Wenn wir an der Mobilitätswende scheitern, weil wir es uns nicht „leisten“ wollen, dann haben wir es nicht anders verdient, als auszusterben.“

Nachhaltigkeit Energieautarkie und Digitalisierung

Die explodierenden Energiekosten und die zunehmende Instabilität des Stromnetzes waren für die Gemeinden Österreichs entscheidende Treiber, sich dem Thema Energieautarkie mit Hochdruck anzunehmen. „Unsere Gemeindegebäude sind mit PV Anlagen ausgestattet, und es ist unser Ziel, bis 2030 zu 100% Strom und Wärme aus eigener Erzeugung zu verwenden“, so fasst Martin Bruckner die Vision von seiner Gemeinde Großschönau zusammen und spricht damit vielen Bürgermeister*innen aus der Seele. Die Maßnahmen und die Jahreszahl, wann dies erreicht ist, mögen leicht abweichen, aber Energieautarkie in Kommunen oder Regionen ist überall DAS entscheidende Ziel.

Aber auch das Thema Wasser sparen bzw. die Kostbarkeit des Wassers zu achten, ist eine wichtige Dimension: „Wir haben alle unsere Wasserzähler digitalisiert und lassen uns stündlich die Daten liefern. So können wir kluge Entscheidungen treffen und schon mal unbeliebte Wassersparmaßnahmen hintanstellen“, beschreibt Regina Wiedl, Amtsleiterin von Neuhaus in Kärnten den Ansatz in ihrer Gemeinde. Digitalisierung und smarte Datenerfassung sind keinesfalls Privilegien der Großen, sondern möglich und notwendig für alle. Von Poolfüllplanungen bis Leckerkennung, von Wasserspeichermanagement bis Bewusstseinsbildung zum Wasserverbrauch reichen hier die Maßnahmen. Und wer auch noch auf smarte Wasserarmaturen setzt, hat einen weiteren entscheidenden Vorteil: „Wussten Sie, dass Sie alle 96 Stunden die Stichleitungen in Ihren Gebäuden spülen sollten, um jederzeit hygienisch unbedenkliches Wasser anzubieten?“ fragt Walter Berger, Geschäftsführer von Schell Armaturen Österreich. Und smarte Armaturen können diesen Job selbst übernehmen, indem sie zentral von einem Punkt aus steuerbar sind.

„Liebe Gemeinden, was auch immer Ihr vorhabt, mit den ÖGNI und DGNB Ansätzen zur klimapositiven Stadt unterstützen wir gern in allen Vorhaben – und die können von ganz kleinen Einzelmaßnahmen bis hin zu Großprojekten gehen“, bietet Anna-Vera Deinhammer, ÖGNI an. Christian Pillwein, Leiter der Gebäudeautomation bei Beckhoff, ergänzt: „Es geht uns darum, jeden Schritt in die richtige Richtung zu unterstützen und Begleitung zu bieten – ob klein oder groß.“ Die Nachhaltigkeit messbar und machbar zu machen ist die Mission.

Die richtigen Technologien sind dafür natürlich ein Wegbereiter: „Der Movebloc ® von MABA Fertigteilindustrie ist für Gemeinden und Tourismusgebiete eine sehr sinnvolle Ergänzung im Mobilitätsangebot. Ganz besonders stolz sind wir aber auf unsere Lärmschutzwände, die Strom produzieren können“, erzählt Gerald Lanz, Leiter Produktmanagement bei MABA. Und was bei Nachhaltigkeit immer wichtiger wird, ist auch der Nachweis derselben: So hat beispielsweise die solarstromerzeugende Lärmschutzwand bereits nach 2,5 Jahren den CO2-Fußabdruck, der bei der Produktion und Errichtung entstanden ist, wieder kompensiert. Bravo!

Eine große Bedeutung kommt aber auch der Sanierung der Gebäude zu: „Jeder erfreut sich am Blick durch das Fenster, aber wir machen uns oft zu wenig Gedanken über dessen Funktion“, meint dazu Michael Freiler, Geschäftsführer EKU Fenster. Er hat den entscheidenden Vorteil, seine Kunststofffenster mit sehr hohem Recyclat-Anteil, bio-basiertem PVC und natürlich hervorragenden Dämmwerten zu produzieren.

Sanieren und sinnvoll um- und nachnutzen ist der wichtigste Baustein im Kampf gegen die Flächenversiegelung. Monika Hohenecker, Senior Expert Cities & Municipalities bei RegioPlan, erläutert, was bereits machbar ist: „Die Erfassung von Leerstand ist oft ein großes Problem. Mit der richtigen Datengrundlage lassen sich aber sehr kluge Nutzungskonzepte erarbeiten, verwaiste Gassen beleben, die Innenstadt neu definieren.“ Die Expert*innen sind sich einig: Der Handel wird die Ortskerne nicht wiederbeleben, es müssen weitschichtigere und flexiblere Nutzungskonzepte entwickelt werden.

Soziale Nachhaltigkeit und Dialog

Die soziale Nachhaltigkeit, der gute Mix in der Gesellschaft, spielt eine weitere wichtige Rolle. Viele Regionen sind Zuzugsgebiete, wie Erich Benischek, Geschäftsführer der Blauen Lagune in einer Grafik zeigt: „Gerade die Speckgürtel um die großen Städte Österreichs wachsen extrem stark, hier muss klarer Fokus auf die Lebensraumentwicklung in allen Dimensionen geachtet werden“, erinnert er. In Hippach beispielsweise setzt Bürgermeister Alexander Tipotsch auf ein interessantes Wohnmodell: Da wo früher in einem Einfamilienhaus noch ein alter Mensch einsam gelebt hat, denken wir jetzt in 3 oder vier Wohneinheiten, wo auch eine Pflegekraft 24/7 wohnen und leben kann. Das entlastet die Pflegeheime massiv, auch die Familien, und viele Menschen können auch im Alter noch eigenständig in der Gemeinde leben.

Christian Gratzl, Bürgermeister von Freistadt, beobachtet schon seit mehreren Jahren eine Renaissance der Stadt: „Die jungen Menschen kehren zurück und bauen ihre Elternhäuser aus und um. Aber auch innerstädtisch werden mehr kleinere Wohnungen nachgefragt.“

Lebenswerten Lebensraum zu entwickeln, bedeutet auch, mit den Bürger*innen im regen Austausch zu sein. „Wir beziehen alle in die Stadtentwicklung mit ein, so entsteht automatisch eine Identifikation mit der Stadtverwaltung und mit der Stadt selbst,“ freut sich Adi Rieger, Bürgermeister von Neumarkt am Wallersee. Ein großartiges Beispiel kommt aus Amstetten: Werner Brandstetter, Vizebürgermeister der Arbeiterstadt, wie er sie nennt, blickt auf reiche Erfahrungen in der Ortskern-Neugestaltung zurück: „Wir haben mit unseren Bürger*innen gemeinsam viele Aktionen gesetzt, die Stadt aus anderen Blickwinkeln kennenzulernen. Zum Beispiel durch Wanderungen entlang des Kanals, durch Hubschrauberflüge über die Stadt, durch viele direkte Gespräche vor Ort – so ist ein sehr gutes und weitreichendes Verständnis füreinander entstanden!“ Das klingt nach viel Budget für viel Impact, aber das geht auch anders, weiß Helga Rosenmayer, Bürgermeisterin von Gmünd in Niederösterreich: „Wir dürfen nicht unterschätzen, welche Rolle die Vereine in der Gemeinschaft und damit für den lebenswerten Lebensraum spielen. Somit ist Geld nicht der einzige Treiber für Lebensqualität.“ Vereine sorgen auch dafür, dass sich Menschen austauschen, in Kontakt miteinander sind und viele Verbindungen innerhalb der Gemeinde entstehen. „Das war mein Startvorteil als Bürgermeisterin,“ berichtet Nicole Leitenmüller, Bürgermeisterin von Lembach im Mühlkreis, „ich hab mein Amt mit Start der Pandemie übernommen, und da war es Gold wert, dass mich schon alle gekannt haben.“ Gerade in schwierigen Zeiten brauchen die Menschen Identifikationspersönlichkeiten, die auch nahbar sind. Der persönliche Kontakt und Dialog wird auch durch KI und Social Media nicht ersetzt werden können, sind sich die Bürgermeister*innen einig. Nicht ganz so einig in der Frage, ob sie sich dennoch auf den diversen Plattformen als Person zeigen sollen oder nicht. „Wichtig dabei ist, dass man authentisch bleibt“, findet Kerstin Suchan-Mayr, Bürgermeisterin von St. Valentin. „Ich strebe ja aktiv die plastikfreie Gemeinde an, da passt es auch, wenn ich mich beim Marmelade-Einkochen präsentiere. Aber jede Dance-Challenge muss ich auch nicht mitmachen.“

St. Johann im Pongau arbeitet hier restriktiver: „Wir informieren auf unserer Facebook-Gemeindeseite, aber in die Diskussionen gehen wir lieber auf persönlicher Ebene“, verrät Günther Mitterer seine Strategie. Genau diese Linie vertritt auch Johann Stemeseder, Bürgermeister von Berndorf bei Salzburg: „Ich hoffe, dass auch in 50 Jahren noch der persönliche Dialog das stärkste Kommunikationsmedium ist – aber den Fortschritt wollen wir natürlich nicht verpassen.“ Josef Anichhofer, Vizebürgermeister von Stockenboi, gibt jedoch zu bedenken: „Seien wir uns ehrlich – im persönlichen Kontakt sind wir immer mit den gleichen 250-300 Personen. Niemand von uns hat die Telefonnummern von 5.000 Gemeindebewohner*innen eingespeichert. Da brauchen wir eine klare Social Media Strategie, um klare Botschaften in passender Sprache für die Zielgruppen zu haben.“ Auch Bernadette Geieregger, Bürgermeisterin von Kaltenleutgeben, die die junge Generation repräsentiert, setzt auf Social Media Kommunikation: „Ich versuche auf Social Media Stellung zu beziehen, zu posten und auf Kommentare zu reagieren, aber das nimmt schon viele Ressourcen ein.“ Martin Promok, Bürgermeister von Annaberg, wünscht sich ebenfalls den Mix aus persönlichem und online-Dialog: „Unser Tourismusverband ist selbstverständlich sehr aktiv auf allen Plattformen, wir informieren eher. Aber auch das Printmedium wird uns hoffentlich noch länger erhalten bleiben.“

Unsere Zukunft in den Händen der nächsten Generation: Am Ende sind es weder die technischen Lösungen, die Konzepte, die Pläne und die Systeme, die den Wandel schaffen. Es sind die Menschen, die mutig kluge Entscheidungen treffen, alle mitnehmen und die Chancen nutzen. „Ich bin mit 20 Bürgermeister geworden“, erinnert sich Fabio Halb, Bürgermeister von Mühlgraben. „Das ist eine große Herausforderung und auch eine Chance, die es zu nutzen gilt.“ Mutig Verantwortung zu übernehmen ist ja nicht gerade die Tugend, die den Jungen derzeit zugeschrieben wird. In unserer abschließenden Podiumsdiskussion, wo wir 3 Bürgermeister*innen unter 30 Jahre eingeladen hatten, hat sich dieses Bild so gar nicht gezeigt. „Lassen wir diese Vorurteile und Zuschreibungen, jede Generation zeichnet sich durch etwas andere Stärken aus als ihre Vorgänger. Wir sollten aufhören, immer auf die anderen zu schimpfen und stattdessen lieber offen voneinander lernen,“ wünscht sich auch Peter Eisenschenk, bereits sehr erfahrener Bürgermeister von Tulln.

Und wie geht’s weiter? Mutig, tatkräftig, perspektivenreich und voller Möglichkeiten – so stehen wir generationenübergreifend am Ende des spannenden Tages da. Da ist bei weitem nichts zu sehen von Ratlosigkeit oder Resignation. Angesichts der multiplen Krisen, denen wir uns alle gegenüber sehen, eine durchaus wertvolle Haltung. Auch Andreas Jäger, der „Klimajäger“, unterstreicht dies in seiner Key Note: „Ja, wir stehen vor großen Herausforderungen. Doch wir sind bei weitem nicht chancenlos! Ich sehe viele Innovationen kommen, die alle das disruptive Potenzial hin zum positiven Wandel haben. Ich nenne sie die Grünen Schwäne. Tempolimits, PV oder Stadtbegrünung sind nur wenige davon.“ In diesem Sinne: Packen wir es mutig und hoffnungsfroh an, denn unsere Entscheidungen und Handlungen sind es, die die Welt von morgen gestalten. Wie sie wird? Wir haben es in der Hand.

#wissenrockt

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Fotocredits: Johann Reifberger

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