Soziale und ökologische Nachhaltigkeit statt Berge von Elektroschrott
Die moderne Konsumgesellschaft scheint geprägt von schnelllebigen Produkten, kurzfristen Ressourcenverbrauch und daraus resultierenden Bergen an Abfall und Schrott. Gerade im Bereich IT und Elektrotechnik scheint es kaum Alternativen zu einem verschwenderischen Umgang mit knappen Ausgangsressourcen und kurzen Produktlebenszyklen zu geben wenn man am Puls der Zeit und immer Up to Date bleiben will. Doch es geht auch ganz anders, wie uns die AfB – mildtätig und gemeinnützige GmbH anhand von integrativem IT-Refurbishment beeindrucken aufzeigt. Wir haben uns mit Monika Schmied von der AfB darüber unterhalten, wie man soziale und ökologische Nachhaltigkeit in einem Markt mit enormen Zukunftspotential verbinden kann, indem man Elektro- und IT-Produkte erneuert und einem weiteren Lebenszyklus zuführt.
Ghezzo: Was bedeutet „social & green IT“ für Euch?
Schmied: Unser „green“-Aspekt: Als Europas größtes gemeinnütziges IT-Unternehmen sind wir darauf spezialisiert, ausgemusterte Business-IT-Hardware am Ende des Lifecycles von großen Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen zu übernehmen und sie für eine zweite Nutzung aufzubereiten. Geräte werden von uns österreichweit abgeholt, inventarisiert, zertifiziert gelöscht, getestet, gereinigt und anschließend mit einer Garantie von mindestens 12 Monaten wiederverkauft.
Unser „social“ Aspekt: Als Inklusionsunternehmen schaffen wir durch unsere Tätigkeit wertvolle Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung. Bei uns arbeiten 50% der MitarbeiterInnen mit Beeinträchtigung und zwar in allen Bereichen, von der Logistik und Technik, über die Verwaltung, bis hin zu Lager, Verkauf, Beratung und Entwicklung. Sie sind dankbar für die Tätigkeit bei der AfB und übernehmen bei uns wertvolle Aufgaben im Kerngeschäft der IT-Dienstleistung.
Ghezzo: Wie seid Ihr auf die Idee gekommen?
Schmied: Die Idee für ein inklusives IT-Unternehmen entstand bei uns aus einem Pilotprojekt heraus, das Paul Cvilak – Gründer der AfB mildtätige und gemeinnützige Gesellschaft in Deutschland – im Jahr 2004 mit einer Behindertenwerkstatt gestartet hat. Das Ergebnis der Zusammenarbeit war so positiv, dass damals die Vision entstand, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem behinderte und nicht-behinderte Menschen in Teams erfolgreich zusammenarbeiten können. Und dieses Arbeitsumfeld bedeutet bei uns beispielsweise die einzelnen Tätigkeiten, wie die Datenlöschung oder die Geräte Zerlegung und Prüfung, sowie die Reparatur und Wieder-Aufbereitung in möglichst kleine überschaubare, standardisierte Prozesse und Aufgaben zu organisieren, damit diese auch einfach zu bewältigen sind. All unsere Arbeitsprozesse sind barrierefrei und so ausgelegt, dass sie auch von beeinträchtigten Menschen mit hoher Qualität ausgeführt werden können.
Ghezzo: Was passiert mit IT-Ausstattung und Elektroschrott normalerweise am Ende der Wertschöpfungskette?
Schmied: Laut Global 2000 fallen in Österreich pro Jahr 83.074 Tonnen Elektroschrott an. Es wird geschätzt, dass weltweit lediglich 25 % der E-Abfälle in formellen Recyclingzentren mit angemessenem Arbeitsschutz und Umweltauflagen recycelt werden. Umso wichtiger ist es, auf eine fachgerechte Verwertung und Entsorgung zu achten. Durch die Wiederaufbereitung und-Vermarktung von gebrauchten PCs, Notebooks, TFTs und Druckern, etc. wird die umwelt- und Menschengefährdende Rohstofftrennung an IT-Geräten an Dritte-Welt-Länder eingedämmt. Die Weiternutzung der Geräte verlängert deren Lebenszeit und trägt so erheblich zur Ressourcenschonung und zur Vermeidung von Elektroschrott bei.
Ghezzo: Wieviel Ressourcen, Rohstoffe, Wasser etc. sind für die Herstellung eines PCs normalerweise notwendig?
Schmied: Für die Herstellung eines einzigen PCs sind 1,9 Tonnen Rohstoffe notwendig? Nach einer Studie der TU-Berlin sind dies konkret: 1.000 mg Silber 65 g Kobald 220 mg Gold 1.500 l Wasser 80 mg Palladium 22 kg chemische Stoffe 500 g Kupfer 240 kg fossile Energieträger + diverse Edel- und Schwermetalle / seltene Erden
Ghezzo: Welches Potenzial der Ressourceneinsparung bietet IT-Refurbishing?
Schmied: Bei uns alleine in der AfB Gruppe – wir sind in 5 europäischen Ländern präsent (Österreich, Deutschland, Schweiz, Frankreich und Slowakei) werden pro Jahr mehr als 472.000 IT- und Mobilgeräte bearbeitet – Tendenz steigend. Eine von der Klimaschutzorganisation myclimate erstellte Ökobilanz-Studie weist konkret die Einsparungen an Energie, Wasser, CO2-Emissionen, Rohstoffen sowie Verminderung der Toxizität nach, die wir unseren Kooperationspartnern auch für deren Nachhaltigkeitsberichterstattung in einem eigenen Zertifikat (CSR-Urkunde) jährlich ausweisen.
Alleine in Österreich haben wir im Jahr 2020 insgesamt über 65.400 IT- und Mobilgeräte bearbeitet. Davon konnten 88% für eine Wiedervermarktung aufbereitet werden.
An Ressourceneinsparung durch die Bearbeitung und Wiedervermarktung entsprach dies u.a.
> 8.000 Tonnen CO2 (Äquivalente)
> 4.500 Tonnen Eisen (Äquivalente)
> 31.500 Megawatt Stunden Energie
> 56,5 Mio. Liter Wasser
Ghezzo: Gibt es eine Zukunftsprognose in Bezug auf Elektroschrott? Wie wird sich der Markt entwickeln?
Schmied: Laut Global E-waste Monitor 2020 der Vereinten Nationen wurde 2019 weltweit eine Rekordmenge von 53,6 Millionen Tonnen Elektroschrott erzeugt – ein Anstieg um 21 Prozent in nur fünf Jahren. Aktuelle Schätzungen für das Jahr 2021 ergeben, dass der Müllberg heuer 57,4 Millionen Tonnen schwer werden könnte. Weltweit soll der Berg an Elektroschrott – ausrangierte Produkte mit einer Batterie oder einem Stecker – bis 2030 sogar 74 Millionen Tonnen erreichen, was nahezu einer Verdoppelung des Elektroschrotts in nur 16 Jahren entspricht. Nur etwa 17,4 Prozent des Elektroschrotts im Jahr 2019 wurden gesammelt und recycelt.
Ghezzo: Was sind eure Zukunftspläne und -Strategien für AfB?
Schmied: Wir wollen und werden wachsen. AfB-Standorte können jederzeit in neuen Ländern oder regional in neuen Bundesländern eröffnet werden. Vorausgesetzt im Land oder in der Region sind genügend Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, Institutionen oder Organisationen bereit, eine Partnerschaft im Zeichen des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit mit uns einzugehen und unsere Kerndienstleistungen als professionelle Dienstleister zu nützen. Und die Zeit arbeitet für uns. Wenn Europa es mit dem „Green Deal“ ernst meint, die Digitalisierung in seiner unendlichen Dynamik und Schubkraft weiter voran schreitet und ihr unendliches Potenzial als Hebel für eine „social & green“ Entwicklung in ihren strategischen Fokus nimmt, dann hat nicht nur die AfB als eines von vielen nachhaltig ausgerichteten Unternehmen eine unheimlich große Chance, weiter zu wachsen. Dazu braucht es die Politik, die den „Green Deal“ in Europa jeweils landesspezifischen übersetzt und ihn als Stärke und unheimlich große Chance für Gesellschaft, Wirtschaft und soziale Verantwortung wahrnimmt. Dazu braucht es Unternehmen, die nachhaltig entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette agieren und „social & green“ Geschäftsmodelle in ihren Prozessen und Abläufen integrieren. Dazu braucht es Konsumenten, die in ihren Kaufentscheidungen verantwortungsbewusst, nachhaltig und Ressourcen-schonend denken. Denn letztendlich ist es unser aller Verantwortung für die nächste Generation und damit für unsere Kinder und Enkelkinder.