EU-Omnibus und ESG: Realitätsschock oder nachhaltige Kurskorrektur?

Zwischen Förderkürzungen, verschobenen Fristen und vereinfachten Berichtspflichten droht die Debatte rund um die EU-Omnibus-Verordnung aus dem Ruder zu laufen. Was davon bedeutet tatsächlich einen Rückschritt – und was schlicht eine realistische Anpassung? Fritz Mühlener, Geschäftsführer des IfEA Instituts für Energieausweis GmbH, analysiert im Gespräch die Folgen für Sanierungspflichten, ESG-Strategien und Investitionsentscheidungen. Sein Fazit: Wer auf echte Daten und langfristige Strategien setzt, hat wenig zu befürchten – im Gegenteil.
Alexander Ghezzo: Kippt die EU mit dem Omnibus-Paket gerade ihre eigene Nachhaltigkeitsagenda – oder zieht sie Konsequenzen aus der Realität? Was bedeutet das für Sanierungsverpflichtungen und ESG-Reporting in der österreichischen Immobilienwirtschaft?
Fritz Mühlener: Bei der EU-Omnibus-Verordnung und den dadurch geplanten Änderungen geht es im Wesentlichen um Veränderungen bei Berichtspflichten. Es sind keine Ziele hinsichtlich einer fossilfreien Zukunft geändert worden, sondern maximal Fristen. Die für die Immobilien wichtigen EU-Richtlinien – also die EU-Gebäude-Richtlinie und die EU-Energieeffizienz-Richtlinie – sind in Kraft und müssen in allen Mitgliedsländern umgesetzt werden. Hier hat es keine wie immer geartete Veränderung gegeben. Sanierungsverpflichtungen oder „Nachteile“ wird es nur für Nicht-Wohngebäude geben, die einen HWB von etwa über 160 kWh/m²a haben. Für Wohngebäude im Bestand sind – egal wie hoch der Energieverbrauch ist – keine Einschränkungen geplant. Einzig der Markt für diese Wohnungen und Gebäude wird ein Risiko darstellen. Die Einschränkungen bei der Taxonomie-Verordnung nehmen von einigen Immobilieneigentümern etwas Druck weg, weil auch die Banken Erleichterungen erhalten haben.
Alexander Ghezzo: War die große Sanierungswelle nur ein Kapitel zwischen Nullzins und Förderüberschuss? Jetzt, wo Mittel knapp und Regeln aufgeweicht werden: Wer hält den Sanierungskurs noch?
Fritz Mühlener: Die Vorgaben und Vorzüge für grüne Finanzen sind gleich geblieben. Es wird auch wieder Förderungen geben, da Österreich seine Ziele gemäß der EPBD erreichen muss.
Alexander Ghezzo: Wenn durch Omnibus die ESG-Berichtspflichten entschärft werden – wie viel ESG bleibt dann noch übrig? Droht ein neuer Pragmatismus, der zwar Bürokratie abbaut, aber zugleich Wirkung einbüßt?
Fritz Mühlener: Nein – die für Gebäude relevanten EU-Richtlinien sind in Kraft und wurden nicht geändert. Sehr große österreichische Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeiter:innen und internationale Konzerne geben grundsätzlich die Richtung vor und diese ist seit vielen Jahren gleich.
Alexander Ghezzo: Wie kann evidenzbasierte Analyse helfen, zwischen Vereinfachung und Verwässerung zu unterscheiden? Braucht es jetzt nicht erst recht belastbare Daten?
Fritz Mühlener: Alle großen Immobilieneigentümer sind am Weg zu evidenzbasierten Analysen. Beispielsweise gibt die EU-Gebäude-Richtlinie klare Vorgaben, die im Entwurf zur OIB Richtlinie 6, Ausgabe 2025, entsprechend umgesetzt werden. Eventuell macht es Sinn, jetzt noch Energieausweise für bestimmte Gebäude zu aktualisieren. Der „richtige“ Energieausweis wird künftig noch entscheidender für die Bewertung von Immobilien.
Alexander Ghezzo: Kann die österreichische Immobilienwirtschaft mit dieser regulatorischen Kehrtwende umgehen – oder droht eine strategische Orientierungslosigkeit?
Fritz Mühlener: Nein, es droht keine Orientierungslosigkeit, da alle großen und guten Immobilieneigentümer immer langfristige Strategien verfolgen. Die Themen, die internationale Immobilieninvestoren schon vor Jahren vorgelebt haben, sind mittlerweile auch bei österreichischen Unternehmen angekommen.
Alexander Ghezzo: Wenn weder Regulierung noch Marktanreize greifen: Woher soll das Kapital für energetische Sanierung und ESG-konforme Bestandsentwicklung kommen? Reicht „Freiwilligkeit“ als wirtschaftlicher Treiber?
Fritz Mühlener: Nein, es wird degressive Förderungen geben und die Energiekosten werden langfristig steigen. Daher sind thermische Sanierungen und erneuerbare Energieversorgung eine Notwendigkeit und ein Vorteil – besonders, wenn sie mittelfristig umgesetzt werden.
Alexander Ghezzo: Welche Rolle spielt das IfEA künftig in einem Markt, in dem ESG plötzlich Verhandlungssache statt Verpflichtung wird? Wo liegen die großen Hebel in Richtung Klimaschutz und Klimaresilienz?
Fritz Mühlener: Die Rolle des Energieausweises wird noch wichtiger werden, und die Qualität dieser Ausweise entscheidet zunehmend über den Wert einer Immobilie. Große Immobilienunternehmen benötigen künftig eine Datenbank für Energieausweise, um ihr Portfolio bewerten und steuern zu können. Klimaresilienz wird als Teil der Objektsicherheitsprüfung immer bedeutender, und auch Fördermanagement wird im Bereich der Wohnungswirtschaft eine größere Rolle spielen. Für Unternehmen gibt es weiterhin umfassende Förderprogramme für thermische Sanierungen. „ESG“ war nur ein Teil der Entwicklung – maßgeblich sind die Gebäude-Richtlinie (EPBD) und die Energieeffizienz-Richtlinie, die den Kurs vorgeben. Alle österreichischen Gemeinden sind beispielsweise verpflichtet, bis 12. Oktober 2025 für alle konditionierten Gebäude über 250 m² einen Energieausweis zu erstellen.
Wenn Sie sich mit Fritz Mühlener austauschen wollen, kommen Sie auf den 06. Ghezzo Immobilientag am 06.05 im Flughafen Wien.